Vor einem Mann wie dir, bin ich seit Frank mit meinen damals sechzehn Jahren stets geflohen.
Er war genau wie du. Liebe auf den ersten Blick als du den Raum betratst und ihn mit deiner Präsenz geflutet hast. Anziehend, erregend, schamlos, blaue Augen und mit einem Blick, dem ich nichts, aber auch gar nichts entgegen zu setzen hatte. Doch nicht zu fassen, nicht festzuhalten, unverbindlich.
Verloren war ich schon damals zum ersten.
Verloren bin ich schon wieder mit dir zum zweiten. Gedauert hat es Jahrzehnte bis der Erste einigermaßen verwunden hatte. Wie viele Jahre wird es dauern, dich zu verwinden?
Das Wissen und darauf den Schmerz, dass unserer Beziehung einfach von Beginn an und in diesem Leben zum Scheitern verurteilt war, macht mich krank. Dennoch spiele ich artig die mir vom Schicksal zugedachte Rolle. Gut erzogen, brav und fast ohne aufzubegehren. Könnte ich doch nur anders! So wie ich es eigentlich will! Keine Kraft mehr. Damals war ich noch jung. Dachte, die Welt stünde mir offen und alles wäre möglich, strengte ich mich nur genug an.
Falsch gedacht. Alles passé. Das Leben ist soweit gelebt und immer mit dem Gefühl, es nicht wirklich genutzt zu haben. Mit der nagenden Gewissheit, dass ich es hätte besser machen können. Unabhängig davon, ob es sich zu der jeweiligen Zeit richtig angefühlt hatte. Gleich dem Tangram-Spiel legten sich die Plättchen aneinander, reihten sich mehr oder weniger logisch zu meinem Schicksal. Unabdingbar, welches mich über die Zeit stumpf werden ließ. Du ließest mich das Leben wieder spüren – in all seinen Höhen, aber noch mehr in seinen Tiefen. Lebendig im Schmerz.
Kurze Momente des Glücks, die trügerische Hoffnung schenkten und durchhalten ließen, doch es bleibt nur Nibelungentreue.
Denke ich heute über mein vergangenes Leben nach, so fühlt es sich dürr an. Nicht gänzlich verschwendet, aber sicher nicht in allen seinen Möglichkeiten voll gelebt. So viel, was ich nicht getan habe. Soviel, was ich hätte aus mir machen können.
Diese Anschuldigungen an mich selbst pökeln meine Seele je länger es dauert. Sie verliert in diesem Zustand über die Zeit an Gewicht, verdichtet sich immer mehr im Dunkel der Zweifel, wird schwarz und immer schmaler, immer kleiner, die Ränder fransen aus, Löcher zeigen sich. Sie duckt sich weg im Sturm der Selbstvorwürfe.
Nur mit Renitenz lässt sich das Leben noch ertragen, nicht genutzte Chancen, Trägheit, Furcht, die lähmt und zu Stasis führt.
Diese vielen Facetten, die mich spalten statt zu einen. Alles du. Widersprüche noch und noch.
Das Neue, welches mich sowohl reizt als auch zerreißt, weil ich vom Alten mich in aller Konsequenz nicht zu lösen vermag. Kalfatern wird nichts nutzen, denn mein marodes Lebensschiff ist in sich leck, die morschen Planken nicht mehr zu flicken. Müde hält es sich über den Wassern, doch noch vielmehr an Gegenwind wird es nicht standhalten. Vielleicht bleibt nur das Sinken auf den tiefen Grund meines Wesens, um zu erkennen, was wirklich wichtig ist - in meinem Leben. Vielleicht ist es noch nicht zu spät.
Was auch immer mich vom Abglanz eines vielleicht existenten höheren Wesens durchdringt, möge es mir den Schimmer Hoffnung hinter der unendlich hoch aufsteigenden Hügelkette zeigen, die mir so lebensfeindlich wie der Olympus Mons den Weg zu meinem inneren Frieden versperrt. Zumindest aus meiner derzeitigen Sicht, eben und jetzt. Ein Licht in der Dunkelheit des Abyss, in dem ich darbe. Gebet magst du etwas nutzen. Doch ich glaube es nicht. Das Leben hat es mich gelehrt, schlimmer geht immer.
Gibt es nochmal blaue Augen, die mein Schicksal sind?