Weihnachten in der Fremde?
Die Sonne scheint. Im Freien sind es fünfundzwanzig Grad. Frisch und erholt komme ich, nach einem schönen langen Spaziergang am Strand, zu Hause an.
Der Duft von Pinien, Eukalyptus, gebrannten Kastanien und Zimt strömt mir beim betreten des Hauses entgegen. In der Küche sitzen meine Mutter und ihre Schwester gesellig beieinander und pellen Kartoffeln, im Hintergrund knistern Eukalyptuszweige im Kaminofen. Am Herd, steht mein Vater und frittiert duftendes Weihnachtsgebäck, „Fritadas“ noch warm wird es mit Zimt und Zucker bestäubt.
Der Stockfisch liegt seit gestern schon im Wasserbad bereit für das Essen am Heiligabend. Es fehlt nur noch Blumenkohl und Brokkoli, diese werden nur kurz vor dem Essen blanchiert.
Die ganze Familie ist in Weihnachtsvorbereitungen. Meine Cousine Stella mit ihren zwei herumtollenden Mädchen Luisa und Eva schmücken im Wohnraum den Weihnachtsbaum, eine Pinie. Neben dem Baum steht eine Weihnachtskrippe mit strohbedecktem Dach, einem Esel, eine Kuh, Schafen, ein Hirte, den drei Königen, Josef und Maria und dem Jesuskind.
Der Esstisch ist ausgezogen und festlich gedeckt für achtzehn Personen, fast die ganze Familie wird heute Abend zusammen Heiligabend feiern. Im Hintergrund spielt südamerikanische Tanzmusik und Stella schwingt beim Schmücken des Baumes ihre Hüften im Rhythmus der Musik.
Heute Abend wird gegen zwanzig Uhr zu Abend gegessen. Wie jedes Jahr an Heiligabend gibt es zuerst eine Kohlsuppe mit Knoblauch, dann ein paar gebratene Garnelen mit einer Piri-Piri-Knoblauchmarinade und Salat, anschließend den traditionell gekochten Stockfisch mit Salzkartoffeln, Blumenkohl und Brokkoli, dazu Olivenöl und frischem Zitronensaft als Marinade. Und zum Nachtisch gibt es frisches Obst, Orangen und Mandarinen und Espresso mit dem sündhaft leckeren frittierten Weihnachtsgebäck.
Danach werden die Geschenke verteilt und anschließend geht es zusammen mit den Kindern um Mitternacht zur Christmesse.
Es ist noch ein wenig Zeit bis das Gemüse blanchiert wird. Ich nehme mir einen Moment um den rosa Sonnenuntergang auf der Terrasse zu beobachten, mit einem Kaffee und einem stibitzten Fritada mit Kastaniencremfüllung in der Hand, das so süß wie nur hier schmeckt.
Ist es Weihnachten in der Fremde? Nein definitiv nicht, sondern Weihnachten in der vermissten Heimat, zusammen mit der ganzen Familie, was selten ist, da wir alle verstreut in der Ferne leben, und wir wenige male zu Weihnachten in die Heimat fahren.
Seid dem in den sechziger Jahren die vier Geschwister nach Arbeit suchend sich in Europa verteilten, kamen wir nur noch im Sommer „Nach Hause“ um meine Oma und Opa zu besuchen.
Fern von dem ersten Zuhause, fern von meinen Großeltern bin ich aufgewachsen. Dennoch, wenn ich an die erste Heimat denke dann ist es mit viel Liebe und Sehnsucht.
Ich freue mich immer wieder hier zu sein.
Den Sonnenuntergang betrachtend, stehe ich auf der Terrasse, der Wind weht mir zart durch die Haare, es fühlt sich an wie die streichelnde Hand meiner Oma, ein paar Tränen fließen meine Wange hinab. Sehnsucht und Melancholie erfüllen mein Herz wenn ich an sie denke, ich spüre die Geborgenheit die sie mir gegeben hat.
Sie war diejenige, die alle zusammengehalten hat, die treibende Kraft in der Familie. Ihr Tod hinterlässt eine Leere in mir.
Die gemeinsame Trauer hat uns wieder ein bisschen mehr zusammengebracht und so entschlossen wir gemeinsam zu feiern.
Es ist so schön hier zu sein, im Hintergrund lacht es und tobt es zu den lateinamerikanischen Klängen, es duftet nach Zimt, Pinien und gebrannten Maronen. Wir feiern Weihnacht nicht besinnlich und still sondern turbulent, heiter und fröhlich.
In einer Woche geht es wieder Richtung zweite Heimat, auch darauf freue ich mich. Denn Deutschland ist genauso meine Heimat geworden wie mein Geburtsland. Ich freue mich auf meine Freunde, auf Spaziergänge in schneebedeckten, märchenhaften Landschaften und die Kälte, „Brrrr“.