„Treue ist gegen unsere Natur“
Franz Josef Wetz, Kulturphilosoph, über Fremdgehen und Eifersucht
Marlene Dietrich sang mal: „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre, ich bin doch zu schade für einen allein.“ Ist da was Wahres dran?
Franz Josef Wetz: Sie hatte nicht ganz Unrecht, denn Treue ist so etwas wie eine kulturelle Norm gegen unsere Natur. Menschen sind von Natur aus polygam.
Kann man denn in gegenseitigem Einvernehmen fremdgehen?
Klar, wenn der Partner Bescheid weiß, wie bei der offenen Beziehung, bei der man die Dinge beim Namen nennt und praktiziert. Oder wie bei der diskret offenen Beziehung, wie ich das nenne: Man weiß und gesteht sich zu, dass der andere Abenteuer hat, aber man spricht nicht darüber. Dennoch sollte man dem Partner und sich selbst immer wieder klarmachen, inwieweit beim Sex mit anderen Partnern Gefühle involviert sind, nämlich hoffentlich keine, denn sonst wird es schwierig.
Warum praktizieren das nicht mehr Paare?
Eines der großen Probleme unserer Tage liegt darin, dass wir uns ewige Treueversprechen geben, die wir gar nicht abgeben dürften. Andererseits braucht man auch nicht gleich das Gefühl zu haben, eine Beziehung sei misslungen, nur weil die sexuelle Intensität verlorengeht.
Mal angenommen, man ist auch nach dieser Lektüre gegen Seitensprünge. Wie bleibt eine Beziehung trotzdem spannend?
Man sollte trotz aller Zweisamkeit versuchen, unabhängig zu sein und sich auch für andere Dinge als die Beziehung interessieren. So bleibt man spannend und gesprächsfähig. Natürlich sollte man eine Stütze füreinander sein und Achtung voreinander haben.
Und in sexueller Hinsicht?
Viele meinen, dass Lust und Vergnügen etwas Einfaches sind, aber sie gehören zur Beziehungsarbeit. Die meisten Liebespaare sind erotische Analphabeten. Sie sollten begreifen, dass Sexualität ein Trainingsfeld ist, ein Gestaltungsspielraum, in dem man experimentieren sollte.
LG. Franz