Etwas aus der räumlichen Distanz im Moment, aber mit den Sinnen ständig im Elsass, will ich das berichten, was ich aus zweiter Hand weiß. Wobei ich eigentlich im Elsass wohne, mich derzeit aber seit Wochen fern halte und in Deutschland bleibe, wo ich mein kleines Unternehmen habe.
Mir berichtete ein Freund aus der Nähe von Haguenau von folgenden Zuständen und Ereignissen:
Er macht es gerade umgekehrt wie ich, bleibt im Elsass im Haus mit Frau und den Hunden, und beschränkt sich auf ein Leben vom Renteneinkommen.
Eingekauft werden darf nur noch das, was nachweislich zum täglichen Bedarf gehört - oder eben "augenscheinlich". Es wird massiv kontrolliert.
"Draußen Sein" mit den Hunden übers benachbarte Feld - nur noch max 1 Stunde - und stets mit einem sich selbst ausgestellten "Passierschein", auf welcher der Grund "die großen Hunde benötigen dringend täglich Auslauf" und der Mensch muss auch mal an die frische Luft man sich selbst bescheinigen und begründen muss.
Und unbedingt die Uhrzeit beim Verlassen das Hauses handschriftlich auf dem Zettel vermerken mit Unterschrift. Und stets alleine.
Ein Bekannter von ihm hatte es gewagt, den Distrikt zu verlassen und mit seinem Hund an den Rhein zu fahren, damit das Tier mal die Füsse ins Wasser hängen konnte - das gab ein Bussgeld von 135 Euro wegen Verlassen des Distriktes.
Der komplette Wald von Haguenau ist gesperrt - das ist ein sehr großes Waldgebiet. Grund: Die Gendarmerie hat es natürlich nicht unter Kontrolle, ob Jugendliche oder Spaziergänger in den Wald gehen, seien es Coronaparties - oder Spazierengehen länger als ne Stunde. Also - alles dicht.
Berufspendler müßten oft lange Zeiten und lange Umwege in Kauf nehmen. Er selbst aber war seit Beginn der Krise erst gar nicht mehr an der Grenze nach Deutschland. Ein Tag bevor es losging, kam er noch zufällig mit dem Zug durch Deutschland gefahren - den Wagen hatte er auf der Deutschen Seite geparkt, um abends vom deutschen Bahnhof ins seinen französischen Wohnort zu kommen. Das war die letzte Fahrt mit dem Auto.
Anderer Freund, aus Wissembourg, hat das Elsass verlassen und lebt zur Zeit so wie ich in Deutschland, in der Pfalz.
Man muss dazu wissen, dass Wissembourg sehr eng mit Deutschland verwurzelt und verbandelt ist - man kann alle paar Meter mal in Deutschland sein oder auch im Elsass. Auch ich habe dort in diesem schönen Städtchen mal gewohnt - jetzt ist "alles tot" wird berichtet.
Er beschreibt aus seinem Erleben, dass es sogar vorgekommen ist, dass französische Berufspendler morgens rüber nach Deutschland zur Arbeit fahren wollten. Ordnungsgemäße Passierscheine vom Arbeitgeber hatten, aber nicht nach Deutschland durch gelassen wurden. Deutschland hatte dicht gemacht.
Gleichzeitig aber:
Das, was alles in Deutschland noch geht, wo wir "Kontaktverbot" haben und nur indirekt eine gewisse Ausgangssperre - bei jedem guten Grund aber das Haus verlassen dürfen zum Einkaufen. Und wo sich vor Ostern in den Baumärkten die Leute drängten, geht im Elsass nicht mehr.
Viele, die die Möglichkeit haben, verschwinden bei Nacht und Nebel über die Grenze nach Deutschland.
Ich selbst hätte größte Sorge, als Unternehmer nicht mehr zurück nach Deutschland an den eigenen Arbeitsplatz zu dürfen, würde ich mal über Nacht in meine Wohnung und ins eigene Bett fahren.
Kürzlich hätte ich am Länderdreieck Deutschland/Frankreich/Schweiz zu tun gehabt und wollte geschäftlich in die Schweiz. Mein schweizer Telefonpartner - wissend dass ich aus Frankreich anreisen würde - hat mir geraten: "Bleiben Sie daheim, auch wenn Sie geschäftlich hier zu tun haben. Sie kommen nicht durch."
So muss ich konstatieren: Derzeit ist das Elsass ein "No-Go-Area".
Und es hat Gründe - relativ zu anderen Regionen ist es ein Krisengebiet geworden.
Und die Animositäten zwischen den Ländern kommen angesichts der Krise zum Vorschein. Jeder zeigt mit dem Finger auf den Anderen und sagt: "Der da ist schuld."
Fürchterlich - und schade.