....Mathematik...wie viel...?
Ich glaube,
dass die Diskussion momentan etwas in die falsche Richtung läuft... - es ist sicherlich unbestritten, dass ein gewisses Maß an Mathematik an allgemeinbildenden Schulen notwendig ist.
Als ich vor gut 30 Jahren die 10. Klasse in der Realschule besucht habe, hatten wir noch Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum im Angebot, dazu die üblichen 3 Gleichungen mit 3 Unbekannten. Ich hatte damals zwar auch etwas Zweifel, für was das gut sei... . Aber es hat mir zumindest am beruflichen Gymasium geholfen manche Rechnung halbwegs zu lösen.
An der Uni hatte ich auch 2 Semester HM, da musste man eine Klausur bestehen - das wars. Für den weiteren Verlauf meines naturwissenschaftlichen Studiums habe ich keine weitere HM mehr benötigt....dafür aber ein ziemlich breites physikalisches und chemisches Verständnis sowie räumliches Vorstellungsvermögen.
Bei vielen Rechnungen in angewandter Physik und physikalischen Chemie und anorganischen Chemie kommt man mit Mittelstufen- Mathematik sehr weit....wenn man nicht unbedingt in die Beweisführung einsteigt (was in der Regel nur in der Forschung notwendig ist). Es gibt auch genügend gute Lehrbücher, die bewusst auf komplexe Mathematik verzichten.
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Um ein Beispiel von weiter oben mal aufzugreifen - wer macht sich schon bei der Benutzung eines Mobiltelefons Gedanken darüber, dass bei dessen Wellenausbreitung die "Maxwellschen Gleichungen" (das ist sozusagen die physikalische Champions League) eine recht beauchtliche Rolle spielen. Wir benutzen es, es funktioniert und gut ist es. Für einen Entwicklungsingenieur bei Motorola oder Siemens haben diese einen anderen Sachzusammenhang - er muss mit komplexer Mathematik neue Technologien entwicklen, damit das Produkt marktfähig bleibt.
Nun hat sich dieser Ingenieur für Nachrichtentechnik diesen Beruf bzw. das Studium ausgwählt, weil er vielleicht einen besonderen Zugang (Hoch-/Begabung) dazu hat..und eben schon früher in Mathe kein Tiefflieger war. Aber wie sieht es bei demjenigen hinsichtlich anderer Kompetenzen (ich benutze diesen Begriff hier ganz bewusst) aus? Ist er in der Lage für seine Familie ein schönes und schmackhaftes Mittagessen zu kochen?
Zurück zur Mathematik: Wenn ich mal ganz ehrlich zu mir selber bin...was benötige / benötigte ich, um mich im Leben halbwegs zurchtzufinden und in meinem Beruf zu bestehen? Grundrechenarten, Prozentrechnen, ein bisschen Potenzen, Bruchrechnen, Umrechnen von Größen...vielleicht mal eine quadratische Gleichung lösen - das wars - also alles nicht mehr als Mittelstufenmathematik.
Was ich aber wesentlich häufiger gebraucht habe, sind Fremdsprachenkenntnisse (auch welche, die ich außerschulisch erworben habe) ein gewisses Maß an Allgemeinbildung (auch an Geschichte vor 1789) und ganz wichtig: ordentliche Umgangsformen.
Jeder hat Stärken und Schwächen, nur müssen diese entdeckt und entwickelt werden...das ist die eigentliche Aufgabe meiner rund 600.000 BerufskollegInnen. Leider bleibts aber meist beim Aufdecken der Schwächen.... . Ich möchte keinen zu nahe treten, aber das ist die Realität. In der Mathematik offenbaren sich Schwächen meist recht schnell, aber es führt leider nicht dazu, dass die Unterrichtskonzepte entsprechend angepasst werden. In der schweizerischen Eidgenossenschaft hat man diese Diskrepanz schon eine geraume Zeit erkannt, was sich letztendlich auch in der Ausfertigung der Zeugnisse manifestiert.
Es gibt dort keine Ziffernzeugnisse mehr, wie wir das hier landläufig ja überall noch haben. Es werden dort sogenannte Kompetenzraster erstellt, die einen sehr individuellen Einblick in die Kompetenzen und Fähigkeiten des / der Einzelnen ermöglichen. Man versucht z.Z. dies auf das deutsche Schulsystem zu übertragen, aber nur halbherzig und ohne den notwendigen monetären Input (der ist nämlich vorallem in der sachlichen Ausstattung der Bildungseinrichtungen notwendig). Es wird wohl leider so laufen, die Kompetenzraster kommen, das Ziffernzeugnis bleibt, damit ist aber das eigentlich gute Prinzip ad absurdum geführt.
Ich bleibe dabei: In vielen Fächern, insbesondere Mathematik aber auch in den Naturwissenschaften, brauchen wir im Unterricht einen viel höheren Realitäts- und Anwendungsbezug (das gilt auch für das Gymnasium!!). Es geht nicht um Spaß...es geht ums Überleben
LG EN471man