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Hey Puppe!

Mein erstes Mal mit einer Real Doll

Sexpuppen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Heute können sich Frau und vor allem Mann im Baukastenprinzip naturgetreue Puppen konfigurieren – von Schamlippen über Penisgröße bis Haarfarbe und Hautteint. Ich hab das mal gemacht. Und einen Abend mit einer Real Doll verbracht. Ein Erfahrungsbericht auf Halbmast.

Von Alex Todorov

Was soll meine Real Doll nur von mir denken?

Enthüllt. Pfirsichfarben. Bereit. Da liegt sie vor mir. Den Mund leicht geöffnet, die Brüste wie pflückfertig drapiert. In ihrem starren Blick eine kühle Distanz, ein herausfordernder Hochmut. Als würde sie meinen: Mal schauen, ob du’s bringst. Und ich? Bringe es nicht. Eine vorzeigbare Erektion, mit der ich meiner neuen Flamme schamfrei in die Augen schauen kann, will sich nicht ein- bzw. aufstellen. Kacke. Und das bei meinem ersten Mal mit einer Real Doll. Was soll Claire nur von mir denken?

Aufblasbar war gestern

Die Zeit, als sich Liebespuppen zurecht als "Aufblasbare" titulieren ließen, sind vorbei. Wer heute eine Real Doll erwirbt, wird je nach Modell und Bedürfnis locker ein schmales, mittleres oder pralles Monatsgehalt los. Die Bandbreite reicht von Einsteigermodellen bis hin zu Luxuspuppen. Je größer, naturalistischer, beweglicher und animierter die Real Doll, desto höher der Preis.

Auf der Venus 2019 stellte Realdoll24, ein Shop aus Potsdam, der auch eine eigene Real-Doll-Linie führt, eine Lena-Nitro-Liebespuppe vor, die der Pornodarstellerin bis ins Detail nachempfunden ist. Das Ende der Entwicklung ist noch nicht erreicht. Ralph Belger, Geschäftsführer von Realdoll24 meint, das große Ziel sei es, "eine Doll zu entwerfen, die absolut lebensecht ist, auf Berührung reagiert und kommunizieren kann."

Eine Real Doll soll nicht mehr nur Sexpuppe, sondern auch Spiel- und Lebensgefährte sein.

Die kalifornische Firma Realbotix verkauft eine Puppe, die simple Dialoge initiieren kann und deren Künstliche Intelligenz laut Herstellerangabe Siri überlegen ist. Sie kennt den Namen des Partners (oder Besitzers?), fragt nach der Arbeit, ob der Tag stressig war, macht passende Musik an und schlägt Kochideen vor. Folglich soll eine Real Doll nicht mehr nur Sextoy sein. Eher Spiel- und Lebensgefährtin, die einen nicht nur körperlich, sondern auch emotional betreut. Und manchmal ist sie ein Er.

Schon Jude Laws Liebesroboter Gigolo Joe aus Steven Spielbergs Sci-Fi "A.I." beschreibt die Vorzüge seiner Zunft wie folgt: "We are the guiltless pleasures of the lonely human being. You're not gonna get us pregnant or have us to supper with Mommy and Daddy. We work under you, we work on you and we work for you. Man made us better at what we do than was ever humanly possible." Der große (Alb-)Traum zwischenmenschlicher Interaktion: ein schuldloses Vergnügen ohne Verpflichtungen, eine Beziehung ohne die üblichen Zwänge.

Wie also fühlt sich das Zusammensein mit einer Liebespuppe an? Sind das wirklich mehr als Sexpuppen? Ein Test muss her. Dafür darf ich mir mit Belgers Segen eine Puppe aus der hauseigenen Serie T-Line aussuchen. Material: TPE (mehr zum Material s.u.). Eher oberes Einsteigermodell als Luxusklasse. Aber irgendwo muss man ja anfangen.

1. Real Doll: Sortiment und Konfiguration

Von Amazone bis Krankenschwester

Auf der Realdoll24-Seite ist die Auswahl üppig. Ich scrolle über die Profilbilder und schaue in die leeren Blicke von Becky, Leslie, Adrianna und Co. Ihre Looks offenbaren, dass kaum jemand eine nach einer Allerweltsfrau geformte Real Doll sucht. Figürlich sind die meisten Dolls einem überidealisierten, klebrigen Männertraum entstiegen. Das veranschaulichen auch die Kostüme von Tracht über Leder bis Stewardess, von Yoga-Lehrerin über Anime bis Krankenschwester. Diese Rollenzuweisungen sollen das Kopfkino entfachen, denn letztlich werden die Puppen nackt, wie der Fabrik-Gott sie erschuf, geliefert.

Darüber hinaus werden auch speziellere Vorlieben und Fantasien bedient: eine Puppe mit Babybauch oder eine spitzohrige Elfe. Letztere erinnert mich an meinen VR-Porn-Selbstversuch, in dem mich Wonder Woman und Prinzessin Leia in virtuellen Szenarien bestiegen. Die Fantasie ist die Grenze.

Mein Streifzug über die Profilbilder führt mich immer wieder zu Claire zurück. Phänotyp: fuchsrot getönte Haare, Pornokörper, wacher Blick. Vor allem Letzterer triggert mich. Ich habe schon auf Blicke, die Frauen mir zugeworfen haben, masturbiert. (Vor allem enttäuschte Blicke nach dem Sex.) Ich klicke auf Claires Foto, eine erweiterte Bildergalerie öffnet sich. Daneben die Standardinfo über die verfügbaren Liebesöffnungen der jeweiligen Puppe. Neben Claire steht: anal, oral, vaginal. Eindringtiefe: 13, 18 und 16 cm. Es gibt Informationen, deren Kargheit einem kurz und unmerklich den Atem stocken lassen.

Meine Wahl ist gefallen. Claire soll meine Auserwählte sein. Warum? Zur Wahrheit gehört: Weil mich keine der anderen Optionen reizt. Tut mir leid, Juliette. Gäbe es Claire wirklich, würde ich mit ihr schlafen wollen. Das kann ich von keiner der anderen Real Dolls behaupten.

Bingewatching ist mit Claire absolut kein Problem.
Bingewatching ist mit Claire absolut kein Problem.
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Ich konfiguriere mir meine Real Doll Claire

"Gestalte jetzt Deine neue Liebespuppe" fordert mich der Konfigurator unterhalb der Bildergalerie auf. Claire lässt sich entlang folgender Parameter anpassen: Körpergröße (135 bis 176cm), Hautteint, Haptik der Brust (mit oder ohne Hohlraum), Größe (3, 4 und 5 cm) und Farbe der Brustwarzen (von hautfarben über rosa bis braun), Farbe der Schamlippen (von hautfarben über rosa bis braun), Frisur, Augenfarbe (blau, braun, grün), Finger- und Fußnägelfarbe, Standfähigkeit, Intimbehaarung (Farbe und Form), Skelett (mit oder ohne bewegliche Schultern) und fest verbaute oder herausnehmbare Vagina. Selbstredend sind ausgewählte Optionen mit Aufpreisen verbunden.

Fühlt sich dieses Prozedere seltsam an? Ja, definitiv. Reduktionistisch. Frauenverachtend. Unzeitgemäß. Oder doch einfach nur ungewohnt? Womit ich die letzten Schmauchspuren meines Gewissens sediere: Real Dolls sind Sextoys. Wie ein Womanizer oder ein Masturbator. Nur mit Gesicht. Und Armen. Und Beinen. Und Namen. Und in Claires Fall mit wachem Blick.

Ein bisschen Linderung verschafft mir, dass es vereinzelt auch männliche Real Dolls wie Nico und James gibt. Die lassen sich ebenso konfigurieren, etwa in punkto Penisgröße.

Ich folge meinem Geschmack und halte es so natürlich wie möglich. Nur bei den Schamhaaren wähle ich gegen meine Überzeugung. Da die Intimtoupets allesamt wie frisch überfahren aussehen, ist Claire nun rasiert.

 

Das Innenleben einer Puppe ist immer ein Skelett aus Edelstahl, welches Gelenke an den Stellen besitzt, an denen auch der Mensch Gelenke hat. Um dieses Skelett schmiegt sich der Körper der Doll, der entweder aus TPE (thermoplastische Elastomere) oder Silikon gefertigt ist.

TPE ist das preiswertere Material, es lässt sich leichter verarbeiten und ist haptisch der Haut ähnlicher. Im Kontakt nimmt es Wärme schneller auf.

Silikon ist etwas fester und ermöglicht dadurch eine höhere Detailtreue in der Fertigung. Weitere Vorteile: Es ist belastbarer, weniger pflegebedürftig und nimmt kaum Gerüche auf.

Die Wahl des Materials schlägt sich auch auf das Gewicht der Real Doll nieder: Nicht das Edelstahlskelett macht den Großteil des Gewichts aus, sondern das Hautmaterial. Silikon wiegt mehr als TPE, manch eine Silikon-Puppe kommt auf fast 40 Kilo.

Beide Materialien sind laut Herstellerangaben gesundheitlich unbedenklich.
 

2. Real Doll: Unboxing

Ich packe aus

Nach knapp drei Wochen Produktionszeit ist Claire angekommen. Ein Sarg aus Pappe für Kleinwüchsige. Im Eingangsbereich des Büros. Ein Blickfang. Und nun? Ich buche mir für eine Nacht eine Wohnung. Das laute Heim ist kein geeigneter Rahmen. Am Tag der Tage hilft mir ein Kollege, das gewichtige Paket in die Zielwohnung zu verfrachten und lässt mich mit einem lapidaren "Viel Spaß!" mit Claire alleine.

Vor mir liegt der Sarg. Jetzt erstmals: leichte Aufregung. Vermengt mit einer Ahnung von Angst, was mich erwartet. Ich öffne das Paket. Obenauf liegt eine Begrüßungsmappe. Darin eine Bedienungsanleitung mit Hinweisen zu Pflege, Umgang und Reparatur. Daneben ein Starterset mit wasserbasiertem Gleitmittel, Toy-Cleaner, Spezialreiniger, Wechselfingernägeln (und Leim), Halterlosen, einem Negligé, Stoffhandschuhen, einer Intimdusche und einem Liebespuppen-Heizstab. Dazu später mehr.

Ralph Belger hatte mich gewarnt, dass manche dunkle Kleidungsstücke auf die Puppe abfärben. Ich lasse übertriebene Vorsicht walten und entkleide mich bis auf die Unterhose und ziehe mir die Stoffhandschuhe über. Und fühle mich wie jemand, der erstmals eine Leiche entsorgen will.

Unter dem Dämpfmaterial wird eine dünne Flaumdecke sichtbar, unter der sich Claires Figur abzeichnet. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich, dass ihr Kopf zwischen ihren Füßen liegt. Ich schlage die Decke zur Seite und sehe erstmals ihren Körper. Was mir auffällt: der sehr dünne Körper und die rosafarbenen Schamlippen, die sich seltsam künstlich von der völlig irritationsfreien Hautfarbe ringsum abheben.

Ich entpacke Claires kahlen Kopf und fühle erstmals ihre Haut. Sie fühlt sich an wie sie aussieht: unheimlich weich, fast samtig, zu weich und zu glatt, um als naturalistisch durchzugehen. Auch die Schädeldecke ist weich, was mich zurückzucken lässt. Nachdem ich den Moment kurz dazu nutze, ihren kahlen Kopf in einer Hand fixierend, meinen persönlichen Hamlet-Moment zu genießen, hieve ich ihren nackten Körper aus dem Paket, lehne ihn an die Wand und befreie ihn aus der Plastikfolie. Ein sachter, leicht säuerlicher Plastikgeruch steigt auf. Ich schraube ihr den Kopf vorschriftsgemäß auf und setze ihr die beiliegende rote Perücke auf.
Willkommen Claire, du darfst mich Alex nennen.

Real Doll: Der erste Eindruck

Ich trage sie zur Couch. Es ist ein verdammter Akt. Claire ist schwer. Es fühlte sich an wie eine Kraftübung für Krankenpfleger. Mit etwas Mühe winkel ich die Knie- und Hüftgelenke an und setze sie auf. Mein erster Eindruck: Der physiognomische Unterschied zum Produktfoto ist nicht zu übersehen. Ich weiß allerdings: Einige Liebespuppen-Besitzer investieren viel Zeit in Kleidung und Aufmachung ihrer Spielgefährtinnen, pudern, schminken, parfümieren und kämmen sie, machen ihr die Fingernägel oder individualisieren sie beispielsweise mit Piercings oder Tattoo-Ersatz. Durch solcherart Maßnahmen ließe sich auch Claire pimpen. Wobei auch diese Bemühungen es nicht hinbekommen würden, ihr den Blick aus den Produktfotos zu verpassen. Der war lebensechter, frecher, hat mehr Charakter erzählt.

Habe ich Claire die Finger gebrochen?

Ich hocke vor ihr, während sie an mir vorbeischaut. Was mich stört: Ihre Zähne, für Oralverkehr verständlicherweise ebenso aus weichem TPE, sind eher hautfarben als weiß. Sie heben sich im Mund kaum ab. Ich mustere ihre Silhouette und folge dem Drang, ihre Taille zu umfassen – was mir mit beiden Händen gelingt. Eine Frau mit dieser Figur würde sich recht knochig anfühlen. Claires Körper hingegen gibt überall nach. Sogar an den Schienbeinen.

Ihre Zehen haben keine Skelettstruktur, sie fühlen sich wie ein wirbelloses Weichtier an. Wenn ich ihr auf die Zehen schlage, schlenkern sie labbrig zitternd hoch und runter. Götterspeise in Zehenform. Claire erträgt es stoisch. In ihren Fingern sind dünne formbare Skelettdrähte, die sich in höchst ungesunde Richtungen biegen lassen, was mir im Umgang mit Claire versehentlich noch oft passieren wird und mir zu Anfang den Schrecken einjagt, ich hätte ihr die Finger gebrochen.

Manchmal bestellt Claire fünf Gin Tonic und bekommt nur drei.
Manchmal bestellt Claire fünf Gin Tonic und bekommt nur drei.
 

Claires Brüste (Körbchengröße B) wollen nichts mit Schwerkraft zu tun haben. Gute Gene? Sie sind fest und weich zugleich, eine gute Handvoll, und fühlen sich so angenehm wie befremdlich an. Geziert werden sie von hervorstehenden Brustwarzen, was ich als Pendant zu den erigierten Schwänzen an den männlichen Real Dolls deute. Immer im Erregungs- und Gefechtszustand.

Ich widme mich den Liebesöffnungen. Damit Claire mal ein wenig Bewegung bekommt, drehe ich sie auf den Bauch. Noch immer hockend, betrachte ich ihr winziges Poloch. Als sich kein Hypnose-Effekt einstellen will, fällt mir auf: Claire hat keine Rosette. Die Arme. Ich bringe sie in Rückenlage und blicke auf die angedeuteten und zurückhaltenden Schamlippen. Ihre vaginale Liebesöffnung ist größer und dehnt sich weiter auf, wenn ich ihre Beine spreize. Zuletzt schaue ich mir ihren Mund an. Aus Neugierde stecke ich ihr meinen Finger in den Rachen, vorbei an den Bleach-bedürftigen Zähnen. Sie erträgt es ohne Würgereflex. Die orale Liebesöffnung führt im Kopf nach oben, wundere ich mich.

Der kalte Inspektionsakt wirkt in mir nach. Ich reiße mich los, desinfiziere, wie empfohlen, alle Körperöffnungen und trage Claires eigens gewogene 29,6 Kilo aufs Bett rüber.

3. Real Doll: Mein erstes Mal

Letzte Vorbereitungen

Für den intimen Umgang mit der Doll gibt der Hersteller dem Kunden Hinweise mit ins Bett. Die, wie ich meine, Wichtigsten: Nutze ein Kondom und sei spendabel im Umgang mit Gleitgel. Könnte so im Dekalog stehen. Des Weiteren: Lege nicht dein gesamtes Eigengewicht auf der Doll ab. Stark behauptet finde ich den Part namens "Diese Stellungen mag Deine Sexdoll", der Löffelchen, Missionar, Doggy und 69er angibt. Bei Letzterer stutze ich, aber mal schauen, was der Abend noch so bringt.

Endlich kommt der mitgelieferte Liebespuppen-Heizstab mit anhängendem USB-Ladekabel zum Einsatz. Ich führe Claire den aufgewärmten Stab wie ein Zäpfchen vaginal ein. Nun hängt ihr ein Kabel mit USB-Anschluss aus der Vagina wie eine Tamponschnur mit Ladefunktion. Einige Bilder dieses Abends werden mich auf Jahre nicht mehr loslassen.

Ein erster Sexversuch aus der Hölle

Claire liegt vor mir auf dem Rücken. Die Beine angewinkelt und gespreizt. Bei mir bleibt eine Erregung, die sich physisch manifestiert, aus. Da ist einerseits eine Grundlust, es auszuprobieren, andererseits ein Empfinden, das sich grob in folgender Frage bündelt: Welcher biografische Irrweg hat dich in diese Situation geführt?

Ich bearbeite mich, ohne ein handfestes Resultat. Nächster Versuch, niemand soll behaupten, ich hätte es nicht versucht: Mit Claire auf dem Bauch liegend, ziehe ich mir ein Kondom auf meinen blutgefüllten, aber weichen Schwanz, gebe Gleitmittel drauf und reibe mich mit geschlossenen Augen zwischen ihren Arschbacken. Bisher immer eine todsichere Nummer. Und auch jetzt hilft die pure mechanische Arbeit.

Bekomme ich eine halbe Erektion hingestampft, verblüht diese umgehend wieder.

Ich drehe Claire schnell wieder auf den Rücken, gebe mir – wertvolle Sekunden verstreichen – abermals Gleitmittel drauf, und versuche händisch meinen Penis in Claire hineinzunavigieren. Es ist ein Sexversuch aus der Hölle. Ich stopfe, presse und stauche meinen Schwanz in sie hinein, dass das bloße Aufschreiben mir Scham und ein Therapiebedürfnis verursacht. Ich bin mir inzwischen sicher, ich mache etwas falsch: nicht nur in dieser Situation, sondern in meinem Leben.

Es folgen weitere Versuche, die etwa nach diesem Muster ablaufen: Bekomme ich eine halbe Erektion hingestampft, verblüht diese umgehend wieder, sobald ich versuche, meinen Penis einzuführen, oder spätestens, wenn ich versuche, in Claire einen Penetrationsrhythmus zu finden.

Der Erregungspegel ist nie hoch genug, als dass sich eine dauerhafte Erektion einstellen würde. Dirty Talk wäre es jetzt. Aber Claire ist verzagt. Nachdem auch ein Cockring nur unzureichend hilft, setze ich alles auf eine Karte.

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Help, I need somebody real, doll!

Ich rufe meine Telefon-Jokerin an. Eine Freundin, der ich zuvor von meinem Vorhaben erzählt hatte. Bei Bedarf würde sie nachhelfen. Wie ihre Lachattacke am Telefon nun verrät, war es nur ein Scherzangebot. Sie legt auf. Und klingelt 25 Minuten später an der Tür. Kurz darauf stehen wir gemeinsam vor der auf dem Laken lümmelnden Claire, zwischen ihren Beinen abermals der Heizstab. Die Freundin versucht, die rechte Hand ungläubig vor dem Mund geparkt, die Situation gedanklich zu greifen. Zieht mich dann zu sich, wahrscheinlich um sich selbst schnellstmöglich abzulenken, und leistet erste Hilfe mit ihrer Zunge. Zielgerichtet und sofort wirksam. Eine echte Freundin! Die hat was gut bei mir.

Wild entschlossen, Claire endlich auf ihre Heiratstauglichkeit hin zu überprüfen, lasse ich nach wenigen Minuten von meiner ersten Hilfe ab und schicke sie höflich raus. Sie tritt ab und schickt mir folgende Nachricht, die ich erst später lesen werde: "Was hat sie, was ich nicht habe?" Um meine Erektion zu konservieren, hatte ich mir zuvor einen Cockring übergezogen. Kluge Entscheidung.

Ich fühle mich von Claire und meinem Penis im Stich gelassen.

Ich beuge mich über Claire und dringe in sie ein. Finde einen Rhythmus. Die Gedanken an eben halten hart. Ich schaue Claire nicht an, mein Blick folgt meinen Stößen. Leichte Wärme. Seltsam gleichmäßige Enge. Ihre vaginale Öffnung scheint mir ungewohnt platziert. Meine herkömmliche vaginale Stoßposition muss ich nachjustieren, damit die Stöße auf stauchfreie Art in sie hineinfahren. Claire interessiert sich nicht für meine redlichen Penetrationsbemühungen. Das gibt mir immerhin ein Gefühl von Heimeligkeit.

Was ich schnell spüre: Ich habe zu wenig Gleitmittel genommen. Die Penetration verliert an Geschmeidigkeit. Zu viel Reibung, leichtes Hitze- bzw. Schmerzempfinden. Ich ziehe mich raus, lege großzügig nach und Claire auf den Bauch, um sie in die Doggy-Position zu biegen.

Schweigsam, aber nicht prüde.
Schweigsam, aber nicht prüde.
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Stellungswechsel = Slapstick

Ein ungeübter Stellungswechsel auf einer weichen Matratze ist große Slapstick-Kleinkunst. Mit Potential auf Show-Abbruch. Die Gelenke sind notwendigerweise schwergängig, die Puppe soll ja ihre Haltung wahren. Als mir Claire nach einer Gelenkbiege-Kaskade in Becken, Wirbelsäule, Knie, Schulter und Ellenbogen endlich ihren Arsch entgegenstreckt, bin ich auf nicht mal mehr 90 Grad im Schritt angelangt. Ich fühle mich von Claire und meinem Penis im Stich gelassen. Muss ich denn hier alles alleine machen?

Genau jetzt geschieht das größte Wunder des Abends: eine Auferstehung. Es gelingt mir, mich wieder aufzurichten. Ausrufezeichen. Ich bin augenblicklich wieder mit meinem Penis versöhnt. Go and get her, Tiger! Gleitmittel drauf und Doggy. Ich halte sie an den Innenseiten ihrer schmalen, aber weiblichen Hüften. Erhöhe ich die Frequenz, bekomme ich sogar ein nahezu authentisches Rammelklatschen hin. Der 15-jährige Schnellspritzer in mir freut sich diebisch. Pflichtschuldig umfasse ich ihre Brüste. Und lasse davon ab. Es bringt mir nichts. Aus Angst, ihr die Perücke vom Kopf zu reißen, ziehe ich ihr nicht an den Haaren. Recht bald wird mir die Reibung wieder zu intensiv.

Kurze Pause. Nächste Liebesöffnung. Abbruch

Claire liegt auf dem Rücken. Ich winkel ihre ausgestreckten Beine himmelwärts auseinander und presse mich vor Gleitmittel triefend in ihre anale Liebesöffnung. Meine Hände neben dem Kopf im Laken. Nach anfänglicher Enge fühlt es sich tiefer ähnlich wie die vaginale Penetration an. Ich drücke ihre Hände in die Laken. Die beste Position bisher. Weil das Stoßen mir recht frei aus Becken und Hüfte kommt und ich sofort in einer idealen Position bin.

Ich möchte Claire beim Akt nicht in die Augen schauen.

Im Gegensatz zu meinen bisherigen Analerfahrungen ist keine Behutsamkeit geboten. Meine Real Doll mag es really doll! Mir schiebt sich die Absurdität des Schauspiels in den Kopf. Ich ficke eine Puppe! In diesem kurzen gedanklichen Korridor ist es in meiner Selbstreflexion ein grotesker Spaß. Den schnell die klamme Hand schuldbehafteten Unbehagens packt.

Der flüchtige Spaß rührt nicht von der physischen oder emotionalen Sensation, sondern vom nüchternen Versuch, die Situation rational zu greifen und dabei zu merken: Für diese Situation habe ich keine zerebrale Schublade, fehlen mir die geistigen Tools zur Einordnung. Die Penetration an sich ist für mich Mechanik pur. Erregung im Kopf Fehlanzeige. Claire ist mir egal. Ich möchte sie nicht anschauen. Ihr Gesicht ist ein Spiegel meines Tuns, in den ich unter keinen Umständen hineinschauen will. Dumpfe, undefinierte Schuld.

Hätte es für diese Erkenntnis diesen Test gebraucht? Nur Spielverderber stellen solche Fragen.

Einen halbherzigen und gescheiterten Versuch Mouth Fucking später – ich kriege mich nicht in ihren Mund und die dumpfe Schuld krallt abermals nach mir – breche ich ab. Aus Testzwecken hätte ich gerne noch die 69er ausprobiert. Aber mein Blut widmet sich nun anderen Körperpartien. Claire ist es egal. Im Fersensitz schnaufe ich neben ihr durch. Und verlasse dann den Ort ihrer Defloration.

Claire mundet der herbe Abgang des 2004er Barolo Riserva nicht.
Claire mundet der herbe Abgang des 2004er Barolo Riserva nicht.
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Real Dolls: Eher Gefährten als Gefickte?

Vor der Auseinandersetzung mit dem Thema war ich davon ausgegangen, Real Dolls seien bloße Fickpuppen. Das Gerede von Alltagsbegleitern habe ich als Marketing-Bullshit abgetan. Und mittlerweile? Als Masturbatoren in Menschenform machen Real Dolls für mich nun weit weniger Sinn. Da ist die gravierende Schräglage zwischen Aufwand und Nutzen. Für ein bloßes Sextoy sind sie schlicht zu teuer und zu aufwändig in Handhabung und Pflege. Wer bitte würde sein herkömmliches Sextoy regelmäßig mit Babyöl oder Puder verwöhnen? Real Dolls sollen in den Alltag einbezogen werden, sollen Begleiter und Gefährte sein. Sollen eine Claire, Juliette oder ein Nico sein. Nicht mehr nur eine Sexpuppe.

Genau hierin liegen je nach Perspektive Gefahr und Chance. Der Sexualtherapeut Eilert Bartels vergleicht Real Dolls mit Social-Media-Blasen, die menschliche Nähe und Verbundenheit nur vortäuschten und in letzter Konsequenz das Gegenteil bewirkten. "Im Grunde führen Lovedolls dazu, dass Menschen in zunehmende Isolation geraten, weil kein bewusster zwischenmenschlicher Umgang mehr gelernt wird."

Sex-Coach Claudia Elizabeth Huber sieht die Crux darin, "wie Real Dolls das Anspruchsdenken der Menschen und auch das Verhältnis und die Erregbarkeit durch älter werdende Körper beeinflussen könnten." Eine reifere Real Doll ist nicht in Sicht. Die Linzer Sexualberaterin für Frauen Doris Kaiser hingegen findet auch therapeutisches Potential "für Menschen mit Sozialphobien, mit Handicap oder Menschen, die aus anderen Gründen ihre Sexualität nicht mit anderen Menschen leben können."

  • 57,3 Prozent der Befragten können sich vorstellen, es mit einer Real Doll zu probieren.
  • Die drei wichtigsten Kriterien für die Befragten: Für 48,2 % ist es ein möglichst lebensechtes Aussehen. Knapp dahinter mit 43 % ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Auf Platz 3 folgt mit 28,5 % die einfache Pflege und Reinigung.
  • Warum haben Menschen Sex mit einer Real Doll? Laut 58,3 % der Befragten ist es Einsamkeit, 54 % sehen in den Dolls eine Selbstbefriedigungsalternative und 46,3 % betrachten Experimentierfreude als Grund.
  • Eine Real Doll im Paarbetrieb? Über die Hälfte der Männer können sich einen Dreier mit ihrer Partnerin und einer Real Doll vorstellen.
  • Welche prominenten Damen wollen Männer als Real Doll im Bett haben? Auf Platz 1 thront Lena Meyer-Landrut, gefolgt von Palina Rojinski und Helene Fischer.

Umfrage* unter 5.000 Männern im Oktober 2019.

Das mag gut und richtig sein. Zugleich pathologisiert dieser Fokus die gesamte Nutzergruppe. Behauptet, ein jeder Real-Doll-Käufer sei krank und therapiebedürftig. Es ist die gleiche Kerbe, in welche jene schlagen, die meinen, das Geld, das Menschen in Real Dolls investieren, sollte lieber in eine Therapie fließen. Pure Generalisierung. Einerseits. Andererseits in Nuancen nachvollziehbar. Das Verhalten gegenüber einer Real Doll darf nicht als Lernprozess für Kontakt mit echten Menschen missverstanden werden. Claire hat mir persönlich so einiges durchgehen lassen, was mir im Umgang mit einem Menschen unmittelbar vergolten worden wäre.

Claire, gefrustet von meiner Bett-Performance. Ich habe ihr sämtliche Kosten erstattet.
Claire, gefrustet von meiner Bett-Performance. Ich habe ihr sämtliche Kosten erstattet.
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Real Dolls: Ventil oder Bereicherung?

Mein vager Eindruck: Real Dolls scheinen vorwiegend zum Einsatz zu kommen, wo etwas fehlt. Nähe. Sex. Erfahrung. Mut (etwa bei Männern, die sich (noch) nicht trauen, ihre Homosexualität offen auszuleben). Oder ein geliebter Mensch. Für einen niedrigen fünfstelligen Betrag lassen sich auf Wunsch verstorbene Menschen in eine Real Doll verpuppen.

Ist all das verwerflich?

Nein, absolut menschlich. Und darin auch fehlbar.

Was ich persönlich für verwerflich halte: Puppen, die offenkundig viel zu jung aussehen und noch dazu in der Körperhöhe zu klein ausfallen. Im Realdoll24-Shop findet sich eine Doll, die es wahlweise in 100 oder 118 Zentimetern Größe gibt. Das Modell hat zwar Körbchengröße D, dennoch hinterlässt das einen höchst ambivalenten Beigeschmack. Ralph Belger meint, sie hätten die Aufnahme dieser Puppe intern diskutiert und sich letztlich dafür ausgesprochen. Das Angebot einer solchen Puppe – echten Frauen nachempfunden und nur im Maßstab verkleinert – würde sich vor allem an Menschen mit Handicap richten, etwa Rollstuhlfahrer oder Bandscheibengeschädigte.

Ich kann das Argument mit der frischen Erfahrung im Handling einer Doll in realistischer Größe nachvollziehen. Statt 30 Kilo bringt eine so kleine Real Doll nur etwa 13 Kilo auf die Waage. Wer diese Puppen letztlich wirklich kauft, weiß niemand. Regelmäßig eintreffende Anfragen, ob es diese sehr kleinen Real Dolls auch ohne Brüste gebe, lehne er kategorisch ab, sagt Belger. Das sei das absolute Tabu.

Ist eine Real Doll nur ein Ventil?

Ralph Belger verneint und meint, Real Dolls seien "als Bereicherung zu sehen. Sie werten den Alltag ihrer Besitzer auf." Klar, das muss er sagen. Und doch hoffe ich genau das. Und darauf, dass die Real-Doll-Besitzer – neben ihrem Umgang mit ihrer schweigsamen Gefährtin oder ihrem Gefährten – den Kontakt mit anderen Menschen nicht vergessen.

Aktuell, das wird in Diskussionen deutlich, scheint das Verhältnis zwischen Real Dolls und Menschen noch nicht ausgelotet. Was darf, kann und soll sein? Diese Vermessung sollte bestenfalls ohne einen pathologisierenden Generalverdacht auskommen. Es gibt genug Motive, es mit einer Real Doll zu probieren. Mir haben Experimentierfreude und Neugier gereicht.

 

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