Dein Körper als spielbares Musikinstrument, dem du mal laute und mal leise Töne entlocken kannst? Unsere Autorin blickt auf die Sexualität als ein System, das sich fortlaufend gestalten lässt. Wie auch du deinen eigenen Lust-Beat und die passende Melodie dazu mixt, liest du hier.
Von Magdalena Heinzl
Phänomenaler Sex – zum Greifen nah?
Stell dir vor, du könntest mit jedem Menschen auf der Welt phänomenalen Sex haben. Nicht weil du Gedanken lesen kannst oder immer deinen Willen durchsetzt. Nein, sondern weil du so flexibel und autonom in der Gestaltung deiner Sexualität bist, dass du selbst steuern kannst, wie du in die Erregung kommst und was sich für dich gut anfühlt. Das Erweitern deiner Sexualität lohnt sich ein Leben lang und hier kommt das Mischpult ins Spiel.
"Guter" Sex fällt nicht vom Himmel
Den meisten genügt von uns es, wenn es ein paar Menschen gibt, mit denen sie guten Sex haben können. Was erfüllenden Sex für uns ausmacht, ist sehr individuell und hängt weniger mit körperlichen Merkmalen als unserem sexuellen System zusammen.
Sich selbst als sexuelles Wesen begreifen
Es gibt Menschen, die einen ganz selbstverständlichen Zugang zu ihrem Körper und auch ihren Genitalien haben. Und es gibt solche, die sich da nicht so leicht tun. Das hängt davon ab, wie jede:r von uns sozialisiert wurde und aufgewachsen ist. Wir alle sind sexuelle Wesen von Geburt an und lernen vom ersten Tag bis zu unserem Tod dazu. Dabei wird uns oftmals vermittelt, dass Genitalien etwas Schmutziges seien, oder sie voller Scham zu betrachten.
So klingt es vielleicht seltsam, wenn ich dir empfehle, deine Genitalien anzuschauen und auf verschiedene Arten zu berühren. Schaffe dir dafür eine gemütliche, angenehme Atmosphäre und bringe dich in eine bequeme Position. Tief einatmen und wieder ausatmen. Versuche nun, dass sich beim Atmen nicht nur der Brustkorb hebt, sondern auch der Bauch. Wie fühlt es sich an, in die Seiten des Rückens zu atmen? Dich nur auf deine Atmung konzentrieren, ist häufig der erste Schritt, deinen Körper besser zu spüren. Und dann kann's weitergehen – auf was auch immer du Lust hast. Hier ein paar Ideen von mir.
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Erweiterung durch Berührungen
Manche mögen Berührungen mit den Fingern und Händen, andere pressen sich beispielsweise gegen ein Kissen, wieder andere nutzen den Duschstrahl und nicht wenige verwenden gerne Toys (egal ob vibrierend, klopfend oder saugend). Das ist so individuell wie die Sexualität jedes Menschen selbst.
Versuche es mit folgenden Berührungen:
- Streiche mit einzelnen Fingern über die Genitalien: nach oben und unten, links und rechts. Was verändert sich, wenn du die ganze Hand nimmst? Verändere hier auch Tempo und Druck. Sind festere Berührungen angenehmer oder sanftere? Verändert sich das während der Stimulation?
- Manche finden es klasse, durch sanftes Tippen stimuliert zu werden. Das kann wie ein sanfter Frühlingsregen oder ein Sommergewitter sein.
- Du kannst deine Vulvalippen sanft auseinanderziehen und spüren, welche Empfindungen dieser leichte Zug auslöst.
- Versuche auch kreisende Bewegungen mit einzelnen Fingern oder der flachen Hand. Lass die Kreisbewegungen größer und kleiner werden.
- Wie ist es, wenn der Penis mal mit weniger Druck und langsamer stimuliert wird?
- Was verändert sich, wenn du beim Masturbieren deinen Körper fest anspannst, entspannst oder den Beckenboden kraftvoll aktivierst?
- Spüre bei deiner Klitorisperle genau hin, ob sie eher oberhalb oder seitlich sensibler ist. Wie sieht es rund um die Vaginalöffnung aus, oder am Damm, oder rund um den Anus? Auch hier können Massagen und diverse Stimulationen angenehm sein.
Bei all diesen Ideen gilt: Mach nur das, worauf du Lust hast. Auch verschiedene Temperaturen können reizvoll sein. Findest du es prickelnd, wenn deine Hände sehr kalt sind oder eher warm? Was macht es mit dir, wenn du das Becken kippst oder kreist? Wie verändert sich deine Atmung? Was passiert mit deiner Lust, wenn du tief in den Bauch atmest oder nur sehr oberflächlich in den Brustkorb? Was ist, wenn du die Luft anhältst?
Du siehst – schon diese kleinen Impulse sind unglaublich divers.
Sexualität ist in meiner Sichtweise nichts Stetes oder gar etwas Natürliches, das uns von Anfang an mitgegeben ist. Es hängt extrem stark mit unserer Sozialisation zusammen und dem, was wir bis jetzt lernen durften.
Doch da Sexualität etwas Erlerntes ist, heißt das auch: Wir können schiefe Töne neu stimmen und einen schleppenden Rhythmus in Einklang bringen. Das sogenannte "TRAB Modell" (nach ISP Wien – Kostenwein) hilft uns dabei.
Was genau ist nun dieses Mischpult?
Wir können – um uns selbst noch lustvoller zu erleben – an vier Reglern unseres Körpers herumtüfteln und diese immer wieder neu einstellen.
TONUS – RHYTHMUS – ATMUNG – BEWEGUNG
Beobachte dich selbst bei der Masturbation oder anderen sexuellen Aktivitäten und spüre, was in deinem Körper vor sich geht. Stelle dir dazu folgende Fragen.
TONUS: Bist du eher entspannt oder angespannt? Wie stark sind deine Füße, dein Becken, dein Brustkorb, deine Arme und Hände angespannt? Wie sieht es mit deinem Kiefer aus: Könntest du gähnen oder bist du dafür zu angespannt? Wechselt sich diese Spannung (z.B. in Form von kontinuierlicher Steigerung oder erst kurz vor dem Höhepunkt)?
RHYTHMUS: Wie bewegt sich dein Körper: schnell, langsam, eintönig, in einem klaren Rhythmus? Mit wie viel Druck berührst du dich selbst? Muss der Rhythmus gleich bleiben, oder bist du variabel?
ATMUNG: Achte auf deine Atmung. Atmest du eher flach oder tief. Hebt sich dein Brustkorb oder mehr dein Bauch, oder vielleicht beides? Hältst du die Luft an? Wenn ja, wann? Passt deine Atmung mit deinen Bewegungen oder auch der Muskelanspannung zusammen? Stöhnst du – laut oder leise?
BEWEGUNG: Wie bewegst du deinen Körper? Bewegst du ihn überhaupt? Wie viel Raum nimmst du ein? Machst du dich klein – oder groß? Spürst du fließende Bewegungen in deinem Körper oder sind es eher abgehackte, zackige Bewegungen? Hast du den Bauch eingezogen?
Alle vier Ebenen auf einmal zu beobachten, kann anstrengend oder gar überfordernd sein. Konzentriere dich deshalb anfangs auch nur auf eine der Ebenen. Wenn du herausgefunden hast, wie dein Mischpult normalerweise eingestellt ist, kannst du beginnen, mit den "Fixeinstellungen" zu spielen. Dreh doch mal den MuskelTONUS auf ganz laut und versuche dann, die Bewegung dazu zu bekommen. Das passt nicht ganz, oder?
Du wirst nach einiger Zeit dahinter kommen, welche Regler zusammen welchen Hit ergeben. Wenn du extrem schnell zum Höhepunkt kommst, kann dir z.B. helfen, immer mal wieder den RHYTHMUS und den TONUS nach unten zu stellen und dafür mehr BEWEGUNG und tiefere ATMUNG nach oben zu fahren. Umgekehrt kann es sein, dass du Sexualität sehr lustvoll empfindest, es aber nicht bis ganz zum Höhepunkt schaffst. Versuche hier mal, deinen MuskelTONUS zu erhöhen und deine Atmung immer tiefer werden zu lassen. Stöhne einfach, wenn es sich gut anfühlt.
Es beginnt immer bei uns selbst
Setze dich nicht unter Druck und nimm dir bewusst Zeit für dich und deine Lust. Entdecke deinen Körper. Spüre in dich hinein. Und sei beruhigt in dem Wissen, dass es nie zu spät ist, um den Sex zu haben, den du dir wünschst.
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