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Shades of Grey – Das BDSM Phänomen

Warum ist Shades of Grey so erfolgreich?

Worum geht es in "Shades of Grey"? Was ist das Geheimnis für den Erfolg der Romane? Unser JOYclub-Mitglied Sina S. macht euch mit zwei Menschen bekannt, die ihr und vielen anderen unter die Haut geschlüpft sind. Sie heißen Ana und Christian und existieren nur zwischen Buchdeckeln.

Shades of Grey: Seichte Hausfrauenlektüre?

"Geheimes Verlangen", "Gefährliche Liebe" und "Befreite Lust" sind die Erstlingswerke der englischen Autorin E.L. James. Alle drei Bücher haben es ruck zuck in die Bestsellerliste geschafft. Das ist bemerkenswert. Zum einen, weil es sich um Erstlingswerke handelt. Zum anderen, weil es sich bei den Titeln um Spartenliteratur dreht.

Der Bereich "Erotic Romance" ist eigentlich nicht wirklich dafür prädestiniert, auf dieser Liste aufzutauchen. Man kennt das Genre: Eher billig gemachte Pappeinbände mit Damen und Herren im Piraten-, Edelleute- oder Mantel- und Degenoutfit, sie seufzend hingegossen in seine Arme, halb ohnmächtig vor Wollust… . Diese Bücher eben, die Frauen sich augenzwinkernd über den Kaffeetisch hinweg zuschieben und lesen, um ein wenig "dem schnöden Alltag" zu entfliehen.

Shades of Grey thematisiert eine Art von Sex, auf die viele Menschen neugierig sind.

Vergesst dieses Klischeebild bitte, wenn ihr zu "Fifty Shades of Grey" greift. Stattdessen macht euch darauf gefasst, dass es reichlich zur Sache geht. Direkt und auch nicht unbedingt immer auf Kuschelsex-Niveau. Im Gegenteil. Es geht um sehr offenen, schnörkellosen und auch sehr zahlreich beschriebenen BDSM-Sex. Diese Tatsache ist es auch, die der Geschichte von Anastasia Steele und Christian Grey zu so viel Bekanntheit verholfen hat.

Wer spielt oben und wer unten?

Shades of Grey: Die Lust an intensiven Erfahrungen

In Shades of Grey beginnt man, etwas über BDSM zu lernen – auch als völlig Unkundiger dieser Art von Sex. Gemeinsam mit Ana lernt man etwas über die Art und Weise, wie das praktiziert wird, wie die Psychologie von BDSM aussieht. Ich berichtige: Wie BDSM praktiziert werden KANN und wie die Psychologie aussehen KANN. Denn es gibt nicht DEN BDSM-Sex.


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In Shades of Grey lernen wir die Art von BDSM kennen, die Christian als dominanter Mann bevorzugt und die er praktiziert. Gemeinsam mit Ana lernen wir ihn und seine Persönlichkeitsstruktur kennen, wir erfahren etwas über seine sehr traumatische Kindheit und die vielen psychischen Abgründe, die er infolgedessen hat.

 

Die Hauptcharaktere in Shades of Grey

Christian Grey: Der gefühlskalte Dom?

 

Christian praktiziert, als er Ana kennenlernt, ausschließlich diese Form von Sex. Das Dom/Sub-Gefälle seiner Verbindungen zu Frauen gibt ihm die Form von Distanz, die er wahren möchte.

Christian: Keine Nähe, keine Zärtlichkeit, keine Gefühle. Oder?
Christian: Keine Nähe, keine Zärtlichkeit, keine Gefühle. Oder?

Er ist nicht in der Lage, wirkliche Gefühle für seine submissiven Partnerinnen aufzubauen und möchte das explizit auch gar nicht. Er lässt die Frauen Verträge unterschreiben, damit sie genau wissen, worauf sie sich einlassen, was sie von ihm erwarten können und was eben nicht.


Keine Nähe, keine Zärtlichkeit, keine gefühlsmäßigen Bindungen. Er ist ein versierter und aufmerksamer Dom, der sich um das gesundheitliche Wohlergehen seiner Partnerinnen stets sorgt und kümmert, aber all das auf einer völlig gefühlsreduzierten Ebene.


Sex ist für ihn funktional und seine Art von Sex gibt ihm die Möglichkeit, das aufrecht zu erhalten, was ihm im Leben am wichtigsten ist: Kontrolle. Kontrollverlust – wie er sich beim Aufbau einer emotionalen Bindung automatisch irgendwann einstellt – ist für ihn eine albtraumhafte Vorstellung.


Er ist ein Mann, der getrieben ist von Ängsten und Geistern aus der Vergangenheit. Er ist zutiefst davon überzeugt, kein Herz zu besitzen und mit Liebe nichts anfangen zu können.

Muss man für BDSM verkorkst sein?

An diesem Punkt muss zwangsläufig die Frage auftauchen, die im Zusammenhang mit BDSM immer wieder und wieder diskutiert wird: Muss man psychisch irgendwie angeknackst sein, um Freude an BDSM-Praktiken zu finden? Muss man "fifty shades of fucked-up" sein, also durch und durch verkorkst, so wie Christian es zu sein behauptet?

Anastasia Steele: Das liebreizende Blödchen?

 
Anastasia: Unerfahren, ängstlich, tollpatschig. Tatsächlich?
Anastasia: Unerfahren, ängstlich, tollpatschig. Tatsächlich?

Als Ana Christian begegnet, weiß sie nichts über Sex. Sie ist 21 Jahre alt, steht kurz vor ihrem Collegeabschluss und ist noch Jungfrau. Es ist nicht so, dass sie keine Möglichkeiten hätte, sie hat durchaus Verehrer. Aber keiner von denen hat es bislang geschafft, bei ihr einen Funken zu entzünden.


Zunächst hat Ana, neben all der Faszination, die für sie von diesem Mann ausgeht, in erster Linie Angst, als sie erfährt, was er tut. Wie kann sie auch nicht, schließlich ist sie sexuell völlig unerfahren. Dennoch ist klar, dass sie sich diesem Mann nicht wird entziehen können und das letztlich auch gar nicht will.


Und so versucht sie, ihn und seine Art und seine Verträge und sein Procedere zu begreifen. Sie spürt trotz all diesen unaussprechlichen und völlig unbekannten Dingen, die er ihr erzählt, dass sie diesem Mann vertrauen kann. Und so geht sie Schritt für Schritt auf ihn zu und lässt sich von ihm auf eine sehr spezielle Reise mitnehmen.


 

Wenn aus Klischees "echte" Menschen werden

Ich muss gestehen, dass ich mich auf den ersten 20 Seiten ein wenig geärgert habe, weil die Autorin sich völlig skrupellos zweier fetter Klischees bedient. Eine schusselige, uneitle, eigenbrötlerische Literaturstudentin - ein klassischer Bücherwurm also - kommt in die Verlegenheit, für eine Uni-Zeitung einen sehr reichen, sehr erfolgreichen, sehr gutaussehenden und sehr unnahbaren Jungunternehmer zu interviewen.

Anastasia Steele ist zu dünn, zu blass und sehr ungeschickt und stolpert im wahrsten Sinne des Wortes hinein in das riesengroße, sehr cleane, sehr einschüchternde Büro von Christian Grey. Sie stellt ihm peinliche Fragen, läuft dabei krebsrot an, stottert herum, pfriemelt sich in den unordentlich zurückgesteckten Haaren und er lehnt sich zurück, amüsiert sich und genießt die Show.

In Shades of Grey entwickeln sich die Figuren von Klischeebilder in liebenswerte Charaktere.
In Shades of Grey entwickeln sich die Figuren von Klischeebilder in liebenswerte Charaktere.
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Ich habe bei der Figur von Anastasia Steele sofort an Anne Hathaway in "Plötzlich Prinzessin" gedacht und bei Christian Steele sofort an Richard Gere in "Pretty Woman". Unterkühlter, gefühlsreduzierter Geschäftsmann trifft auf chaotisch-liebenswerte junge Frau, die eigentlich bildschön ist, nur überhaupt nichts aus sich macht. Kennt man. Hatten wir alles schon tausendmal.

Das ließ mich gewaltig mit den Augen rollen beim Lesen und ich war wirklich gespannt, wie die Autorin diese zwei Klischeefiguren mit Leben füllen wollte. Würde sie dies nicht schaffen, die gesamte Lektüre würde ermüdend, langweilig und unerfreulich bleiben.

Und was soll ich sagen: E.L. James hat es geschafft. Sie hat den beiden so gewagt stereotyp angelegten Figuren Leben eingehaucht. Die Leser werden Zeugen ihrer ersten Begegnung, ihrer Faszination voneinander, ihrer komplizierten Schritte aufeinander zu, letztlich ihrer Liebe und ihrer Hingabe füreinander und es ist tatsächlich so, dass man von der ersten bis zur letzten Minute mitfühlt, mitleidet und ab und zu auch mitlacht, wenn Ana, die aus der Ich-Perspektive erzählt, für sie absurde Situationen sehr trockenhumorig kommentiert.

 

Shades of Grey: Wer dominiert hier eigentlich wen?

Warum hat er ausgerechnet mich ausgewählt, fragt sich Anastasia immer wieder. Und auch ihm stellt sie diese Frage. Und der sonst um keine Antwort verlegene Christian kommt zum ersten Mal in Erklärungsnot. Es sei etwas an ihr, das er selbst nicht benennen könne. Etwas, das macht, dass er sich nicht lösen kann von ihr. Eine Faszination. Wie die Motte und das Licht, sagt er. Wenn er es auf diese Weise beschreibt, wirkt er fast hilflos auf sie. Und genau hier gelingt der Autorin etwas, das ganz entscheidend ist:

Das Spiel mit dem wechselseitigen Machtgefälle

In den vielen Gesprächen, die die beiden haben, in denen Anastasia so viele Fragen stellt und so viel verstehen möchte, wird deutlich, dass Christian als Dom nicht einfach nur der ist, der die Schläge verteilt. Er ist nicht so unbeteiligt, wie es scheint und vor allem: Er ist nicht unbedingt immer derjenige, der in der Machtposition ist.

Seine ungeheure Faszination von Ana, die Art, wie er sie und nur sie unbedingt haben will, macht ihn trotz seiner klaren Dominanz verletzlich. Sehr langsam, mit wachsender Erfahrung, begreift sie, welche Macht auch sie über ihn hat. Er will unbedingt, dass sie versteht und sie hört nicht auf, ihn und seine Motive ständig zu hinterfragen. Damit treibt sie ihn fast zur Verzweiflung, es gelingt ihr aber mit der Zeit auch, hinter seine Fassade zu schauen.

Anastasia lernt die Lust am Schmerz lieben

Es geht jedoch bei allem nicht darum – und das finde ich sehr erwähnenswert – ihn in irgendeiner Weise von seiner Lust am BDSM zu "kurieren" wie von einer Krankheit oder einem Aussatz. Im Gegenteil. Anastasia lernt, durchaus große Lust an dieser Art von Spielen zu entwickeln.

Der Punkt ist aber: Es werden irgendwann tatsächlich nur noch Spiele. Es ist – je mehr sich zwischen den beiden auch eine tiefe emotionale Bindung einstellt – nicht mehr lebensnotwendig und alternativlos für Christian, Sex auf BDSM-Art zu haben. Er lernt von Ana das "Liebemachen".

Das klingt kitschig. Ist es auch. Es ist eine kitschige Liebesgeschichte. Es geht um Angst, Verzweiflung, Gewalt, Errettung und Erlösung. Aber es geht auch um Lust. Lust an sehr intensiven Erfahrungen.

Was macht Shades of Grey so lesenswert?

Am Ende lernen beide voneinander und geben einander unglaublich viel. Die Autorin polarisiert nicht. Christian ist nicht nur der fiese, böse, gefühlskalte Dom, der nur aus seiner Seelenpein gerettet werden muss, um Freude an "normalem Sex" zu entwickeln.

Shades of Grey lebt von Charakteren, die sich entwickeln und wachsen.
Shades of Grey lebt von Charakteren, die sich entwickeln und wachsen.
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Ana ist nicht nur der unschuldige Engel, der diese Aufgabe übernimmt. Dazwischen liegen – ganz recht – viele Schattierungen von Grau. Er ist auch unschuldig, sie hat auch Spaß an "kinky fuckery", also an schmutzigem Sex, wie sie es nennt.

Die Geschichte lebt vor allem von der Art, wie es der Autorin gelingt, den Leser in die Seele der beiden Protagonisten schauen zu lassen. Die Texte sind sehr dialoglastig und müssen es auch sein. Über das Gespräch miteinander, das oft von geradezu schmerzhafter Aufrichtigkeit ist, kommen sich die beiden näher und lernen, einander zu verstehen.

Es kommt zu Situationen, in denen Ana droht, an Christians sehr speziellem Charakter zu zerbrechen, in denen ihr alles zu viel wird. Man kann sie nur allzu gut verstehen und fragte sich schon, wo diese Art von Reaktion bleibt. Dann kommt es dazu, sie überlegt, die Beziehung zu beenden… .

Und dann wird man Zeuge davon, wie dieser Mann, der sie dominiert, sie formt wie Wachs in seinen Händen, plötzlich völlig verzweifelt und sie auf Knien darum bittet, sie nicht zu verlassen. Die Beziehung zwischen den beiden ist eine komplette emotionale Grenzerfahrung und man kann einfach nicht anders, als zutiefst mitzuleiden und mitzuempfinden, von der ersten bis zur letzten Seite.

Fazit: Klare Empfehlung für Shades of Grey!

E.L. James ist mit "Shades of Grey" wirklich ein ganz besonderes Exemplar der Gattung "Erotic Romance" gelungen. Zwei Charaktere, die einem nah gehen. Lustvolle und – zumindest in der Originalsprache – gut geschriebene Sexszenen. Eine komplexe Psychologie und eine spannende Nebenhandlung. Eine klare Leseempfehlung!

Übrigens: Wem das alles zu beziehungsanalytisch ist und wer darum zögert, mit der Geschichte zu sympathisieren, dem sei gesagt: Neben der Sex- und Liebesgeschichte ist auch noch eine Krimihandlung eingeflochten. Und auch das ist sehr gut gelungen und legt einen zusätzlichen Spannungsbogen über die gesamten Bücher.

Von SinasTraum

Die Welt von Shades of Grey im JOYclub

Der Tatsache, dass Shades of Grey das Kopfkino anregt, kann man sich nicht verwehren. Bilder können inspirieren und Anregungen für eigene Ideen schaffen. Im JOYclub hast du viele Möglichkeiten dazu. Stöber doch mal in den Videos mit BDSM-Bezug.


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