Der Abend vor Samhain
Kurzgeschichten: Geschichtenspiel Teil 42Eine Geschichte, die auch hier passt
So einen Kälteeinbruch am 31. Oktober hatte es schon seit Jahren nicht mehr gegeben. Innerhalb kürzester Zeit bildeten sich Schichten von Raureif auf Wiesen und Bäumen. Eine Landschaft wie mit Puderzucker bestreut, die einer Märchenkulisse entsprungen zu sein schien.
Selina hatte dafür keinen Blick übrig, denn ihr Auto war mitten auf der Landstraße stehen geblieben, ohne das sie einen Grund erkennen konnte. "So ein Mist auch!" sie schimpfte vor sich hin.
"Hätte das nicht nach dem Einkaufen passieren können, direkt auf dem Parkplatz?! Aber nein, ausgerechnet hier wo himmelweit und breit keine Menschenseele in Sicht war!"
Auf dieser abgelegenen Straße konnte eine wollige Buchenblattlaus ganz gemütlich über die Straße spazieren, ohne von einem Auto gestört zu werden!
Ein Blick auf das Smartphone zeigte "kein Netz" - sie hatte in der Tat nichts anderes erwartet.
Während sie darüber nachdachte sich mit der eingekauften Flasche Grand Marnier auf den Fußweg zu machen, fiel ihr Blick auf die Straße. Dort glitzerte etwas am Boden.
Neugierig bückte sie sich und klaubte ein silbernes Medaillon auf. Wow, das glänzte wie frisch poliert. Merkwürdig, denn es lag sicher schon länger da.
Vorsichtig öffnete Selina das Schmuckstück und schaute auf das gemalte Porträt eines Mannes, dessen Gesichtsausdruck eher introvertiert wirkte. Seine Augen dagegen sprachen sie direkt an. Wie zwei Saphire, die sie direkt ins Mark trafen, so intensiv als wollten sie mit ihr sprechen. Je länger sie auf das Bildnis schaute, desto durchscheinender schien es zu werden.
"Geh von der Straße und lauf in den Wald...sofort!"
Selina erschrak so heftig, dass sie meinte ihr Herz müsse stehenbleiben. Das Bild hatte seine Lippen bewegt und gesprochen.
Das konnte gar nicht sein und doch war sie sicher, dass sie genau das gesehen hatte. Instinktiv und ohne zu wissen warum, setzte sie sich in Bewegung und lief auf den Waldrand zu. Erst als die Bäume greifbar nah waren,
hielt sie inne und schaute sich um, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen wie ein schwarzer Truck versuchte ihrem Auto auszuweichen und ins schlingern kam.
Der LKW rutschte quer und traf mit solcher Wucht auf ihren Wagen, dass dieser völlig zermalmt, ja fast schon atomisiert wurde.
Schockstarr starrte Selina auf den Punkt, an dem sie gerade noch gestanden hatte und konnte es kaum fassen, dass sie um ein Haar überrollt worden wäre.
Sie schaute wieder auf das Medaillon, das Porträt war verschwunden. Nur ein Datum lies sich auf der rechten Seite erkennen. Der 31.Oktober vor genau 100 Jahren ....
@****ris 01.11.17








