Safe Sex - gibt es das überhaupt?
Präambel: Wer nicht gerne Texte liest und schreibt, der liest besser einen anderen Beitrag. Danke für Euer Verständnis. Hallo, allerseits,
es ist schön, daß es diese Gruppe gibt - denn irgendwie habe ich bisher immer das Gefühl, daß ich der einzige bin, der durch Sex nicht sterben oder verkrüppelt im weitesten Sinne werden will. Wenn man in Clubs oder so geht, herrscht dort meiner Wahrnehmung nach immer eine Atmosphäre, die mich innerlich erschaudern läßt. Da wird zwar irgendwie mehr oder minder auf nem Kondom vielleicht bestanden - das streift in meinen Augen das Thema in Wahrheit aber noch nicht einmal. Und wenn man irgendwie äußert, daß man mit dem Thema mehr am Hut hat, ist man quasi sofort persona non grata, irgendwie ein Wahnsinniger, der sich ganz offensichtlich verlaufen hat; daß jemand Interesse an frei ausgelebter Sexualität mit mehr als nur einem Partner haben könnte, gleichzeitig aber darauf besteht, das unter Vollerhalt seiner Gesundheit zu tun, übersteigt das Vorstellungsvermögen quasi aller Menschen, die ich je in solchen Kontexten getroffen habe. "No risk, no fun!" ist das erklärte Motto und jemand, der eher passiv "teilnimmt" und sich eher aufs Zusehen und Masturbieren verlegt, wird eher ziemlich komisch angesehen, wohingegen jemand, der alles knallt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist und irgendwelche Sekrete praktisch zwischen allen Besuchern verteilt, der ist der erklärte Held...
Denkt man über das Thema etwas länger nach, so drängt sich doch ziemlich bald aus schon rein mathematischen Gründen die Frage auf, ob es safe sex überhaupt gibt und wenn ja, wie der dann aussieht. Das Thema ist komplex und ich würde es schön finden, hier jemandem zu begegnen, dem es vielleicht ähnlich geht wie mir, der auf der einen Seite einen riesigen Hunger nach Sexualität gemeinsam mit anderen verspürt und gleichzeitig kein Hazardeur ist bzw. eine Hazardeurin. Vielleicht kennt Ihr diesen Film "Bohemian Rhapsody", wo Freddie Mercury bei dem AIDS-Arzt ist, der ihm eröffnet, daß es ihn erwischt hat - wer die Szene gesehen hat, wird sehr genau wissen, daß ich etwas ähnliches nicht für allen Spaß der Welt erleben will und dabei finde ich Syphilis, therapieresistenten Tripper, Hepatitis, Warzen und HPV allgemein nicht sonderlich besser als HIV und verstehe einfach nicht, warum das alles fast kein Thema ist. Ein Kondom schützt eben vielleicht ganz gut vor HIV und reduziert zu nem gewissen Grade die Wahrscheinlichkeit für den Rest - aber mit "safe" hat das alles nichtmal entfernt was zu tun. Fallschirmspringen ist mutmaßlich weniger gefährlich als swingen...
Es gibt natürlich wie beim Rauchen die Glücksschweine, die Zeit ihres Lebens alles gemacht haben, was sinnvollem Handeln widerspricht - die aber so sagenhaftes Glück hatten, daß ihnen dabei nichts passiert ist. An denen kann man sich natürlich ein Beispiel nehmen und hoffen. Klug ist das wohl aber nicht. Rein mathematisch betrachtet kann freier Sex ausschließlich in abgeschlossenen Bubbles funktionieren, wenn alle Mitglieder der Bubble keine verlogenen "Menschen" sind und auf der Grundlage von guten Tests bei Etablierung der Bubble. Und DIE Bubble schelchthin nennt sich "Ehe", die nicht zu kleinem Teil genau dem Krankheitsschutz schon immer gedient hat; überhaupt dürften 90% der sogenannten Sexualmoral rein entstehungstechnisch auf Krankheitsprävention zurückzuführen sein, beispielsweise ist das einzige, was am Jungfrausein irgendwie tiefergehend interessant ist, der Umstand, daß man sich bei einer solchen halt nichts holt (im Normalfalle).
Da in der Praxis solche Bubbles aber nicht allzu gut funktionieren dürften, weil eben immer irgendwer aus der Bubble wieder nen Kontakt außerhalb haben würde, fällt diese Lösungsmöglichkeit in der Praxis dann doch eher weitgehend aus. Da müßten schon sehr spezielle Leute sich treffen, die das ehrlich und langfristorientiert durchziehen. Da solche Bubbles nun naturgemäß eher klein wären, würde es sich auch mit der Abwechslung eher in Grenzen halten, was ein weiterer Aspekt wäre, der prinzipiell gegen das Bubble-Modell spricht.
Ein weiteres Modell wäre das Beamen in die Zukunft - ich gehe davon aus, daß in 200 Jahren jeder Arzt über solchen Infektionsmist nur noch lacht - aber mangels Zeitmaschine ist das leider nur ein theoretisches Modell, hilft aber, allen Apologethen von bescheuerter Sexualmoral den Wind aus den Segeln zu nehmen, weil all ihre Pseudoargumente in der Zukunft verpuffen werden.
Was machen wir aber in der Gegenwart, wo irgendwelche therapieresistenten Tripper unterwegs sind, wo gegen HIV nur Medikamente helfen, die wie alle nicht schlucken wollen, wo gegen Warzen und HPV quasi nichts existiert und wo auch kaum geforscht wird bisher?
Das ist ne gute Frage und um die soll es hier nun gehen. Die zwei Lösungen, die bleiben, sind "Sex ohne Körperkontakt", wo also rein die Atmosphäre und das gegenseitige Sichwahrnehmen einen Gewinn an Lust und Freude bringen oder aber das, was hier in einem Beitrag kürzlich ganz treffend als "steriler Sex" bezeichnet wurde, wo ich verstehe, daß der nicht spontan wohl jedermanns Sache wäre, zumal es vielen beim Sex ja um alle möglichen Begleitdinge geht.
"Kontaktloser Sex" dreht sich um die exhibitionistischen und voyeuristischen Anteile von Sexualität, die aber selbst bei vorgeblich sexuell offenen Menschen nicht isoliert zu existieren haben, sondern Auftakt zur Penetration, mindestens jedoch zum Anfassen und dessen Steigerungen zu sein haben. Wie ich schon erwähnte, hab ich mich in nem Club mehr als einmal blöd anschauen lassen müssen und auch ein nur mäßig gutes Gespräch führen müssen, weil ich halt nicht einfach irgendwen penetrieren wollte, den ich nicht kenne und der für meine Gesundheit ein als maximal wahrgenommenes Risiko darstellt - warum ich nun entweder gar keinen oder totalen Sex mit irgendwem haben soll, erschließt sich mir nicht - in der Praxis gibts aber scheinbar nur die beiden Extreme. Sex ohne Kontakt ist in den Augen der meisten Menschen scheinbar irgendwie "entarteter Sex", was ich zu einem gewissen Grade mir dadurch erkläre, daß Menschen halt irgendwie glauben, daß ohne körperlichen Kontakt kein seelischer Kontakt möglich ist.
Ich selbst sehe das etwas anders, zumal ich Menschen seelisch sowieso eher nicht über den Weg traue. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich immer mehr als "gespaltete Gesellschaft" bezeichnet, in nem Club kommen sich dann aber Menschen plötzlich ganz nahe, die auf beiden Seiten der Spaltung stehen und wissen das meist gar nicht und würden sich ziemlich voreinander ekeln, sobald sie Kenntnis von diesem Umstand hätten. Soll heißen: Die meisten Menschen sind nur mäßig kompatibel miteinander und die begegnen sich auf seelischer Ebene in Wahrheit eben doch nicht, die gefühlte Nähe, das gefühlte Verständnis ist eher eine schöne Illusion, viele bekommen ja nichtmal hin, mit dem eigenen Lebenspartner über wirklich lange Zeiträume seelisch tief verbunden zu bleiben. Insofern ist für mich die "Nähe beim Sex mit Fremden" sowieso vollkommen überbewertet, ich halte kontaktlosen Sex für die ehrlichere Weise, sich zu begegnen, weil dies ungefähr dem entspricht, was für mich auf seelischer Ebene WIRKLICH passiert, zumindest in vielen Fällen.
Ein Zwischending wäre der "sterile Sex", der unter strikter Einhaltung der Regeln Nähe und Kontakt zuläßt, gleichzeitig eine gewisse Distanz wahrt und dabei zu einhundert Prozent safe ist, solange sich die beteiligten Personen beherrschen können und wir nicht über Atemwegsinfekte reden (HAHA!!!). Warum der es ganz offensichtlich nicht zu irgendeiner Berühmtheit oder Akzeptanz geschafft hat, ist mir ein Rätsel, er ist die perfekte Lösung für den Sex mit irgendwem und wenn sich dabei eine tiefergende Verbindung mit jemandem herauskristallisiert, kann man ja mit dem dann eine Bubble bilden oder bei diesem EINEN dann vielleicht ausnahmsweise doch mal ein Risiko eingehen oder noch andere Wege finden.
Wie blickt Ihr auf diese Dinge? Versteht Ihr, was ich meine? Wir leben eben nicht in 200 Jahren, sondern jetzt und da sind Verheerung und Tod immer unsichtbar mit von der Partie. Wer sich dabei entspannen kann und Freude empfindet, der muß schon verflucht gute Verdrängungsmechanismen haben. Ich zumindest habe die nicht und die schlimmste aller Vorstellungen für mich ist, mir bei irgendwem irgendwas einzufangen, was den Rest meines Lebens überschattet, wahrscheinlich verhindert, daß ich je wieder richtig freien Sex mit dem Menschen haben kann, den ich mehr liebe als jeden sonst, und dann noch festzustellen, daß derjenige, von dem ich das bekommen habe, objektiv nichtmal entfernt jemand ist, der es auch nur einen FUNKEN wert gewesen wäre, ein Risiko einzugehen, einfach, weil es jemand ist, den man jenseits von Sex wahrscheinlich eher verabscheuen würde, weil er zum Beispiel ein mieser Betrüger ist oder ein Narzißt oder schlimmeres, oder alles zusammen.
Vielleicht könnte man Sex endlich mal aus der Schmuddelecke rausholen, indem man ihm objektiv das Schmuddelige nimmt und das ist nunmal all das negative, was solange an ihm haftet, bis man es auf irgendeine Weise loswird, jetzt eben mit "sterilem Sex" und in 200 Jahren als Ergebnis von viel Forschung.
Ich würde mich über fundierte Antworten freuen - wenige Sätze dürften dem Thema nicht gerechtwerden.
Vielen Dank und besten Gruß!