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Geschichtenspiel Teil 45

*******tia Mann
5.094 Beiträge
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*******ert Frau
928 Beiträge
• Untiefe
• Qualle
• leichtfüßig
• handzahm
• durchatmen
• piesacken
• schmallippig
• kurzerhand

Die Niederlage Reginald des Rächers

Leichtfüßig betrat sie den Supermarkt und tanzte ausgelassen durch die Gänge. Ein Date! Ein Date zum Dinner! Nicht irgendein Date, nein, der blonde Hüne aus der IT-Abteilung, in dessen Gegenwart das tiefe Durchatmen so schwer fiel, hatte endlich geruht, sie zu beachten. Reginald der Ritter hatten sie und ihre Kolleginnen aus dem Schreibbüro ihn heimlich genannt, da er bislang auf keine ihrer mehr oder weniger subtilen Flirtversuche eingegangen war. Wie ein Ritter, der sich in seiner Rüstung verschanzt und stets edel und heroisch seiner Wege geht. Oder reitet.

Gestern hatte Reginald, der in Wirklichkeit einfach nur Harald hieß, sie aus heiterem Himmel am Kopierer angesprochen während er hinter ihr darauf wartete, an die Reihe zu kommen. Ob sie ihm sagen könne, wo das Din-A-3 Format aufbewahrt werde, wollte er wissen. Dabei lagen sämtliche Papierstapel, nach Größe sortiert, unübersehbar rechts vom Kopierer im Eck. Genau wie all die Jahre zuvor auch.

Und heute in der Kantine, das Thema Essen lag auf der Hand, bzw. unappetitlich auf den Tellern zwischen ihnen - sie hatte noch mit ihren Kochkünsten geprahlt - hatte er sich praktisch selbst zum Essen eingeladen. Wogegen sie zwar nichts einzuwenden gehabt hatte, im Gegenteil, sie hatte sich so sehr gefreut - aber die Zeit wurde langsam knapp. Der Chef war um halb vier noch mit einem angeblich fürchterlich wichtigen Rundschreiben dahergekommen und jetzt war es zu spät für aufwendige Bratereien. Das Hors d’œuvre war noch nicht ausgewählt, die Zutaten noch nicht eingekauft, noch immer driftete sie, von ihren wallenden Hormonen getrieben, mehr oder weniger ziellos durch den Laden wie eine Qualle, die von den Wellen in den Untiefen des Meeres umeinandergespült wird.

Eine kalte Platte vielleicht?

Kurzerhand begab sie sich zur Fleisch- und Feinkosttheke um sich von der Fachverkäuferin dort beraten zu lassen. Doch diese Dame war offenbar mehr an ihrem bevorstehenden Feierabend interessiert als an der Kundschaft. Sichtlich genervt gab sie nur widerwillig und knapp Auskunft über die ach so vielen leckeren Antipasti die verlockend zwischen ihnen ausgebreitet lagen und die Frage nach frischem Hack wurde schmallippig mit dem Bescheid beantwortet, die Maschine sei bereits gereinigt.

Enttäuscht verließ sie den Laden, ohne etwas gekauft zu haben. Dann eben nicht. Wozu gab es Lieferdienste? Und mal ganz ehrlich: Harald war doch sicherlich nicht in erster Linie wegen des Essens an sie herangetreten? Oder doch? Wenn sie an ihren Bruder dachte ... Der aß nach all den Jahren noch immer jeden Sonntag bei seiner Ex-Frau zu Mittag, nickte gar dem Nachfolger freundlich zu, nur um sich tüchtig den Bauch vollschlagen zu können. Liebe ging halt doch durch den Magen.

Damit es aber erst zur Liebe kommen konnte, sollte nicht nur der Tisch, sondern auch die Anzubetende appetitlich hergerichtet sein. So verschwitzt und abgehetzt konnte und wollte sie Harald keineswegs gegenübertreten. Also ab nach Hause und unter die Dusche. Kaum war sie mit den nötigsten Restaurationsarbeiten fertig, klingelte es auch schon an der Türe. Pünktlich war er, das mußte sie ihm lassen. Hastig die oberen Knöpfe ihres Hauskleides schließend, zu offensichtlich wollte sie sich auch nicht anbieten, eilte sie zur Türe.

Riß sie auf und trat überrascht gleich wieder drei Schritte zurück. Statt des erwarteten Kollegen sah sie eine riesige Kiste aus Styropor, die sich zentimeterweise in ihre Wohnung bewegte und sie dabei Stück für Stück zurückdrängte. Was sollte DAS denn? Sie hatte doch noch nichts bestellt! Empört stemmte sie die Hände in die Hüften und wollte gerade loszetern, da schwang sich Harald hinter dem keuchenden Lieferanten vorbei und hielt ihr einen wirklich geschmackvoll zusammengestellten Blumenstrauß entgegen: ''Guten Abend Brigitta! Gut siehst du aus! Als ich euren Chef heute noch kurz vor Feierabend in euer Büro stürmen sah, dachte ich mir schon, daß du keine Zeit mehr zum Kochen haben würdest und habe uns vorsichtshalber etwas mitgebracht.'' An den Boten gewandt fügte er hinzu: ''Bitte stellen sie die Kiste einfach hier ab, vielen Dank, und das ist für Sie guter Mann.''

Verblüfft das wirklich großzügige Trinkgeld betrachtend, zog der Mann von dannen und Harald, ganz Herr der Situation, lupfte die Kiste wie selbstverständlich auf den Küchentisch, den er durch die halboffene Türe erspäht hatte.

Neugierig näherte sie sich dem Tisch und beobachtete gespannt, wie Harald mit einem verschmitzten Grinsen den Deckel abnahm. Was er wohl mitgebracht hatte? Chinesisch? Indisch? Sushi? Auf alles Mögliche war sie gefaßt aber nicht auf die Gestalt, die plötzlich aus der Kiste sprang wie Jack aus seiner Box und lauthals forderte: ''Zeigt mir die Töpfe, die Gewürze und wie der Herd funktioniert und dann schafft euch aus der Küche, ich kann keine Leute brauchen die mir beim Kochen über die Schulter gucken!''

Hastig rieb sie sich die Augen. Da stand doch nicht etwa ein Zwerg in ihrer Küche und funkelte sie erbost an? ''Na wirds bald? Hat dir wohl die Sprache verschlagen Frau Königstochter, was? Verwöhnte Bälger, allesamt. Töpfe, Gewürze, Herd hab ich gesagt!''

Fassungslos starrte sie auf den offenbar alles andere als handzahmen Wicht hinab, der bereits damit beschäftigt war, allerlei Eßbares aus der Kiste zu zerren, und wollte gerade saftig Kontra geben, als Harald ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter legte und sie sanft aber bestimmt aus der Küche schob.

''Laß mich nur machen'', beschwor er sie. ''Reginald ist manchmal etwas unfroh, besonders wenn er lange in seiner Kiste gesessen ist, aber er kocht wie ein junger Gott. Ehrlich.''

Reginald. Der Zwerg hieß Reginald? Wer wollte hier eigentlich wen zum Narren halten? Während Harald wieder in der Küche verschwand, ließ sie sich völlig entnervt auf ihr Sofa fallen.

Hatte Harald sie und ihre Kolleginnen belauscht und sich hernach diese Farce ausgedacht um sich für den Spott und das Gelächter, das er in diesem Falle zweifelsohne ebenfalls gehört haben mußte, zu rächen? Als IT-ler hatte er ja dank der modernen Technik Möglichkeiten, die sich normale Menschen nicht einmal ansatzweise vorstellen konnten. Was hatte er vor? Wollte er sie mit Psychospielchen piesacken und sich an ihrem Unbehagen weiden? Wie konnte sie sich aus dieser Bredouille retten? Ausgeschlossen, daß sie sich ihm nun noch hingeben konnte, was er jedoch nach diesem buchstäblich hingezauberten Menü zweifelsohne erwarten würde. Mit zitternden Fingern griff sie nach ihrem Mobiltelefon und begann, in der Kontaktliste nach ihrer Freundin Monika zu scrollen. Monika war eine begnadete Hellseherin und weiße Hexe, diese wüßte sicherlich Rat. Doch noch bevor sie den Call-Button drücken konnte, erschien ein weiß behemdeter Arm hinter ihr und entwand ihr das Telefon.

''Wir wollen doch jetzt nicht telefonieren, oder? Wir wollen es uns doch lieber etwas gemütlich machen, bis das Essen fertig ist?''

Wie erstarrt saß sie da. Nur nichts anmerken lassen. Feind in Sicherheit wiegen. Mit einem, wie sie hoffte, einigermaßen freundlich erscheinenden Lächeln klopfte sie einladend auf die Sitzfläche neben sich während sie gleichzeitig aufstand und beiläufig zum Schränkchen hinüberging, in dem sie die Alkoholika aufbewahrte.

''Darf ich dir etwas zu Trinken anbieten?'' Hoffentlich hatte ihre Stimme nicht allzu sehr gezittert.

''Ach nein Danke ganz lieb Brigitta, aber ich bin mit dem Auto da und man soll doch zum Essen, welches übrigens gleich fertig sein sollte, nichts trinken. Die Magensäure, du verstehst? Ist doch eins deiner Lieblingsthemen, der Magen, richtig?''

Das süffisante Grinsen mit dem er seine als Frage getarnte Beobachtung wie nebenbei in den Raum stellte, bestärkte Brigittas dumpfe Ahnung. Harald HATTE sie abgehört. Ihre Magenbeschwerden waren in der Tat oft diskutiertes Thema im Schreibbüro gewesen. Ihr wurde kalt. Nerven bewahren, ermahnte sie sich, du hast von Monika einiges gelernt wogegen dieser Computerbube mitsamt seinem Mini-Bocuse nicht würde ankommen können. Sie schloß die Augen und konzentrierte sich. Die Sekunden verstrichen und schienen sich ins Unendliche zu dehnen.

''Ach sieh nur'', rief sie scheinbar fröhlich aus und wandte sich dem Fenster zu. ''Die lieben Vögelchen sind wieder auf dem Balkon!''

Rasch, bevor er sie daran hindern konnte, drehte sie den Griff und öffnete das Wohnzimmerfenster weit. Schnalzend und keckernd ergoß sich eine wahre Flut an Eichhörnchen ins Zimmer. Sie krabbelten Harald in die Hosenbeine, zerrten an seinen Haaren und zerfetzten mit ihren scharfen Krallen seinen teuer aussehenden Anzug.

''Zu Hilfe!'', schrie dieser. ''Bist du wahnsinnig, schaff mir diese Viecher vom Hals, aber dalli!''

''Nimm du deinen Koch und verschwinde aus meiner Wohnung, aber ebenso dalli'', entgegnete sie ungerührt. Wild um sich schlagend rannte Harald aus dem Zimmer, schrie nach Reginald, welcher nach seinem Auftauchen aus der Küche ebenfalls sofort von den Eichhörnchen attackiert wurde, woraufhin beide laut fluchend aus der Wohnung rannten und dabei völlig vergaßen, die Wohnungstüre hinter sich zu schließen.

Rasch holte sie dies nach und rutschte sodann mit dem Rücken zur Türe langsam auf den Teppich hinab. Gerade noch einmal gutgegangen. Wie betäubt saß sie da, bis sie vom lauten Keckern ihrer kleinen Helfer aus ihrer Erschöpfung aufgeschreckt wurde.

''Ja, ihr Guten, Lieben! Ihr sollt euren Lohn erhalten! Freilich!'' Rasch stand sie auf und schloß mit einem goldenen Schlüssel, der stets an einer Kette um ihren Hals hing, ein kleines Kästchen im Flur auf. Diesem entnahm sie eine Handvoll Zaubernüsse, die sie an die kleinen Hörnchen verteilte. Jedes nahm sich eine Nuß und verschwand damit aus dem Fenster hinaus in das Wäldchen, aus dem sie gekommen waren.

Während sie rasch die Unordnung in der Küche beseitigte - es hätte übrigens Nudeln mit einer undefinierbaren Soße gegeben - und vorsichtshalber alles miteinander in den Müll schüttete (bis auf die Gerätschaften Reginalds natürlich, die sie Harald am nächsten Tag im Büro unauffällig auf seine Platz stellen würde), nahm sie sich erneut vor, nun aber wirklich nie mehr, absolut NIEMALS mehr, einen Mann in ihre Wohnung zu lassen. Auch keine harmlos wirkenden IT-Spezialisten. Ganz besonders die nicht.

*******
*****e_M Frau
8.386 Beiträge
Toller Einstand *bravo* *bravo*
It´s me!
*********ld63 Frau
8.186 Beiträge
Oh, so köstlich, deine Geschichte, liebe @*******ert! *bravo*
Ein durchgeknallter IT-ler, der von einer Horde Eichhörnchen zu Fall gebracht wird! Zauberhaft! *spitze*
*******t_by Mann
69.679 Beiträge
Was für ein Einstand *bravo* @*******ert

Ein ganz normaler Beginn und dann die Wendung zum "Märchen"
Köstlich *top2* mehr davon!
*********ynter Frau
9.577 Beiträge
*bravo*, gefällt mir sehr.
**********_moon Mann
266 Beiträge
Mir auch! *g*
*******tia Mann
5.094 Beiträge
Das ist ja unerhört, Frau @*******ert

*ggg*
**********Engel Frau
25.343 Beiträge
Gruppen-Mod 
Herrlich! Eine gar köstliche Geschichte, toller Einstand, liebe @*******ert !
*********cht76 Mann
485 Beiträge
Herrlich, @*******ert, davon hätte ich auch gern mehr *top*
**********silon
5.767 Beiträge
ich finde auch eine tolle Geschichte. @*******ert Die habe ich sehr gern gelesen. *blumenschenk*
**********silon
5.767 Beiträge
Nicht handzahm
„Nein“, jaulte Herr Storch auf und machte am Fußende meiner mobilen Schlafstatt einen Handstand, während Summa noch in Ihrem Schlafsack verweilte und mit dem Oberkörper an dem Steinwall zum Dorfanger hin lehnte.
„Ich habe bisher noch nicht die Richtige finden können“, fuhr er fort und wackelte mit den Ohren.
Summa gähnte herzhaft und wollte eigentlich fragen, wie er das meinte. Doch aus ihrem Mund blubberten nur Seifenblasen.

Die dünnen Beine des Herrn Storch strampelten durch die Luft, so als ob er Fahrrad fahren würde. Er kicherte verzweifelt auf, und seine Unterhose wölbte sich an der entscheidenden Stelle. Summa staunte nicht schlecht, als diese zu den Fesseln seiner Füße verrutschte und eine beflügelte Qualle in die Untiefen des Morgengrauens entließ.

Herr Storch wurde schmallippig. „Genau das ist dann immer das Problem“, knurrt er zwischen den immer spitzer werdenden Zähnen hervor. Die Augäpfel begannen in seinen Höhlen zu rollen, seine Haut wurde aschfahl und fleckig, und seine Lauscher wuchsen langsam zu riesigen Segelohren heran.
Summa wurde etwas bange im Herzen, weil sie hautnah beobachten konnte, wie Herr Storch zum Poltergeist ihrer Albträume mutierte. Am Ende jedoch schwang er sich kopfüber auf die vorbeiziehende Wolke 7 und schritt leichtfüßig, äh, wohl eher leichthändig, von dannen.

Summa atmete mehrfach tief durch und bemerkte erleichtert, dass sie nun nichts mehr piesackte. Denn der Herr Storch war wirklich nicht sonderlich handzahm gewesen. So wie alle Bedürfnisse, wenn wir auf etwas Appetit haben.
Sie krabbelte also kurzerhand aus ihrem Schlafsack, schritt durch den nahen Durchlass und bediente sich an den reifen Früchten der Apfelbäume auf der Streuobstwiese hinter dem Wall aus Natursteinen.

© CRSK, LE, 10/2023


Die 8 Reizwörter dieser Woche:

  • • Untiefe
  • • Qualle
  • • leichtfüßig
  • • handzahm
  • • durchatmen
  • • piesacken
  • • schmallippig
  • • kurzerhand

*****e_M Frau
8.386 Beiträge
Mensch! Wieder ein echter Charlietext!

Wunderbar! *bravo* *bravo*
*******t_by Mann
69.679 Beiträge
Summa und Herr Storch *top2*
Schön zu lesen @**********silon

"...eine beflügelte Qualle in die Untiefen des Morgengrauens entließ." *lol*
*********cht76 Mann
485 Beiträge
Untiefe
Qualle
leichtfüßig
handzahm
durchatmen
piesacken
schmallippig
kurzerhand

Seit die kleine Meerjungfrau oben an Land bei ihrem Prinzen war, war der kleinen Qualle todlangweilig. Nicht einmal verabschiedet hatte sich diese treulose Tangmate, sondern war einfach zur Meerhexe abgehauen und hatte sich dieses grauenhafte Zeug besorgt, nur um bei dem Prinzen Eindruck zu schinden! Wer hatte denn schließlich all den depressiven Gedankenschwällen zugehört, nachdem die großen Schwestern der Prinzessin schon längst das Interesse an der Welt da oben verloren hatten? Wer war es denn, die die kleine Meerjungfrau jeden Abend mit ihren Tentakeln in den Schlaf gestreichelt hatte? Zu gern hätte die kleine Qualle ihre Freundin wieder singen hören und tanzen sehen.

Die kleine Qualle atmete tief durch. Da gab es wohl nur eine Lösung. Sie nahm all ihren Mut zusammen und machte sich kurzerhand auf in die gruseligen Untiefen, in denen die Meerhexe hauste. Die fürchterlichen Polypen am Eingang machten selbst ihr Angst, die selber mit Tentakeln ausgestattet war. Sie versuchten nach Kräften, die kleine Qualle zu piesacken, aber sie schaffte es letztlich doch, ihre Hemmungen zu überwinden und schwamm geradewegs durch das schreckenerregende Spalier. Unterbewusst half ihr, dass sie aus der Richtung des Hexenhauses einen wunderschönen Gesang vernahm. Als sie ankam, wurde es ihr klar: das war doch die Stimme der kleinen Meerjungfrau! Hieß das etwa, dass ihre Freundin überhaupt nicht bei dem Prinzen an Land war, sondern von der Meerhexe gefangengehalten wurde?

„Sieh an, sieh an, wen haben wir den da?“ säuselte es plötzlich neben ihr. Es war diese vertraute Stimme. „Ich habe dich bereits erwartet!“ Nein, es war nicht die Meerjungfrau, es war die Hexe, die mit dieser Stimme sprach.

„Deine Freundin war so gütig, mich für meinen Dienst mit ihrer wundervollen Stimme zu bezahlen. Nun erwarte nicht, dass ich dich kostenlos davonkommen lasse. Ich habe aber eine geniale Lösung für dich. Deine Tentakel kann ich gut gebrauchen, um damit meine Abschreckung zu ergänzen. Ich werde jeden einzelnen davon durch ein Bein ersetzen, mit dem du an Land schneller sein wirst als jedes andere Wesen dort oben.“ Schmallippig stimmte die kleine Qualle zu. Die Hexe sprach eine unverständliche Beschwörungsformel, bei der ein Schauder das verängstigte Meerestier durchfuhr.

„Schwimm nun an die Oberfläche“, lautete die Instruktion. „Sobald du dort oben angekommen bist, werden die Tentakel abfallen, und es werden dir Beine wachsen. Meine Polypen sind handzahm. Die werden dir nichts tun. Ich wünsche dir viel Erfolg!“ Das anschließende laute Kichern hörte die Qualle nicht mehr. Es zog sie magisch an die Küste.

An der Oberfläche angekommen, kam alles so, wie es die Hexe vorausgesagt hatte. Alle ihre sechsundsechzig Tentakel fielen nach und nach ab (so stolz war sie darauf gewesen – aber für ihre Freundin trennte sie sich davon), und an deren Stelle wuchsen ihr lange, staksige Beine. Leichtfüßig kletterte sie nun an den Strand und schaute sich um. Hoch oben auf einem Berg thronte ein prächtiges Schloss. Da musste der Prinz wohnen, und da musste also auch die kleine Meerjungfrau sein. Der Berg war hoch, aber ihre sechsundsechzig Beine trugen die Qualle schnell empor.

Auf der Schlossmauer hielt ein Wächter Ausschau. Als er ein merkwürdiges Untier mit zahllosen Beinen auf seine Stellung zulaufen sah, schlug er direkt Alarm. Kurz darauf erschien der Prinz auf der Mauer, hinter ihm die gequält aussehende kleine Meerjungfrau. Angespornt durch den Krach, den die Menschen machten, als sie sie sahen, legte die Qualle noch einen Zahn zu. Währenddessen gab der Prinz einen Befehl, die Kanone auf der Schlossmauer wurde mit einer großen Kugel geladen und abgefeuert. Schnell eilten alle Schlosswachen, der Prinz und die kleine Meerjungfrau den Berg hinab und begutachteten das tote Ungetüm.

Nur die Meerjungfrau erkannte, wen die Kanone getroffen hatte, konnte es aber ohne ihre Stimme niemandem verständlich machen. Auf dem Hofball am Abend versuchte sie es im Tanz pantomimisch. Das gesamte Publikum war wieder einmal entzückt von ihrem wunderschönen Auftritt und wünschte sich, sie möge weiterhin so kreative Tänze darbieten.
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*******ert Frau
928 Beiträge
Leider habe ich keine Likes mehr übrig heute. Diese Geschichte ist so wunderschön, so traurig, so voller Gefühle ... und wie im wirklichen Leben.
*********cht76 Mann
485 Beiträge
Danke für das Quasi-Like! *danke*
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*******ert Frau
928 Beiträge
Heute bin ich ETWAS zu früh dran aber ich gehe normalerweise schon gegen sieben Uhr aus dem Internet, man möge es mir verzeihen.
Hier meine acht Wörter:

Bahnsteigkante
Verbotsschilder
Gänsefeder
lachhaft
Lieblingslehrerin
posaunen
glattrasiert
Engel
**********silon
5.767 Beiträge
Noire
„Change the Game with a Chance of Hall of Fame“, nuschelte der Ex-Croupier der längst geschlossenen Spielerbank von anno dazumal. Betrunken saß er an der Bahnsteinkante und wartete darauf, dass der nächste Eilzug nach Ultimo einfahren würde. Er hockte da wie ein Häufchen Elend und hatte seine Knie nahe an seine rotädrige Knubbelnase herangezogen. Er wartete geduldig darauf, endlich abgeholt zu werden. Seit Jahren schon. Doch die Welt hatte ihn vergessen. Auch das Man von nebenan. Ebenso die Wie und der Wer von gegenüber und noch so manch anderer beziehungsweise andere seines ehemaligen Kiezes.
Der Mensch an sich hingegen hatte sich längst weitergedreht und hatte sich seiner alten Treter entledigt. Er war mit dem Strom anderer mannigfaltiger großer und kleiner Fische in den Bugwellen der Nussschalen-Ozeandampfer, die den Grand River befuhren, fortgeschwemmt worden. Geschwemmt und nicht geschwommen.

Der Ex-Croupier blickte über die Abstellgleise hinweg auf einen Wald aus lauter ausrangierten Verbotsschildern, die niemand mehr wartete geschweige denn haben wollte. Seit Jahren schon nicht mehr. Und er begann bei dem Gedanken daran, dass die Schilder auch niemanden hatten, denen sie ihr Leid klagen konnten, in einem fort zu hicksen und wurde noch trauriger. Denn er mochte es nicht, wenn der Schluckauf ihn quälte, wusste er doch, dass es auf der ganzen Welt niemanden geben würde, der an ihn dachte, während dieser irgendjemand irgendwen anderes küsste.
Bevor er sich also völlig sinnlos auf das unmittelbar vor ihm liegende Abstellgleis stürzte, nur um dann doch nicht überrollt zu werden, kramte er geduldig in den Tiefen seiner löchrigen Manteltaschen. Schließlich fand er, was er suchte und zog eine zerrupfte Gänsefeder und einen alten Notizblock hervor.

Gedankenverloren nuckelte der Ex-Croupier am verbogenen Gänsekiel und murmelte vor sich hin, dass es ja lachhaft wäre, wenn er seiner ehemaligen Lieblingslehrerin die damalige Jugendliebe zu ihr nicht hätte in Abrede stellen können.
Und so fing er an, die Worte auf die vergilbten Seiten des Notizblockes zu posaunen. Er hätte fast gar kein Ende damit gefunden, wenn nicht rein zufällig ein glattrasierter Engel vorbeigekommen wäre und ihm schließlich den vollgekritzelten Block aus den Händen gerissenen hätte, um ihn als eine von ungezählten Messages in the Bottles dem ewigen Fluss der Welt übergegeben zu wollen.

Das war vor über dreitausend Jahren. Noch vor dem unmittelbar darauffolgenden Big Bäng in der damaligen Welt. Heute noch steht der inzwischen berentete und verwitterte Engel an dem Ort, wo früher der Bahnhof der Abstellgleise gewesen war. Nur sieht dieses Terrain inzwischen ganz anders aus.
Wie genau, bleibt jedoch dem Leser überlassen. Denn die längst zu Staub verfallene Message in den Händen der zu Stein gewordenen Himmelsmacht, sagte damals schon nichts Wahrsagerisches darüber aus …

© CRSK, LE, 10/2023

Die frisch gebackenen 8 Reizwörter dieser Woche:

  • • Bahnsteigkante
  • • Verbotsschilder
  • • Gänsefeder
  • • Lachhaft
  • • Lieblingslehrerin
  • • Posaunen
  • • Glattrasiert
  • • Engel



Bildbestandteile:
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Composing:ich
Change-Chance-Inspiration: @**********ige_S (Ich danke dir! Du hast mich erst drauf gebracht. ;))
„Change the Game with a Chance of Hall of Fame“
**********gosto Frau
16.058 Beiträge
Das sind die großen Enttäuschungen des Lebens: sich aufs Abstellgleis zu stürzen, „um dann doch nicht überrollt zu werden“.

Glory to the forgotten heroes! *anbet*
**********gosto Frau
16.058 Beiträge
8-Wörter-Spiel
• Bahnsteigkante
• Verbotsschilder
• Gänsefeder
• lachhaft
• Lieblingslehrerin
• Posaunen
• glattrasiert
• Engel

Der Degendieb von Léopoldville

Habeck
Das war ne mords Idee von dir, heute Abend mal einen drauf zu machen.

Van Staben
Und schon ewig überfällig.

Habeck
Man könnte sich ja glatt von der Bahnsteigkante stürzen bei den ganzen Verbotsschildern im politischen Berlin.

Van Staben
Apropos Verbotsschilder. Da fällt mir das Bild ein, das ich letztens im Netz gesehen habe.

Habeck
Lass mich raten … ein Jugendfoto deiner Lieblingslehrerin? Wo sie aussieht wie ein glattrasierter Posaunenengel?

Van Staben (prustet in sein Bier)
Nee … ein Foto von … wie heißt der noch? Ein Fotograf, der vor allem in Afrika Bilder geschossen hat, in den Sechzigern.

Habeck (reckt den Finger in die Höhe wie ein Schulbub)
Ich weiß es! Robert Lebeck, 1960.

Van Staben
Genau, Robert Lebeck. Und das Bild ging um die ganze Welt, wurde übelst berühmt. Wie hieß das nur?!

Habeck (den Finger in der Luft)
Der Degendieb von Léopoldville!

Van Staben
Ist ja lachhaft, was du alles weißt. Ein echter Gänsefederwisch, das ist es, was du bist!

Habeck (zerknirscht)
Sorry, kann nichts dafür. War schon immer Klassenbester.

Van Staben
So siehst du aus. Aber egal … worum ging’s denn da nochmal?

Habeck
Na, König Baudoin von Belgien fährt durch Léopoldville, heute Kinshasa.

Van Staben
In einem offenen Wagen.

Habeck
Einen Tag vor der Unabhängigkeit von Belgisch-Kongo.

Van Staben
Und dann klaut ihm einer seinen Degen.

Habeck
Und Robert Lebeck drückt auf den Auslöser.

Van Staben
Und schiesst das Bild seines Lebens.

Habeck
Und wie bist du jetzt auf das Bild gekommen?

Van Staben
Keine Ahnung. Noch n‘ Bier?

Habeck
Immer.
Der Degendieb von Léopoldville (Quelle: Wikipedia)
*******tia Mann
5.094 Beiträge
Respekt, @**********silon , die Shortstory kommt ganz schön wuchtig bei mir rüber ...
*******tia Mann
5.094 Beiträge
*******tia Mann
5.094 Beiträge
Bahnsteigkante
Bewundernd dachte er an den Typen, den er aus seiner Kindheit kannte:
Einer, der immer das Opfer war. Von allen gehänselt, von allen verlacht. Heute würde man es Mobbing nennen. Bis der Typ eines Tages tragischerweise auf dem verschneiten Schulweg von der Bahnsteigkante fiel, woraufhin hin ihm der ankommende Zug beide Beine sauber abtrennte. Zwanzig Jahre später traf er ihn wieder. Ein gestandener Mann, der ganz gut mit seinen Beinprothesen lebte und einiges erreicht hatte. Ohne spürbare Verbitterung lebte er ein erfolgreiches Leben als Investor und Immobilienbesitzer.

Wie lachhaft war dagegen sein eigenes Leben? Es kam ihm vor, als wäre die Straße seines Lebens bespickt mit Verbotsschildern, die ihm keine freie Entfaltung erlaubten. Dabei war er damals der coole Typ, der sogar die Lieblingslehrerin der ganzen Klasse um den Finger wickeln konnte.

Glaubte er zumindest. In Wahrheit war die Lehrerin das unmoralische Biest, welches ihm die Gänsefeder in den glattrasierten Po steckte, um ihn durch das Reich der viel zu früh erwachten sinnlichen Lust tanzen zu lassen. Scheherazade, nur eine Fassade. Die Einsamkeit bleibt ein Übel, welches ihn nie verlassen würde.

Langsam glitt sein bis unter die Haarspitzen betrunkener Körper in das eiskalte Wasser des Mains. Die Barbiturate, die er löffelweise zu sich genommen hatte, machten ihn unempfindlich gegenüber den für jeden menschlichen Körper tödlichen Temperaturen. Die Lichter der Großstadt mit ihren gigantischen Bankentürmen spiegelten sich in den hüpfenden Wellen des Flusses. Irgendwo lachten schrill ein paar Mädchenstimmen, irgendwo brüllten betrunkene Männer ihre fadenscheinige Lebensfreude heraus, irgendwo bellte ein einsamer Hund.

Er erwartete nichts mehr von Leben. Seine Lebensgefährtin hatte das Weite gesucht, seine Tochter lebte mit ihrem Freund seit drei Jahren in Singapur, ohne jemals ein Lebenszeichen zu senden. Das Finanzamt hatte sein Bankkonto gepfändet und gesperrt, den Schlüssel zu seinem Appartement hatte er ohne eine Nachricht dem Vermieter in den Briefkasten geworden. Die Fernbedienung für seinen Porsche hatte er einem verdutzten Penner in die Hand gedrückt. Für Hass auf das System fehlte ihm die Energie.

Er sank in die Tiefe. Die Lichter der Großstadt drangen nur noch unscharf durch die trübe Brühe. Es wurde seltsam still. Es war ihm egal, ob ihn süße Engel mit dem Klang himmlischer Posaunen empfangen oder garstige Teufel ins Fegefeuer werfen würden. Wahrscheinlich würde nichts passieren. Er würde zu einer traurigen Randmeldung in der Zeitung werden, sollten sie seinen Leichnam jemals finden. Er hatte den Glauben verloren.

Sein letzter Gedanke war: „Mama“.

_____________________________________________________________

© by impotentia


• Bahnsteigkante
• Verbotsschilder
• Gänsefeder
• lachhaft
• Lieblingslehrerin
• Posaunen
• glattrasiert
• Engel
*******t_by Mann
69.679 Beiträge
Stark @*******tia.
Das trifft mit Wucht und ich finde gerade keine Worte. *hutab*
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