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Geschichtenspiel Teil 45

*******tia Mann
5.094 Beiträge
Feenstaub und Engelsdunst
„Ich habe sie gesehen, Feen in Militärstiefeln. Du musst mir glaube, dass ist keine Lüge, ich habe sie mit meinen eigenen zwei Augen gesehen!“

Wir hockten bei einer halb vertrockneten Käseplatte beieinander im Speisesaal des Sanatoriums. Vor den breiten Panoramafenstern ging ein sensationeller Platzregen nieder, der sämtliches Leben, egal ob menschlich oder tierisch, aus den letzten Winkeln des angrenzenden Stadtparks vertrieb.

„Echt hey, ich habe sie gesehen. Feen, die Stiefel trugen …“
Natürlich misstraute ich ihm. So wie ich ihm immer misstraute. Seit meinem zwölften Geburtstag, an dem er mir versprach, mich an einem Joint ziehen zu lassen, der sich dann als Fake-Zigarette, gefüllt mit Muskatnuss und Fasern der Bananenschale entpuppte. Zwar wurde mir schwindelig und komisch zumute, aber ich konnte bis heute nicht erfahren, von was.

„Opa, was meinst du, gehen wir mal zusammen ins Kino?“, fragte ich ihn in einem Moment der Ruhe, in dem er einfach mal die Klappe hielt und gedankenverloren in den fadenartigen Regen starrte. Vielleicht nicht gedankenverloren, aber verstandsverloren.
„Opa?“
„Ja, ja, ja ...“ wischte er meinem Gedanken hinterher, mit einer Handbewegung, als müsste er einen Schwarm indischer Moskitos vertreiben oder den Rauch einer Zigarette vertreiben, deren Konsum ihm hier im Speisesaal nicht erlaubt war, auch wenn er sich schon einige Male dieser Regel widersetzt hatte.
„Nein Junge, warum soll ich mir Filme mit einem Mörder ansehen? Ich habe schon mehr Menschen sterben sehen, also du in deinen Filmen. Die Brutalität des Lebens ist grausamer als jeder Krimi!“

Damit war Kino vom Tisch. Mit Opa zu diskutieren, hatte ich schon lange aufgegeben. Wahrscheinlich würden wir am Nachmittag wieder in einer kleine Winzerei landen, wo ich mir seine weinseligen Ausflüge in die Vergangenheit anhören durfte. Das Schlimme daran: Ich hatte im Grunde meines Herzens nichts dagegen. Also half ich ihm, nach einem umständlichen Toilettengang, in seinen Rollstuhl, sorgsam darauf bedacht, dass die alte Kutte nicht verrutschte und nicht schief über seinem viel zu dürren, ausgemergelten Körper hing. Der Jeansstoff war speckig und dem Alter entsprechend abgewetzt. Der alte Fetzen stank nach 60 Jahren Alkohol, Drogen und schmutzigen Sex.

Nach einem kurzen Spaziergang, der stets für Aufsehen sorgte, weil es sich mein Opa nicht nehmen ließ, lautstarke Heavy-Metal-Nummern über den transportablen Bluetooth-Lautsprecher abzuspielen, landeten wir in der „Eselsburg“. Eine kleine Weinstube mit einer seltsamen Sammlung von Gemälden und Zeichnungen an den Wänden. Manche davon so sündig, dass sie einem frommen Menschen die Schamesröte ins Gesicht treiben könnten – aber wo gibt es noch fromme Menschen?

Opa erzählte mal wieder aus seinen besten Jahren. Den Rock´n Roll, den er miterleben durfte. Zeiten der freien Liebe. Karriere als Musiker, Unternehmer als Tourmanager. Wie er meine Oma, Gott habe sie selig, beim öffentlichen Duschen nach einer Schlammschlacht auf einem illegalen Open-Air-Festival kennengelernt hatte.

„Eure Generation hat doch keinen Arsch mehr in der Hose. Ihr geht von der Schule in den Beruf. Erlebt Ihr was? Habt Ihr noch Eier in der Hose?“
Opa kam so richtig in Fahrt. Ich verzieh es ihm gerne. Klar war, er würde nicht mehr lange leben. Alle Diagnosen deuteten auf ein baldiges Ende hin. Lunge kaputt geraucht, Leber zerfressen, Kreislauf im Arsch nach einem Leben auf dem Rockersofa.
Trotzdem wirkte er glücklich. Geradezu zufrieden. So als hätte der Film im Kino Spaß gemacht und man könnte danach zufrieden nachhause gehen. Dabei war er arm wie eine Kirchenmaus, hatte kein Vermögen gebildet, seine geliebte Frau hatte sich einen wohlhabenden Mann gesucht und ihn sitzen lassen. Seine Geschwister lagen mit ihm in ständigem Streit, hatten es aber in den letzten Jahren aufgegeben, ihn noch irgendwie auf eine ruhige Bahn zu bekommen.

Und mein Vater?
Er wollte nichts von seinem Vater, meinem geliebten Opa, wissen. Zu groß waren die Verletzungen aus der Kinder- und Jugendzeit, die für meinen Vater nicht leicht waren. Ein Rocker als Vater, ein Hippie, ein schräger Typ. Nicht leicht in den spießigen Jahren der Ära Kohl. Fast zum Trotz wurde mein Vater der erfolgreiche Abteilungsleiter einer Bausparkasse. So weit man die absehbar planbaren Karriereschritte als Erfolg bezeichnen konnte.
Jedenfalls war meiner Mutter im gemeinsamen Leben neben mit meinem Vater unglaublich fade. Sie tröste sich mit Southern Comfort und vögelte den Sportlehrer meiner jüngeren Schwester.

„Junge“, gröhlte Opa. Nach drei Schoppen wurde er immer etwas lauter und unberechenbarer: „Es ist besser auszubrennen als zu verblassen ...“
Bei allen seinen Sprüchen wusste ich nie sicher, ob er etwas wirklich beobachtet hatte, ob es seine eigenen Gedanken waren, oder ob er irgendwelche Texte seiner Rock'n Roll-Helden zitierte.

„Bin ich glücklich oder in großer Not? Dieses Mädchen hat mich verzaubert!“
Schmunzelnd sah Opa der vollbusigen Bedienung hinterher, die ihm lächelnd seinen vierten Schoppen Wein gebracht hatte und mir eine weitere Weinschorle im Dubbeglas vor die Nase stellte.

„Bereust du eigentlich irgendwas in deinem Leben?“, fragte ich in einem ruhigen Moment, nachdem Opa damit aufgehört hatte, unschuldige Rentner, gekleidet in typisch graubrauner Scheintotenmontur, ob ihrer Langweiligkeit zu beschimpfen.
„Ja, mein Lieber. Ich bereue, nicht alle Chancen ergriffen zu haben, die sich mir boten. Ich wollte ein guter Vater sein und verpasste dafür ein paar gute Karrierechancen. Jedenfalls vielleicht. So genau weiß man das nie.“
Er starrte traurig in sein Glas:
„Gedankt hat es mir nie jemand. Sie nicht, er nicht, niemand. Aber Reue?“
Er zündete sich mit rasselndem Atem eine Zigarette an und pustete genüsslich den Rauch durch Mund und Nase aus seinem scheintoten Körper:
„Hätte, hätte, Fahrradkette!“
Ich nahm mir eine Zigarette aus seiner zerknitterten Packung und zündete sie mir an:
„Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt ...“, entgegnete ich.
Opa antwortete mit einem hustenden Lachen:
„Das wird schon, mein Kleiner. Das wird ...“

Zehn Tage später stand ich auf dem Friedhof. Ein wilde Gemeinde hatte sich zu seiner Beerdigung eingefunden. Typen mit langen, grauen Haaren. Frauen, die ich noch nie gesehen hatte und die den Eindruck der ewigen Tante machten, die selbst weder Ehemann noch Kinder hatten, aber gerne ihren Nichten und Neffen Flausen in den Kopf setzten. Mein Onkel hielt eine Rede, die haarscharf auf dem dünnen Drahtseil zwischen Gut und Böse balancierte.
Die Szene war mir irgendwie fremd. Tränen flossen erst, als ein Lied gespielt wurde. Mein Opa hatte eine Coverversion des Songs „One Of Us“ von Joan Osborne aufgenommen. Er hatte Recht damit. Vielleicht saß Gott einfach unter uns. Neben uns im Bus oder gegenüber im Speisesaal des Sanatoriums. Vielleicht stand er da hinten und war der Typ mit dem viel zu dicken Bauch unter der alten, abgewetzten Regenjacke. Ich sah eine Träne im Gesicht meines Vaters aufblitzen.
Im angrenzenden Wald bewegten sich ein paar dichte Büsche. Ich glaubte, leises Kichern zu hören und über dem Gebüsch die Spitzen von Federn zu erkennen. Am unteren Rand des dichten Grüns glänzte etwas, schwarz und glatt, fast wie die Spitzen schwerer Stiefel. Pollen flirrten wie goldener Staub im rötlichen Licht der herbstlichen Nachmittagssonne.

In einem Monat soll ich die Lehrstelle in der Bausparkasse antreten. Ich denke, ich werde meinen Vater enttäuschen und die alte Gitarre aus dem Keller holen. Die alte Fender Jaguar stand in der Ecke des Raums, in dem die Habseligkeiten meines Opas eingelagert wurden. Dort hing auch der Schlüssel des alten VW-LT-Wohnmobils, welches unter einer Plane in der alten Scheune schlummerte. Auf dem alten Marshall-Verstärker lag die verstaubte Landkarte der Karpaten, auf der mein Opa verschiedene Punkte markiert hatte.

Ich war neugierig darauf, was ich dort finden würde ...




Oh Mann, wieder mal direkt aus dem Leben gegriffen, vielen Dank für diese wunderbare Geschichte. Fare well, Opa, du hast alles richtig gemacht. Man muß es genießen, solange es dauert, oft ist es viel zu schnell vorbei ...
****59 Frau
3.101 Beiträge
Einfühlsame Geschichte über das Leben und seiner (nicht) - genutzten Chancen.
Klasse @*******tia *bravo*
*********ynter Frau
9.577 Beiträge
@*********rlan
Verwechslungsgefahr beim Bärlauch sammeln. Wobei durchaus mit Absicht. Toll geschrieben. Soviel zum Thema Bescheid wissen.

@*******blau
Was für ein Krimi! *top*

@*******tia
Herzerfrischend - der Hippie-Opa und stimmt nachdenklich.
*********ynter Frau
9.577 Beiträge
„Was? Du willst jetzt eine Spritztour machen? Bei dem Platzregen? Och nee, keine Lust. Außerdem werden wir doch ganz nass, wenn wir da rausgehen. Ich möchte lieber wissen, wer der Mörder in dem Krimi ist, außerdem habe ich mir gerade ein weiteres Glas Rotwein eingeschenkt und die halbe Käseplatte ist auch noch nicht aufgegessen. Das wird doch alles trocken.“ Maulte sie leicht weinselig, während sie in dem vergilbten Edgar Wallace-Roman blätterte.
Rausgehen – das bedeutete ja, sich etwas „Richtiges“ anziehen zu müssen, dabei waren die ausgeleierte Jogginghose, die so gern verrutschte, und das übergroße Schlabbershirt einfach zu bequem. Und wer brauchte schon einen kneifenden BH? Niemand. Freiheit für die Brüste! Dazu noch kämmen und schminken – sie schüttelte unwillig den Kopf. Heutzutage bretzelten sich jede und jeder ordentlich auf, wenn man das Haus verließ, selbst, wenn es nur für den Einkauf im Supermarkt war.

„Jetzt komm schon, das wird geil!“
Geradezu euphorisch zog er sie an ihrem Handgelenk von der Couch. Er war frisch rasiert und geduscht und dabei war noch nicht mal Samstag. Sie wurde misstrauisch, was hatte er nur vor? Er musste ja etwas Außergewöhnliches in Petto haben. Gut gelaunt in seiner Wolke aus holzig-erdigem Herrenduft mit einer Nuance Ingwer, trieb er sie mit einem Klaps auf ihre Kehrseite vor sich her ins Bad und sah sie – im Türrahmen stehend - mit diesem gewissen Blick an.

Na schön, er hatte gewonnen. Mit einem lauten Stöhnen begann sie mit den nötigen Restaurierungsarbeiten an ihrem Äußeren. Die Handgriffe fielen ihr schwer, weil nicht mehr gewohnt, doch mit der Zeit ging es immer besser. Sorgsam bog sie ihre schwarz getuschten Wimpern zurecht und schlüpfte als Letztes in ihre hohen Lackpumps. Ein wenig ungläubig betrachtete sie sich im Spiegel.
Gar nicht schlecht, Frau Specht. Murmelte sie und lächelte ihrem Spiegelbild zu. Richtig sexy fühlte sie sich in ihrem kleinen Schwarzen und den kunstvoll hochgesteckten Haaren. Selbst die Kreolen, die an ihren Ohrläppchen immer etwas schmerzten, hatte sie angelegt. Wenn schon Spritztour – dann aber richtig.
Was für ein himmelweiter Unterschied zu vorhin. Sie fühlte sich fast ein bisschen verrucht.

Als sie ins Wohnzimmer schwebte, um sich ihm zu zeigen, erklangen die ersten Takte eines Tangos. Unzählige Kerzen brannten und er bewegte sich elegant im Rhythmus des Liedes, mit einer langstieligen roten Rose zwischen seinen Lippen, auf sie zu. Wirklich großes Kino! Leibhaftiger Sex, wenn auch vertikaler.
Wann hatten sie den zuletzt gehabt? Sie war begeistert und merkte, wie sie nicht nur schwach in ihren Knien wurde. Er packte sie mit einer Bestimmtheit, an die sie sich kaum noch erinnern konnte. Dazu sein feuriger Blick, sie folgte ihm nur allzu willig und ihr Tanz begann.

„Was für eine wundervolle Spritztour, Darling, lass uns das bald wiederholen.“ Hauchte sie glückselig erschöpft und an ihn geschmiegt, in sein Ohr, im Chaos ihrer achtlos abgeworfenen Kleidung und dem überall verschmierten Lippenstift auf ihrer beider Haut. Die spritzige Nässe, die von ihren Körpern auf das Parkett tropfte, schien beide nicht zu stören und die Erkundungstour hatte sie in wechselnden Rollen über sämtliche Oberflächen ihrer Wohnung geführt. Bislang ungeahnte Möglichkeiten hatten sich dabei ergeben. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass der Esstisch auch für andere Aktivitäten mehr als geeignet war?
So geweitet, nicht nur in ihrem Horizont, träumten sie zur Melodie des klopfenden Dauerregens gegen das Fenster schon von ihrem nächsten Ausflug ins Reich der Lust.


*******tia Mann
5.094 Beiträge
Sehr schöne Geschichte, gut Idee, @*********ynter

Und True Lies - ich liebe diesen Film. Kann ich mir immer wieder anschauen. Ganze besonders auch diese Szene - Jamie Lee Curtis - Granate!


****59 Frau
3.101 Beiträge
Spitztour mal auf eine ganz andere Art...
Klasse geschrieben @*********ynter *top2*
*******ord Frau
800 Beiträge
Wunderbar!!! *zugabe* *zugabe* *zugabe*
Gefällt mir sehr, liebe @*********ynter
It´s me!
*********ld63 Frau
8.186 Beiträge
Ah, was für ein herrlicher Hippie-Opa, @*******tia!! *bravo* So einen hätte ich wirklich gern gehabt! *love2*

Und sie tanzten einen Tango *tanz* ... schöne Verwandlung in den eigenen vier Wänden, @*********ynter! *roseschenk* So lassen sich Regen und Kälte leicht wegträumen! *tanz2* Schön! *love4*
'Er packte sie mit einer Bestimmtheit, an die sie sich kaum noch erinnern konnte.' Ja, das würde so manchem Mann gut anstehen, sich wieder daran zu erinnern, warum er mit seiner Frau zusammen ist, statt sich einfach darauf zu verlassen, daß sie jeden Abend brav und ergeben neben ihm vor der Gehirnwaschmaschine hockt bis er steifgeschockt genug ist, sich mal wieder 'ne Runde über sie drüberzuwälzen.

Sehr fein geschrieben @*********ynter, du hast den Rhythmus im Schreibfinger! *boogie*
*******blau Mann
3.485 Beiträge
@*******tia

Der Leibhaftige Ozzy Osborne in deiner wunderbaren kleinen Geschichte! Ich habe ihn, dank dir, vor mir gesehen und die Feen in den Stiefeln auch!

"I saw it I saw it with my own two eyes...ALRIGHT NOW!"
*******tia Mann
5.094 Beiträge
@*******blau
Richtig, Textpassage erkannt. Tatsächlich kam mir die Idee zur Geschichte, nachdem ich die alte Scheibe mal wieder hörte.
@*********ld63
Der Rest ist ein bisschen Gedenken an zwei Kumpels, die jetzt den Himmel rocken ... oder die Hölle. Wie es ihnen gefällt.
*****ree Frau
21.440 Beiträge
@*********ynter und @*******tia zwei tolle Geschichten *hutab*

Ebenso die beiden mörderischen Geschichten von @*******blau und @*********rlan *bravo*
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
„B.O.C – der ganz normale Aberwitz“
Noch liegt zartschmelzende Dunkelheit über der tristen Straße. Nur ein früher Vogel ist schon wach. Notgedrungen muss man hier allerdings sagen, und nicht so ganz aus freiem Willen. Periodisch auftretende Schlaflosigkeit ist seit einigen Wochen der dreiste Mördervon Bertram Otto Clasens wohlverdienter, ungetrübter Nachtruhe. Ein respektloser Eingriff in die so streng strukturierten Tagesabläufe des pensionierten Baggerführers und ein Ärgernis sondergleichen. Dementsprechend hängt auch das morgendliche Gute Laune- Barometer im Keller. Der graugrüne Schlafkittel baumelt ziemlich unsortiert um unseren Helden herum.

Ein Platzregen ist in der Nacht über die Stadt gehuscht, hinterlässt feuchten, im Schein der Straßenlaternen glitzernden Asphalt. Knurrig und murrig öffnet Bertram Otto Clasen sein Wohnzimmerfenster und nimmt erwartungsvoll seinen altbewährten Beobachtungsplatz ein. Die gewohnten Gerätschaften wie Kladde, Bleistift, Radiergummi, Spitzer und BW-Feldstecher liegen in stummer Bereitschaft auf der breiten Fensterbank. Sorgsam prüft ein Blick aus müden Augen, ob irgendetwas verrutscht ist, aber die gewohnte akkurate Ordnung hat Bestand.

Leise vertraute Geräusche ertönen, als der erste Grand Marnier des Tages, ein wohlgefüllter Dreifacher, in den Lieblings - Schwenker schwappt. Die kleine Käseplatte und der Kanten Brot dient als stilvolle Ergänzung von Bertrams Frühstück. Quasi eine gute Geste an die Magenschleimhaut.

Aus der Wohnung seines Hass-Mitmieters und Lieblingsreizpfostens Rickmann dringt seichte Musik, irgendein dummdusseliges Schlagergesülze, und das am frühen Morgen. Fand doch dort letzte Nacht wieder ein geselliges Treiben des lüsternen Duetts statt. Die olle Steltzmann, hat sich wieder einmal als nuttige Übernachtungspartie eingenistet, um die unseligen Triebe ihrer immer noch andauernden vierunddreißigsten sexuellen Revolution ungehemmt auszuleben. Die hormongesteuerte Endsiebzigerin verzückt seit Monaten den Dauerblödel Rickmann mit verwelkten Reizen, faltigem Gammelfleisch und gebrauchten Dessous die wohl aus den Altkleiderspenden des hiesigen Rotlichtbezirks stammen. Somit wurde also die ohnehin spärliche Nachtruhe Bertram Otto Clasens auch noch durch lautes weinseliges Lustgestöhne beeinträchtigt. Ein Anlass um unverzüglich nochmal eine Marnierprobe einzunehmen.

Natürlich findet sich zu diesem horrenden Vorkommnis ein entsprechender Eintrag in B.O.Cs heiliger Kladde Nummer 38.

Wildes Gestöhne und Lustgeschrei aus Rickmanns Bumsbude, 23.11 – 02.41

Beim Lesen des Eintrages spürt B.O.C wie sich seine spröden Fußnägel zusammenrollen und als Soforthilfe wird der soeben verdunstete Dreistöckige eilends nachgeschenkt. Der fruchtige Likör wirkt sofort und verbreitet ein wohliges Gefühl in Bertrams Magengrube. Vorerst beruhigt lehnt sich B.O.C weit aus dem Fenster, späht nach rechts und nach links und in der Tat, die nächste Anekdote naht.

Leberecht Kraftschild schwankt die Straße daher, links und rechts eine Dame im Arm. Wohl Überbleibsel einer schwülstigen Nacht im hiesigen Swingerclub. Der forsche Lebemann wirkt leicht erschöpft und sein Schritt nicht ganz so energiegeladen wie an normalen Tagen. Das lustige Trio nutzt die letzten Schatten der weichenden Dunkelheit aus, um möglichst ungesehen zu bleiben. Im Namen aller frühmorgendlicher Moralapostel, der Ruf der Straße steht auf dem Spiel. Das streng katholische Gewissen klopft vorwurfsvoll mahnend … Bertram grinst schadenfroh und…Flaschenhals featured Glas Rand. Doch B.O.Cs Feldstecher ist da gnadenlos und enthüllt, was die Welt nicht sehen soll. Bertrams borstiger Oberlippenbart sträubt sich vor Empörung und ähnelt dem Anblick eines Wildschweins im Angriffsmodus.

Um allen möglichen Eventualitäten, wie Schockstarre z.B. vorzubeugen, sowie aus medizinischen Gründen, verordnet Bertram Otto Clasen sich eine umfassende alkoholische Sofortspende. Der Duft des Grand Marnier schwängert die Morgenluft und ein knochentrockener Hals erfährt ausgiebige Linderung. Natürlich wird auch dieses Highlight gebührend notiert. Auf unschuldig weißem Papier erscheinen frivole Mutmaßungen.

Großes Kino im Ringelpietz – Anfaß und Fummel Club, Der Stecher der Nation beackert diverse Lustgärten, Bambule beim Duschen im heißen Trio…

Auf die gelungene Formulierung gleich noch einen gut eingeschenkten Doppelten. Frisch gestärkt geht der Dienst an der Straßengemeinschaft weiter. Eintrag reiht sich an Eintrag.

Die Pastelkas beim Sturm auf die Aldi – Sonderangebote

Die dralle Blonde von schräg gegenüber beim Morgensport

Faraday Mac Cullen, der zwergwüchsige Schotte beim Dudelsack quälen

Toni, der arbeitslose Straßenmaler, welcher unsinnige Symbole auf den Bürgersteig kritzelt

Aberwitziges Rollatoren Rennen zwischen Hubschmidt und Gödelmeier


All diese hochwichtigen Beobachtungen werden gewissenhaft notiert und mit einem Grand Marnier Fleißkärtchen belohnt. Der Pegelstand der Marnierflasche nähert sich dem roten Bereich.

Die Mittagsstunde ist schon vorbei und so allmählich wird Bertrams Schrift leicht krakelig, anstrengende Arbeit erfordert halt ihren Tribut. Schnell noch die Einkaufsliste für Ali, den Kiosker zu Papier gebracht und dann selig erstmal gute Nacht!

Niemand der am Nachmittag und Abend Vorbeieilenden wundert sich sonderlich über die lauten Schnarch Geräusche, sie gehören letztendlich zum Alltag der Mietskaserne Moabit.

Kamasutra 07.05.2021
*******nd29 Mann
702 Beiträge
Heile Welt
„neulich war ich im Kino“, so hat es mir Jürgen von der Lippe erzählt. Sein Witz mit dem Fondue finde ich einfach nur köstlich. Ich würde mir ja lieber eine Käseplatte mitnehmen. Das Rätselraten, wer wohl der Mörder ist, geschieht momentan allerdings eher in weinseliger Einsamkeit beim Durchforsten der Mediathek. Kino geht ja nicht. Ich verlasse kaum die Bude, als wäre draußen nie endender Platzregen. Sorgsam Kontakte zu vermeiden vermindert selbst mein Bedürfnis zu Duschen. Meine komplette Welt ist irgendwie verrutscht. Es erscheint mir alles unwirklich. All die düsteren Science-Fiction-Szenarien, die mich durchaus fasziniert haben, sind in Teilen real geworden. Werden nach der Pandemie die Horror-Prognosen zu Überwachung und Klimakatastrophen wahr? Tatsächlich wird das eventuell eine Seite der Medaille sein. Die Pandemie haben wir bisher überlebt. Einer besser, der andere mit Schmerzen. Die Welt ist jedoch nicht untergegangen. Klar wünsche ich mir wieder „heile Welt“, aber die werde ich mir selbst schaffen müssen.
*******ord Frau
800 Beiträge
@*********2016 : Bertram der Blockwart aus Berlin... Klasse geschrieben. Sehr amüsant *smile*
*********ested Mann
429 Beiträge
Duschgeheimnis

Es war dieser kurze, weinselige Moment, in dem er den Auftrag übernahm, den er nie haben wollte. Doch manchmal, aber wirklich nur manchmal ist man machtlos. Der Alkohol, das wunderbar glitschige Gefühl von seifiger Haut die am Körper entlang gleitet, die heiße Wärme des prasselnden Wassers, diese Lippen die er immer wieder küssen wollte und ihr leises Flüstern an seinem Ohr.

Er hatte ja gesagt. Ja, ich bringe deinen Mann um. Und sie hatte gelächelt. Dieses bezaubernde, verlockende Lächeln und dann der Sex. Es war mehr als Sex gewesen. Es war eine orgiastische Nacht voll verschwommener Erinnerung und wilder Hingabe.

Jetzt genoss er das Prasseln des Wassers keineswegs. Er ärgerte sich und der Platzregen machte es keinesfalls besser. Aber das war unprofessionell. Genauso unprofessionell wie einen Auftrag beim Duschen anzunehmen. Keine Aufträge gegen Gefallen hatte er sich geschworen, So sorgsam hatte er das Geheimnis um seinen Job gehütet. Die Jobbezeichnung „bezahlter Mörder“ schreibt man auch nicht unbedingt in ein Linkedin Profil aber er hatte im Schlaf gesprochen. Anscheinend mehr als ihm lieb war. Und sie hatte es ausgenutzt. Sofort, eiskalt und doch glühend heiß.

Er blickte durch das Zielfernrohr. Bei diesem Regen würde niemand etwas bemerken, weil einfach niemand sich freiwillig auf die Straße begeben würde. Doch sie waren pünktlich. Um 17.15 Uhr öffnete sich die Stahltür des Hintereingangs und sie traten heraus. Er mit Schirm und sie in einem lila, transparenten Regenmantel. Sie zog die Kapuze über den Kopf und beide eilten zum Parkplatz.

Doch sie hielt sich ans Drehbuch, blieb unter der Laterne stehen und zog ihn herum. Eine Szene wie im Kino. Beide im Regen, beleuchtet vom Schein der Laterne. Sie schlug ihm den Regenschirm aus der Hand und schrie ihn offensichtlich an. Der Regisseur lächelte. Der perfekte Schuss, das perfekte Alibi.

Später, als er in seinem Hotelzimmer saß, fühlte er sich wieder äußerst wohl. Eine halbvolle Flasche 2016er Bricco dell'Uccellone Barbera d'Asti, eine gemischte Käseplatte mit seinen persönlichen Lieblingen und weitere 1,8 Mio Dollar auf seinem Schweizer Konto machten doch einiges wett. Ihr Mann hatte sich als äußerst professionell erwiesen und noch am Ort des Anschlags die Überweisung per Wegwurf-Handy getätigt. Bei dieser Summe verrutscht man doch gerne beim Zielen und hat eben keine unprofessionellen Deals am Hals.
*****ree Frau
21.440 Beiträge
@*********ested wie Geil ist das denn, *wow*
*******blau Mann
3.485 Beiträge
Guten Abend zusammen,

hier meine Acht:

Aufklärung
Bau
erkennen
gesprungen
gleich
Rock
Tenor
vorstellen
*********ested Mann
429 Beiträge
Kunst und Ambiente

Gedankenverloren betrachtete sie das Bild und die darauf abgebildeten Damen in ihren glänzenden Kleidern. So hatte Kunstkauf Stil. Nicht die nackte Leere moderner Galerien in der die einzelnen Gemälde „wirken“ konnten, sondern dichtgedrängte, opulente Fülle.

Sie liebte „Das Ladenschild“, das der Franzose Antoine Watteau für den Kunsthändler Gersaint gemalt hatte. Irgendwie war es witzig, dieser Aufbruch der Aufklärung weg vom „finsteren“ Mittelalter, hin zum „hellen“ Zeitalter der Neuzeit. Wie hatte Kant gesagt „habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ und es als Wahlspruch der Aufklärung bezeichnet. Und was folgt daraus in der Kunst? Ausgerechnet Rokoko. Schwülstig, verspielt und gar nicht so rational geprägt. Wie beschreibt es Michael Lausberg so schön „Die leuchtende zarte Farbigkeit seiner Bilder verschwimmt zu einem kostbar schimmernden Gesamtton, in dessen duftiger Atmosphäre sich die heiter beschwingten Figuren in schwereloser Eleganz bewegen.“ Hah, genau das war es, eine duftige Atmosphäre, die wahrscheinlich duftmässig eher anstrengend gewesen war.

Sie lächelte und strich sich mit einer unbewussten Geste ihren Rock glatt. Kunsthandel war auch ihr Metier. Vielleicht nicht ganz so offiziell, mit Laden und Visitenkarte, doch sehr effektiv. Den Wünschen ihrer Kunden war sie bis jetzt immer nachgekommen.

Jetzt stand sie vor diesem Gemälde. Sie mochte es, wenn sie einen Bezug zu ihren Waren hatte. Praktischerweise bestand das Gemälde aus zwei senkrecht geteilten Hälften. Mit über drei Meter war es nicht besonders handlich, aber der Kunde hatte den Rahmen ja nicht mitbestellt.

Irgendwie war es schade. Hier im Konzertzimmer des Schlosses Charlottenburg wirkte es gut aufgehoben. Das Parkett, der Stuck, die Kronleuchter und hohen Decken waren ein würdiges Ambiente für das Bild. Der ganze Bau atmete im richtigen Rhythmus. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Auftraggeber es ebenso würdigen würde.

Er war selber Künstler, genauer gesagt Tenor, aber eben doch ein gieriges Kind unserer Zeit. Ich will es, ich kann es und ich bekomme es. Das hatte er nicht nur gedacht, sondern auch gesagt. Zu ihr persönlich, als sie sich das erste Mal trafen. Natürlich hatte er nicht sie getroffen, sondern ihr alter Ego, die Vermittlerin in Kunstfragen - Margaux Giscours. Distinguiert, grauhhaarig, unscheinbar und ganz und gar nicht der Stil den sie sonst so pflegte.

Manch Leser mag sich an dieser Stelle als Weinkenner outen, aber es fällt den meisten nicht auf. Das Chateau Giscours ist eines der bekanntesten Weingüter von Bordeaux. Wie der Zufall es so will, liegt es im Weinbaugebiet Margaux – et voilà – seit sie das wusste gab sich Madame Giscours die Ehre, denn irgendwie hatte sie gedacht Grand Cru Classé würde auch zu ihr passen. Der Wein tat es auf jeden Fall und durch ihren lukrativen Job war sie auch Besitzerin einiger ausgewählten Flaschen und eines vierhundert Quadratmeter großen Weinkellers. Man glaubt gar nicht welche Gewölbe sich unter Berlin befinden. Besser gesagt unter ihrem Altbau.

So gesehen war dieser Job so etwas wie Heimarbeit und sie hatte sich diesmal auch eine Lieferzeit von zwölf Monaten ausbedungen. Was, Corona sei dank, auch zu keinerlei Diskussionen geführt hatte. Dieser ganze Deal hatte sich wunderbar in ihre Pläne gefügt. Er war sofort angesprungen, als er ihr Angebot gehört hatte, denn vor diesem Watteau war er bereits persönlich gestanden. Es war ihm gleich wie lange es dauern würde. Und sie hatte die Zeit genützt.

Und darum lächelte sie erneut als das Licht der Morgensonne, das durch die bodentiefen Fenster fiel, das Kunstwerk mit einem Schlaglicht bedachte. Alles war perfekt. Nun sagen wir fast. Die Leinwand war alt, die Farben nicht. Die waren, ebenso wie der Firnis, nur künstlich gealtert.

Sie rollte die beiden Originale zusammen und räumte das Werkzeug ein. Die Besucher würden sich, wann auch immer sie wieder diese Räume besuchen würden, auch weiterhin des Bildes erfreuen. Es war ihr Meisterwerk. Empfehlen kann man einen lupengestärkten Blick auf die Schmuckschatulle, rechts auf dem Tisch. Künstler signieren ihr Werk und sie hatte sich das auch nicht verkneifen können. Genau sowenig wie sie sich verkneifen konnte ein wenig zu pfeifen, als sie an diesem strahlenden Morgen durch die leeren Räume des Schlosses wanderte.

So viel Platz hatte schon was dachte sie als sie das Schloss durch eine Tür im Seitenflügel verließ, die Rolle mit dem Original über den Rücken schnallte und gemütlich durch den Schlosspark schlenderte. Die Luft war herrlich und das kleine Programm, das sie in die Überwachungsserver geladen hatte, bestätigte die Kopie des Überwachungsvideos vom Vortag. Keine Spuren, keine Aufnahmen und eine wieder funktionierende Alarmanlage die ihr Bild sicherte. Das stimmte sie fröhlich. So konnte ein Dienstag beginnen und vielleicht auch mit einer Portion Eggs Benedict auf ihrer Dachterrasse? Mal sehen, worauf sie Lust hatte? Appetit hatte sie auf jeden Fall.
*********ynter Frau
9.577 Beiträge
"Mal sehen, worauf sie Lust hatte."

Nur aufs Essen? Auf jeden Fall - sinnlich.
*********ynter Frau
9.577 Beiträge
„Unglaublich – was für ein geiler Vorbau!“ Die Blicke der beiden Männer wurden glasig vor Begeisterung.

„Respekt - der muss ja ein ordentliches Gewicht haben.“ Stellten sie anerkennend fest und ließen ihre Finger zärtlich darüberstreichen. Das Objekt ihrer Begierde lehnte derweil an der Wand, still und unbeweglich, gleich dem berühmten Männlein im Walde.

„Hat dein Rohr auch die erforderliche Mindestlänge für…?“, fragte sein Kumpel mit einem Zwinkern, „du weißt schon – wegen des Hineinschiebens in...“

„Sag mal – geht`s noch?“ Unterbrach ihn sein Freund mit einem Grinsen und verdrehte die Augen.
„Was denkst du denn? Natürlich lang genug, sogar mit einer tätowierten Markierung an der entscheidenden Stelle, vollständig versenkbar. Da siehst du nix mehr von, wenn er drinnen steckt. Magst zusehen, wenn du es nicht glaubst?“

Sein Freund nickte enthusiastisch und lachte.
„Ja klar will ich zusehen, die Show lass` ich mir doch nicht entgehen, vielleicht gehe ich euch beiden ein bisschen zur Hand, wenn`s recht ist.“
Er blickte erfreut in Richtung des wartenden Objekts, es juckte ihn schon in den Fingern, und zurück zu seinem Freund. In jovialem Ton sprach weiter: „Ich dachte ja nur fürsorglich, quasi auch als Aufklärung. Schließlich bist du ja in diesen Dingen noch gänzlich unerfahren, also sozusagen jungfräulich. Ich erinnere mich noch gut als ich seinerzeit ins kalte Wasser gesprungen bin. Mir hat keiner einen guten Rat erteilt, wie ich ihn am besten reinstecke. Ich war völlig unbeleckt. Keine Ahnung von der richtigen Technik. Der Tenor ist, es braucht ein bisschen Übung, damit es richtig gut wird. Ein gefühlvolles Händchen dafür, Geduld, und alles muss gut geschmiert sein. Das ist das wichtigste, sonst bohrst du dir einen Wolf. Und du willst doch auch, dass es hält. Aber jetzt genug vom Rockzipfeln. Lass uns endlich anfangen, ich bin total heiß drauf.“

„Ich habe keine Ahnung, welche lüsterne Fantasie du dir gerade vorstellst, mein Freund, klingt lustvoll, wenn es sich um Sex handeln würde - und nicht um mein Fahrrad."


Vorbauten bzw. Lenkerschäfte haben zumeist eine konstruktionsbedingte Mindestlänge, die auf dem Rohr markiert ist und bis zu der sie in den Gabelschaft geschoben werden müssen. Diese Markierung auf dem Rohr darf nur bei ausgebautem Lenkervorbau zu sehen sein, andernfalls ist der Lenkerschaft des Vorbaus zu kurz geklemmt. Es besteht dann die Gefahr, dass die Hebelkräfte das Material des Rohres überlasten. Auf Dauer kann es zum Ermüdungsbruch kommen – mit dem Risiko eines schweren Sturzes.Quelle:Wikipedia
@*********ested
Deine Story erinnert mich an den skandinavischen Film "Headhunters" *wow*

@*********ynter
Das richtige, fachgerechte Einführen ist immer extrem wichtig! *ja* *ggg*
*********trone Frau
901 Beiträge
Nur keine Angst
Mit dem Heft in der Hand, die ihr fast abfriert, steht sie nun an einem diesigen herbstlichen Nachmittag am Moosacher Bahnhof. Die Titelseite gut sichtbar nach vorne gerichtet. Ihr ist kalt und die Kälte um sie herum lässt sie noch mehr erschaudern.

Umzingelt von Brüdern und Schwestern, die Aufklärung geben über die Wahrheit und nicht als die Wahrheit. Sie vernimmt aus deren Geplapper über Kuchenrezepte, Krankheiten oder Haushaltsgeräte doch nur diesen einen Tenor – bald sind wir alle im Paradies und uns wird es an nichts fehlen.

In was für eine Welt ist sie da hineingeraten?

Sie blinzelt in den wolkenverhangenen Himmel und ein leichter Nebel von Sprühreigen benetzt ihre Wangen. Alle zehn Minuten wird das Stimmengewirr auf der Straße unterbrochen, vom pfeifendem Geräusch der S-Bahn.

In Gedanken ist sie schon lange in die S1 Richtung Flughafen gesprungen. Gleich würde sie in ein Flugzeug steigen und alles hinter sich lassen. Niemand würde sie finden. Zunächst. Bald würde es sich herumsprechen und da ihre Brüder und Schwestern global vernetzt sind, wäre ein „Hirtenbesuch“ sogar im Bau einer Lehmhütte im tiefsten Kongo denkbar.

Schnell schüttelt sie diese Gedanken wieder ab. Stumm richtet sie ihren Blick auf ihr Handy. Noch etwa zwei Stunden, dann hat sie es geschafft. Nur keine Angst. Diesen Satz denkt sie sich neunmal hintereinander. Neun ist ihre magische Zahl. Es gibt ihre Sicherheit. Nur keine Angst. Beinahe spricht sie sogar diesen Satz, als sie anfängt zu zittern. Nur keine Angst. Ein neuntes Mal. Sie zählt nun doch die parkenden Autos, solange bis das Zittern wieder abklingt.

Von allen Pflichten, die sie zu erfüllen hat, ist ihr dieses Herumstehen immer am liebsten gewesen. Nicht weil sie es gerne tut, sondern weil sie hier mehr Ignoranz als Verachtung spürt.
In den Predigtdienst zu gehen, bei welchem man ihr jedes Mal die Tür vor der Nase zu knallt, versucht sie so gut es eben geht zu umschiffen.
Nur stumm dastehen, gekleidet in einer Bluse und einem knielangen Rock. Ein Rollkoffer voller heiligen Schriften, ein Regenschirm und ein Aufsteller. Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit.

Sie ist in diese Welt hineingeboren, doch irgendwann konnte sie erkennen, dass gefangen ist in einem System, dass sich kein normaler Mensch vorstellen kann. Wie kann das funktionieren? Sie kann es sich nicht erklären. Denken über den Tellerrand hat sie nicht gelernt. Wurde ihr nicht gestattet. Nun ist sie zwanzig, ihre Lehre als Einzelhandelskauffrau ist abgeschlossen und sie hat noch das ganz Leben vor sich.

Darum hält ihr Rollkoffer heute noch etwas anderes bereit. Versteckt hinter einer doppelten Wand unter all den Zeitungen, die sie unterwegs „verlieren“ wird: Deo, Gesichtscreme, Zahnbürste, Jeans, Sneaker, Kopfhörer, Ladekabel, Pulli, Unterwäsche und Socken, ausreichend für zwei bis drei Tage. Ein Flugticket nach Köln, gut verstaut und ein paar frische Brezeln für Marlies.

19.15 Abflug München und 20.20 Landung Köln. Sie wird es locker schaffen, da ist sie sich sicher. Nur keine Angst.

Mut zahlt sich immer aus. Köln hält für sie ein WG-Zimmer bereit. Ihre beste Freundin wird sie abholen.
Der Himmel reißt auf und warme Sonnenstrahlen treffen sie durch den kalten Wind.
*****e_M Frau
8.386 Beiträge
@*********trone

Danke ganz besonders für diese Geschichte…
Atmosphärisch dicht und sehr realistisch schilderst Du diesen Moment des letzten Schrittes eines Sektenausstieges.

Kompliment!
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