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Hurenpass und Bockschein

**********gosto Frau
16.053 Beiträge
Immer wieder ...
... bewundere ich deine Fähigkeit, verschiedene Beiträge gedanklich zusammenzuführen und ein Resümee zu ziehen, liebe anima_nyx!

Auch wenn ich mich nicht getraue, angesichts der wortgewaltigen Diskussionsteilnehmer selbst etwas zum Thema beizutragen, lese ich fasziniert mit.

erklärt

Luccio *roseschenk*
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Themenersteller 
Dankeschön! *rotwerd*

Bitte! *bravo* Trau' Dich unbedingt weiter, luccioladagosto *herz*, immer!
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
Das älteste Gewerbe der Welt hat schon immer und wird auch immer faszinieren, zu Diskussionen anregen und unterschiedliche Ansichten aufeinander prallen lassen.
****orn Mann
11.994 Beiträge
Tatsächlich
bedeutet unter anderem diese Diskussion für mich eines: Nämlich bei der Bundestagswahl in zwei Wochen mir sehr genau zu überlegen, wen und was ich wählen gehe.
Seit fast einem halben Jahr nun schon wird auch in der Tantragruppe des *joyclub* heftig debattiert, weil das neue "Hurengesetz" all die achtsamen und sinnlichen Tantramasseurinnen und -masseure plötzlich zu eben solchen stigmatisiert hat. Zu Prostituierten. Tantra: Erfahrung mit und in Seminaren Es lohnt sich, dort einmal hinein zu schauen. *ja*

******nyx:
Denke auch, dass es nicht vermessen ist anzunehmen, dass sie, zumindest in der Tendenz, auch auf alle Geschlechter übertragbar sind.

Auf alle Geschlechter? Wie viele gibt es denn?
*huch*
Na ja, kleiner Scherz am Rande *huhn* ich habe es eher so gesehen, dass die von anima_nyx zitierten Japanerinnen, die sich in ihrer Not in Clubs an Call Boys wenden in kleinen Frauengrüppchen, dies in der Realität eher sehr verschämt und ständig kichernd, mit einer Hand vor dem Mund, unternehmen, als tatsächlich sich die bereitgestellten, fleischlichen, harten, männchlichen Angebote einzuverleiben. in diesem Punkt sehe ich zumindest einen deutlichen Unterschied zu der beschriebenen Barlinausgabe und dem Deutschen ProstitutiertenSchutzGesetz, dass Hierzulande die Liberalisierung im Rückzug ist, während in Japan es eher dem sozialen Druck und den immensen Arbeitsleistungen geschuldet ist, dass immer weniger gevögelt wird.
*******use Mann
3.197 Beiträge
Eine gelungene Gratwanderung
Die Verknüpfung einer phantasievollen Geschichte mit einem
Sachthema ist eine solche- nicht nur für AutorInnen, sondern auch
für mich als Leser.
Eine gute Geschichte erzeugt Bilder im Kopf, ungewöhnliche Wort-
kombinationen erzeugen ein Lächeln und bleiben im Kopf.
Die beste Sprache einen Sachverhalt darzustellen, findet sich in
der Naturwissenschaft- kurz, klar, präzise- unmißverständlich
(populärwissenschaftliche Abhandlungen müssen zusätzlich auch
noch einem möglichst großen Leserkreis verständlich sein).
Möglicherweise ist die Ausgewogenheit noch schwieriger- ein zuviel
an bei der Geschichte kann leicht den Sachverhalt in den Hintergrund drängen.
Einen Sachverhalt mit einer Geschichte zu verdeutlichen ist für mich also
wirklich "Hohe Schule".

Der Blickwinkel aus Japan war für mich besonders interessant. Er beleuchtet
das Thema im Allgemeinen zusätzlich, bringt im Speziellen aber nichts
Erhellendes zusätzlich (Gesetzgebung in D). Ich bin da also gespalten.
Ich mag als Deutscher bei den Zahlen auch nicht frohlocken, dass es bei
uns (signifikant) besser sei:
Einerseits gibt es augenfällige kulturelle Unterschiede (So ist mir von einem
boomenden Singlehochzeitsservice in Japan noch nichts Vergleichbares in
Europa bekannt.) Andererseits gibt es auch erschreckende Parallelen:
Bei der Überalterung der Gesellschaft ist Japan nur einen Schritt weiter
und in der Bürokratie- man glaubt es kaum- schlagen sie selbst uns noch.
Wie häufig deutsche Paare, von denen ich hier im Forum las, sind, die
schon 10 Jahre und länger keinen Sex mehr miteinander hatten, vermag ich
natürlich nicht zu sagen.

Der Blickwinkel aus Berlin hat mir besonders gefallen- als Geschichte
(Ich hätte gern gewußt, wie es weiter geht.), aber auch zur Sache.
Wer würde auf die Idee kommen, dass diese Dame ein Opfer ist?
Auch der Freier wurde nicht stereotyp als gefühlloser Klotz, sondern als
(normales) fühlendes Wesen dargestellt.

Prostitution

Hier wird die Doppelmoral besonders deutlich. Warum sollten ausgerechnet
hier moralische Maßstäber erfüllt werden, die auch in (ganz) anderen
Bereichen keine Rolle zu spielen scheinen?
Und vielleicht ist es ja ein natürliches Verhalten, gern mit dem Finger auf
andere zu zeigen, um von eigenen Schwächen abzulenken?
Komisch auch: Es kommt zu millionenfachen Geschäftsabschlüssen jede
Woche, wo es doch hierzulande kaum Kunden gibt... *zwinker*
Aber ich will noch zwei Aspekte hinzufügen:

1. Prostitution wurde schon in der Tierwelt beobachtet und dokumentiert (1).
Das legt einen ganz anderen "Tatverdacht" nahe:
Prostitution gab es schon, bevor unbehaarte Affen sich dafür eine Bezeichnung
erdachten, ist also natürliches Verhalten einiger Arten.

2. In der DDR war Prostitution (wie auch Pornografie) verboten. Dies wurde als
Unterdrückung der Frau gesehen und die Gleichberechtigung der Geschlechter
war Staatsdoktrin.
Dennoch existierte Prostitution dort, wo ausreichend geeignete Kunden vorhanden
waren , Männer mit ausreichend Devisen. Einen wirtschaftlichen Druck, sich zu
prostituieren gab es angesichts der niedrigen Lebenshaltungskosten nicht.
Organisiertes Verbrechen und illegale Drogen spielten wegen der Mauer keine
Rolle. Warum also taten dies Frauen (ob auch Männer, ist mir nicht bekannt)?

Schafft unsere Gesellschaft es, die Stigmatisierung der ProtagonistInnen abzuschaffen,
ist auch Anonymität kein Thema mehr (wie zB im Griechenland der Antike).
Es gibt übrigens auch Untersuchungen darüber, dass immer mehr Studentinnen
auf diese Weise ihr Studium finanzieren.

Da ich vermutlich schon die kritische Beitragslänge überschritten habe (sorry)
breche ich hier ab.

(1) Pinguine, die in einer kargen Felslandschaft brüten, bauen hier ihre Nester mit
kleinen Steinchen, die entsprechend begehrt sind. Da schaut sich dann die
Pinguindame bei den Herren der Nachbarschaft um, ob diese nicht einen übrig
haben- und bedankt sich dann mit schnellem Sex (ohne jede Balz).
Überhaupt scheinen die Vögel als Namensgeber für unser liebstes Hobby nicht
zufällig gewählt (lebenslange Treue, manchmal sogar darüber hinaus, ist
ausgesprochen selten, zB, bei einigen Großpapageien), denn es geht hier
sehr "locker" zu. *g*
*****169 Frau
6.122 Beiträge
Chapeau !!!
*hutab* *hutab* *hutab*
und beginne erstmal mit einem Zitat
Luccio
Immer wieder ...
... bewundere ich deine Fähigkeit, verschiedene Beiträge gedanklich zusammenzuführen und ein Resümee zu ziehen, liebe anima_nyx!
Auch wenn ich mich nicht getraue, angesichts der wortgewaltigen Diskussionsteilnehmer selbst etwas zum Thema beizutragen, lese ich fasziniert mit.

*hi5* so auch mein Empfinden ich, möchte aber trotzdem mein zweites kleines Tübchen *senf* in die Diskussion einbringen *tuete*

Integration, Akzeptanz und Sonstiges

Wir haben ein allgemeines Arbeitsschutzgesetz, in dem nahezu alles geregelt ist. Mir ist deswegen absolut unklar, warum ein eigenes Gesetz für die Regelung von sexuellen Handlungen gegen Entgelt etabliert werden musste, denn eigentlich ist jede Form von Arbeit in den bestehenden Gesetzen beschrieben.
 http://www.bmas.de/DE/Themen … rklaerung-arbeitsschutz.html
Eine Hierarchie Stufe darunter gibt es die Verordnungen und Anwendungen
 http://www.bmas.de/DE/Themen … 67AE0057704CF0E89DCCF9E58E84
Anbei ein kleiner Auszug:
Die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten in Arbeitsstätten wird in der Verordnung über Arbeitsstätten geregelt.
Praktische Hilfen zur Anwendung der ArbStättV

Für die betriebliche Praxis werden die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung, für die es weiteren Erläuterungsbedarf gibt, durch Regeln für Arbeitsstätten (Arbeitsstättenregeln - ASR) auf untergesetzlicher Ebene konkretisiert. 
...
Eine Erweiterung der Anhänge wäre also völlig ausreichend, falls wirklich ein Aspekt nicht abgebildet ist.
Die Schaffung eines eigenen Gesetzes ist demzufolge eher dem Spiegelbild der gesellschaftlichen Akzeptanz des Berufes / dieser Arbeit geschuldet.

Aber wie ist das Wort 'Prostitution' denn eigentlich definiert:
Definition nach Wiki:
Prostitution (von lateinisch prostituere „nach vorn/zur Schau stellen, preisgeben“) bezeichnet die Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt.

Ok, halten wir die zwei Begriffe fest ... sexuelle Hand-lung und Entgelt ... über den Zeitraum, wann was zu erfolgen hat, steht dabei nichts *oha*

Bei der Definition über die Fokussierung auf die 'reine Be-hand-lung' der Geschlechtsteile als sexuelle Handlung gehören z. Bsp. klassische Tantra-Massagen (sie sind ganz-körperlich!) nicht dazu. Spannend die Frage, wo der Gynäkologe, der Sexualtherapeut, der Sexualassistent etc. einzuordnen ist.
Und eine Tabledance-Bar z. Bsp. ist damit auch aussen vor, bedient sie doch in Form des erotischen Tanzes primär das Kopfkino.

Tanz, allein die Definition erotischer Tanz, ist stark von der gesellschaftlichen Akzeptanz abhängig, man sieht es am Beispiel des Wiener Walzers.
http://www.tanzen-magazin.de … zum-standardtanz-avancierte/

Und im Schwung des Wiener Walzers landen meine Gedanken ganz klassisch beim Debütanten-Ball als absolutes High-Class-Event up-to-now.
Wie stolz sind doch die Eltern, wenn sie in diesem Rahmen ihre Zöglinge in die erlauchte Gesellschaft einführen dürfen, damit Zutritt erlangen zu den erlesensten Kreisen.
Aber mal ehrlich, was ist dies anderes als eine Zur-Schau-Stellung?
Sexuelle Handlungen und Entgelt - mais naturellement, spätestens mit der sorgfältig ausgesuchten Eheschließung.
Vor gar nicht allzulanger Zeit musste als Beweis für Jungfräulichkeit und Vollzug der sexuellen Handlung ein Laken vorgezeigt werden.
Die Bezahlung - das Schachern um die berühmten Kamele, qm Land, Eigentum welcher Art auch immer - erhielten seltenst die Akteure (Betroffenen) direkt, sondern wurde ins Familien-Eigentum integriert.

Und mit diesem für mich *tuete* naheliegenden, wenn auch provokanten Vergleich der verschiedenen Arten der Prostitution steckt man in der Debatte von körperlichen, sexuellen und/oder erotischen Dienstleistungen jeglicher Art und wann, in welcher Form sie gesellschaftlich erlaubt, erwünscht und/oder tabu sind.

In dem Film 'Pretty Woman' wurde dieses Thema schon 1990 auf sehr anschauliche Weise dargestellt.
Der Geschäftsmann E. Lewis engagiert die Prostituierte V. Wards nicht nur als Profi-Begleitung für gesellschaftliche Events *floet*

Letztendlich ist es aber doch wohl so, dass, wie Essen und Trinken, körperliches Wohlbefinden, menschliche Nähe, Geborgenheit, Erotik, Sex etc. ... elementare Grundbedürfnisse sind.
Hat Frau/Mann vor allem bzgl. letzterem ein Defizit oder ein Problem, kommt dies gesellschaftlich einem Armutszeugnis gleich, einem persönlichen Versagen in der ach so perfekten, leistungsorientierten Welt.

In meinen Augen nach wie vor ein trauriges Spiegelbild und Armutszeugnis unserer Gesellschaft.

Somit kaum verwunderlich, dass es nur wenige aussagekräftige Daten und Studien gibt.

Hab ich mich nun arg verzettelt? *gruebel*
das Thema ist aber auch zu vielfältig ...
****ha Frau
6.274 Beiträge
Lucy: *bravo*
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
Lucy
Einfach *spitze*
****orn Mann
11.994 Beiträge
Lucy
Was für ein hammer-toller Beitrag!

*spitze*

Weit mehr als nur ein Tübchen *senf*
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Themenersteller 
Prostitution – Ein Eiertanz der Moral
Tanzfächer spreiz’ ...

*bravo* Ihr seid so klasse, luccioladagosto Kamasutra2016 Walhorn Hugh_House Lucy7169 ... Ihr alle!

Danke Euch.

Drehen wir also eine Runde auf die Selbstbestimmung und die Moral. Und darauf, dass Ihr wiederum derart bedeutsame Aspekte mit ordentlich Schwung aufs Parkett und uns vor die Füße legt.

*walk*

Vor, zurück, Wiegeschritt.
Eins-zwei vor und zurück ... Drehung!
Ausfallschritt. Vor, zurück ...



Was für ein Eiertanz! Immer noch, beziehungsweise eben aktuell wieder, denn nun werden auch bisher verschonte berufliche Existenzen im weitesten Umfeld der Sexarbeit vernichtet. (Danke Walhorn für den Link zur Debatte der Tantragruppe im JOY). Erschütternd zu lesen, dass viele unter dem Zwang, sich nun als Prostitutionsbetrieb eintragen und genehmigen lassen zu müssen, tatsächlich aufgeben wollen. Die überwiegende Mehrheit sagt, dass sie unter diesen „neuen” Bedingungen ihre Tantramassagen einstellen und ihr Studio – das mitunter auch noch in einem ausgewiesenen Sperrbezirk liegt – kündigen müssen.

Aber zunächst bleibe ich im Bild der uns so elegant wie faktengewaltig von Lucy7169 hingezauberten Tanzmetapher inklusive des Tanzes der vervögelten Truppe der Pinguine oder der fickbunten Makaken-Affen ,-). Das „Tierische” lasse ich zwar mutwillig mit Hugh_Houses viehisch guten Bildern so stehen, auch wenn es noch so reizvoll ist und als grundlegendes Faktum „saumäßig” interessant. Ganz abgesehen von den pfauenradschlagend genialen erotischen Bildern, die das Thema erlauben würde *anmach* und der Tatsache, dass es mir schon einiges an Beherrschung abnötigt, den „Balztanz” im Tierreich nicht auch meinerseits zu verfolgen. (Beschränke mich aus Gründen der notorisch drohenden Überlänge auf die Perspektive der menschlichen Spezies).


Die sexuelle Handlung

Um diesen Begriff kommen wir nicht herum, da er in Lucys Stellungnahme und in der aktuellen Gesetzesänderung eine ganz zentrale Rolle spielt.

Die „sexuelle Handlung”* ersetzt seit der Reform des Sexualstrafrechts in den 70ern den Begriff der „nicht wertneutralen” (echt jetzt? ,-) „Unzucht” und bezeichnet eine Handlung dann als sexuell, wenn sie unmittelbar das Geschlechtliche im Menschen betrifft.

Eine „sexuelle Handlung” liegt dann vor, wenn das äußere Erscheinungsbild des Vorgangs den sexuellen Charakter erkennen lässt.

(Da fallen einem sofort Aktivitäten wie Gogo- und Tabledance ein ...). Weiter wird definiert, dass sexuelle Handlungen auch solche sein können, die ohne jede sexuelle Absicht vorgenommen werden, um zum Beispiel das Opfer zu demütigen. Handlungen, die dem äußeren Erscheinungsbild nach einen Sexualbezug haben können, diesen aber konkret nicht haben, wie etwa gynäkologische Untersuchungen, sind dieser Definition nach keine sexuellen Handlungen, sie können jedoch den Charakter einer solchen annehmen.

Weiter wurde festgelegt, dass nur solche Handlungen als sexuelle gelten, die in Bezug auf das geschützte Rechtsgut „von einiger Erheblichkeit” sind. Diese Grenze müsse im Einzelfall von den Gerichten bestimmt werden, werde aber bei Handlungen mit Körperkontakt zumeist erreicht.

Damit wird klar, welche Auslegungsspielräume sich hier auftun. Und es wird auch klar, dass diese unscharfe Definition zum Einfallstor für eine Aushöhlung der sexuellen Freizügigkeit werden kann.

Graben wir also außer dieser nicht zweifelsfrei gefassten Definition die ebenfalls nicht im geringsten ausgeschlossene moralische Komponente ein wenig weiter aus:


Sexuelle Selbstbestimmung versus „Unzucht”

Wieso schaffen wir es nicht, endlich eine akzeptable Haltung ohne erhobenen moralischen Zeigefinger zu etwas einzunehmen, das jeder Mensch macht? Nämlich den Geist wie den Körper zum eigenen Vorteil einzusetzen.

Sich berühren, küssen, Lust haben, Liebe machen/geben/haben/spüren wollen, Vögeln, Ficken in jeder menschlich erdenklichen Form – die ohnehin existieren, ob nun gesellschaftlich akzeptiert oder nicht! Wieso schaffen wir lediglich Unfaires, doppelmoralisch Belastetes? Regulieren, steuern mal etwas liberaler, mal wieder einschränkender oder gar massiv und ersinnen nur wahlweise mildere oder lebensbedrohend restriktive Maßnahmen, wie in fast allen Gesellschaft(en) durch alle Zeiten?

Lucy7169 und Hugh_House, Ihr sprecht den Eiertanz der Doppelmoral beide vielfältig an und bringt ihn mit Verve auf den Punkt, das steht für sich. (Verzichte daher weitgehend aufs direkte Zitieren, fasse nur ein wenig zusammen und versuche, Eure Gedanken mit dem Rahmen dessen, was wir als „rechtens” verhandeln zu flankieren).

Auch den Sinn und Zweck der Episoden aus der japanischen Gesellschaft hänge ich bewusst (noch) aus. Sie stellen eine Projektion dar, was im Verhältnis der Geschlechter in naher Zukunft auch auf uns zukommen könnte. (Sorry Hugh_House, Walhorn, die Ihr das explizit ansprecht, ebenso wie einige von Euch davor; das sprengte jetzt den Rahmen. Ebenso wiederum die formale und ästhetische Frage. (Wir können ja weiterhin ... *mrgreen* und darauf zurückkommen ,-).

Der Tanz, das moralische Lavieren, lässt Euch nicht los. Und mich auch nicht. Schiele schon ein wenig in die Vergangenheit – oder viel härter – dorthin, wo sie noch immer herrscht: Die „Unzucht”.

Unzucht bezeichnet ein Sexualverhalten, das gegen das empfundene oder vorgegebene allgemeine Sittlichkeits- und Schamgefühl in einem kulturellen oder religiösen Umfeld verstößt.

In den islamischen Staaten wird „Unzucht” knallhart bestraft. In Gebieten mit islamischer Rechtsordnung, der Schari'a, stehen Ehebruch, außerehelicher Geschlechtsverkehr und Homosexualität als Unzucht nach wie vor unter Todesstrafe. In Saudi-Arabien, dem Sudan, dem Iran, dem Norden Nigerias oder dem Jemen droht noch immer, jetzt, 2017, die „Steinigung” für zum Beispiel Ehebruch oder Analverkehr.

Selbst in der Bundesrepublik Deutschland wird erst 1973 das „Recht auf sexuelle Selbstbestimmung” in der Großen Strafrechtsreform verankert:

Jeder hat das Recht, über seine Sexualität frei zu bestimmen.

Damit einher ging die Entkriminalisierung der Homosexualität und des vor- und außerehelichen Geschlechtsverkehrs. Außerdem wird in entscheidenden darauffolgenden Gesetzesänderungen Ende der 70er-Jahre auch die Vergewaltigung in der Ehe als strafbare Handlung angesehen.

Unser Recht auf sexuelle Selbstbestimmung umfasst zudem den Schutz vor Sexualdelikten und Übergriffen verbaler, nonverbaler und körperlicher Art. Es beinhaltet sowohl die Freiheit der sexuellen Orientierung als auch die freie Wahl der (erwachsenen) Sexualpartner. Sie kann auch als Intersexualität (Transgender) und in freier Wahl der Form der sexuellen Beziehung gelebt werden.

Walhorn im Scherz: „Auf alle Geschlechter? Wie viele gibt es denn?Das liegt mitunter daran, dass ich so lange fast auf dem Transenstrich wohnte, befreundet war natürlich auch mit unterschiedlichen Transsexuellen, schon oder nicht operierten, und mir das „dritte Geschlecht” daher so präsent ist und relativ normal vorkommt ,-).

Hugh_House Du sagst:

Wer würde auf die Idee kommen, dass diese Dame [das Berliner Callgirl] ein Opfer ist? Auch der Freier wurde nicht stereotyp als gefühlloser Klotz, sondern als (normales) fühlendes Wesen dargestellt.

Und weiter:

Prostitution – Hier wird die Doppelmoral besonders deutlich. Warum sollten ausgerechnet hier moralische Maßstäbe erfüllt werden, die auch in (ganz) anderen Bereichen keine Rolle zu spielen scheinen?

Lucy7169 Du verweist aufs Arbeitsrecht, das mit zweierlei Maß misst (wie berechtigt!) und ...

auf den Walzer als Wettbewerbstanz zur „Einführung” in die sogenannt „gute” Gesellschaft: was ist dies anderes als eine Zur-Schau-Stellung?

Sexuelle Handlungen und Entgelt ... spätestens mit der sorgfältig ausgesuchten Eheschließung [wird auch dort ein Zusammenhang überdeutlich].

Die Bezahlung – das Schachern um die berühmten Kamele, ... Land, Eigentum, (gleich) welcher Art – erhielten seltenst die Akteure (Betroffenen) direkt, sondern wurde ins Familien-Eigentum integriert.

Und mit diesem für mich naheliegenden, wenn auch provokanten Vergleich der verschiedenen Arten der Prostitution steckt man in der Debatte von körperlichen, sexuellen und/oder erotischen Dienstleistungen jeglicher Art
...

Wie wahr!

Es ist eine Tatsache, dass nicht nur der Geist, sondern auch der Körper – als Arbeitskraft ohnehin! – und eben auch der Sexappeal immer schon eingesetzt wurden, um eine „gute Partie zu machen”, berufliche oder persönliche Vorteile zu genießen oder zu erlangen. Vielleicht sollten wir dies endlich „legitim” finden oder zumindest als menschlich unvermeidlich in all seinen Ausprägungen anerkennen?

Wenn man bedenkt, was wir immer wieder neu zu verlieren haben ... Dieses hart (vor allem auch von der Frauenbewegung) erkämpfte Recht auf Selbstbestimmung. Erst im Lauf unserer langen leidensträchtigen Geschichte und mit der Lockerung religiös begründeter Vorschriften zur Sexualethik erreicht!

Und wie wir wissen und bei den aktuellen Entwicklungen auch geradezu darauf geschubst werden: Selbst in den westlichen Gesellschaften ist es noch nicht vollständig durchgesetzt und immer wieder in Gefahr.

In Deutschland wurde 1962 letztmals geurteilt, dass der Beischlaf unter Verlobten Unzucht sei und deren Förderung durch das Zurverfügungstellen einer Wohnung „Kuppelei” und somit strafbar. Vom Rechtsbegriff der „Unzucht” trennten wir uns noch später. Nur einige Dekaden also haben wir dieses Recht auf sexuelle Selbstbestimmung.

Dieses Recht und unsere sexuelle Freizügigkeit sind etwas Kostbares, das wir sicher nicht wieder gefährden, zurücknehmen oder einschränken sollten. Dieses neuerdings wieder aufflammende, moralgetränkte Ziehen und Ringen um „alles, was Recht ist”, was legitim oder doch verwerflich sei, kriminell gar, ist nicht ohne und es wird (wen wundert’s?) gemeinhin nicht von den stärksten Kräften der Gesellschaft gewonnen.



*love4*
Dass Ihr dabei seid und dran bleibt, finde ich großartig.


*spanner* ... (Von wegen „Nyx”! Auch bloß eine Unzüchtige ,-)

_
*Die „Sexuelle Handlung” wird definiert im § 184h des StGB
Strafgesetzbuch: Dreizehnter Abschnitt: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung

Große Strafrechtsreform vom 23. November 1973 | In der Bundesrepublik Deutschland wird das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung durch die Auslegung des Grundgesetzes, Artikel 1, abgeleitet.

Süddeutsche 8.7.2016: Juristen und Polizisten kritisieren neues Sexualstrafrecht

Henning Ernst Müller: Der „erkennbare“ Wille nach dem neuen Sexualstrafrecht – erkennbar fehlerhaft. Universität Regensburg, 2016

**********gosto Frau
16.053 Beiträge
Für mich...
... ist der Gedanke besonders wichtig, dass die sexuelle Selbstbestimmung - wie auch andere Freiheitsrechte - latent in Gefahr ist und jederzeit zurückgenommen werden kann, wenn die politische Stimmung im Lande umschlägt.

Das neue ProstSchG ist meiner Meinung nach ein Zugeständnis an den rechten Flügel der derzeitigen Regierung und an die Macht der Kirchen.

Wie mahnte schon Alastor "Mad-Eye" Moody? "Constant vigilance!"

meint

Luccio
*******use Mann
3.197 Beiträge
Sexuelle Selbstbestimmung
Unter dieser Prämisse müsste eine Gesellschaft zu einer einfachen
gerechten Regelung fähig sein.
Es braucht eine Regelung, was legal ist und was nicht.
Legale Formen der Prostitution werden behandelt, wie andere
Gewerbe auch (Steuer, Arbeitsschutz, Sozialversicherung usw.), wozu
auch die Abschaffung von Sperrbezirken gehört.
Frei werdende Recourcen bei Justiz und Polizei können genutzt werden,
um Kriminalität (zB. jegliche Form von Kindesmißbrauch) wirksamer zu
bekämpfen.
Das würde auch auf längere Sicht die moralische Abwertung in der
Gesellschaft dämpfen- Anonymität würde überflüssig.

Definitionen sind bei der Vielschichtigkeit des Themas allerdings schwierig,
so daß wohl immer eine "Grauzone" bliebe.
Manchmal ist es schon mit der ganz persönlichen Bewertung nicht so
einfach:

http://www.t-online.de/digit … rostitution-vorgeworfen.html

Noch ein Wort zur Prostitution mit umgekehrten Vorzeichen (Japan- Blickwinkel):

Ich denke nicht, daß sich Prostitution durch Männer in ähnlichem Maße und in
ähnliche Form verbreiten wird, schon allein wegen der unterschiedlichen Biologie.
Oder wie lange würde wohl ein männlicher Laufhausinsasse bei der zuvor genannten
Frequenz von 15x/ Tag durchhalten? *g*
Keine Beschreibung angegeben.
*******W49 Mann
754 Beiträge
Das Abschaffen von Sperrbezirken sehe ich als etwas problematisch. Oder sollten dann Mietwohnungen davon ausgenommen werden? In einem solchen, würde ich nicht gerne wohnen, bei ständig wechselnden Besucherprofilen und den entsprechenden "Geräuschpegeln". Wer überhaupt, möchte als Mitmieter in so etwas wohnen, der nicht dem gleichen Gewerbe angehört?
*******use Mann
3.197 Beiträge
Gewerbe in Mietwohnungen
Das klingt ja fast so, als könnte man in Mietwohnungen beliebig
Gewerbe betreiben. Dem ist jedoch nicht so:

https://www.haufe.de/recht/d … _idesk_PI17574_HI625646.html

Außerdem befinden sich Sperrbezirke i.d. R. eben nicht in ruhigen
Wohngebieten, sondern im Stadtkern mit diversen Gewerbetreibenden
und entsprechenden Publikumsverkehr. So wird ja gerade Prostitution
in die (ruhigeren) Randgebiete verdrängt.
Offensichtlich dienen Sperrbezirke also nicht dem Mieterschutz, sondern
sind für mich Ausdruck der Doppelmoral: Das Stadtbild soll nicht "verschandelt"
werden, die Einnahmen werden aber gern mitgenommen.
Keine Beschreibung angegeben.
*******W49 Mann
754 Beiträge
Sorry, Hugh_House. Um eventuelle Missverständnisse und Irritationen vorzubeugen, hätte ich mich bei meinem letzten Post vielleicht besser gleich geoutet.

Was ich jedoch in der Öffentlichkeit nicht so gerne tue, denn ich übe ein Gewerbe aus, das im Allgemeinen bei der Bevölkerung das meistverachtete und bei Juristen und Politikern das meistgehasste ist. Es ist noch mehr verachtet, als es Prostituierte je sein können.

Ich bin privater Vermieter, von neun Wohnungen und zwei Gewerben. So liebenswerte Fürsprecher wie hier, sind dazu leider nirgendwo zu finden. Denn auf Sex kann man mal verzichten, auf eine Wohnung nicht. Dieses üble Gewerbe betreibe ich nun seit fast 40 Jahren, in einem sehr gut bekannten „Problemviertel“ unserer Stadt, nur etwa 15 Gehminuten von seinem historischen Sperrbezirk entfernt.

Schon wegen dieser langen Zeit als Vermieter, als auch ich zu meiner Kinder- und Jugendzeit hier lebte und zur Schule ging, bekam ich schon als kleiner Halbwüchsiger durch Freunde diese „besonderen Umstände“ hautnah mit. Auch kenne ich deshalb noch etliche andere Vermieter sehr gut, die Häuser noch viel näher an dieser Zone ihr Eigentum nennen, ebenso etliche Mieter.

Alle, ohne Ausnahme, sind froh, dass es eine gewisse Reglementierung durch städtische Verordnung, wenigstens ein bisschen Klarheit herrscht. Vergehen gibt es dennoch genug.

Mein Frage ist jedoch: Was spricht definitiv dagegen, dass diese Gewerbe nicht ebenso auf’s Grüne ausgelagert werden wie die Riesensupermärkte? Ist doch dort auch toller Publikumsverkehr! Sogar mit kostenlosen Parkplätzen und beinahe unbegrenzte Erweiterungsmöglichkeiten, wo niemand sich durch zusätzliche Geräuschbelästigung gestört fühlen muss? „Europapark zum Bumsen!“ Wär doch klasse! Oder?
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Themenersteller 
Skandal ums Sperrgebiet! (S)Execution oder Inklusion?
*hypno*
Ihr seid so texy-sexy!

Dann eben weiter im Text *mrgreen*. Dachte schon, nun binde ich den Sack mal langsam zu mit den zwei versprochenen Exkurs-Portiönchen zur Funktion der Japan-Episoden und zur Form. Aber Ihr geht noch einen Schritt weiter mit. Damit „geh” ich natürlich auch ...
*walk*
konform.


Danke luccioladagosto Hugh_House Roland_W49 und Euch allen. Eure „constant vigilance” (Luccio), die beständige Wachsamkeit, scheint mir längst belegt. Sie ist vielfach angezeigt und schadet bekanntlich nie ,-).
*top2*

Auf Deinen Hot-Link Hugh_House zum Phänomen Sugardaddy statt Bafög oder Studienkredit komme ich liebend gerne noch zu sprechen. Das Thema „Sperrgebiet” ist allerdings recht „großräumig”, es sperrt anderes erstmal aus.

Nehme die Zuwürfe zum „Wo?” direkt auf. Damit erweitert sich die moralische Frage rund um das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und die Bedingungen, unter welchen Sexarbeit legitim ist oder sein sollte, um die nach dem (heißumkämpften) Territorium.


Die Gebietsgebieter.
Wo wurde käuflicher Sex bislang toleriert?

Wo nicht? Seit wann? Und vor allem: Weshalb? Ich hoffe natürlich, dass wir dabei auch einen Blick für die Konsequenzen bekommen und werde versuchen, die Dimensionen der realen Praxis quer durch die Republik weniger durch meine direkte Meinung als anhand unterschiedlicher, konkreter Beispiele zu illustrieren.

Aber zunächst lasst mich darlegen, dass es des neuen ProstSchGs überhaupt nicht bedurft hätte, um die Prostitution fern von Wohngebieten und Mietshäusern zu halten, wenn gewünscht. Dies war „schon immer” geltendes Recht und konnte bei Verstößen jederzeit durchgesetzt und mit empfindlichen Strafen geahndet werden.

Nehmen wir uns also einige markante Fälle vor, die einmal quer die Spannbreite der gängigen Praxis aufzeigen. Besonders nachdenklich macht mich ein Fundstück aus dem Jahr 2000. Es belegt, dass zu jeder Zeit – auch zu den damalig liberalisierten Bedingungen – Häuser geschlossen wurden. Und zwar auf der Basis der liberalisierten Rechtslage. (Die große Legalisierungsphase und Gesetzesreform Anfang der 80er-Jahre, wie in meinem vorhergehenden Beitrag ausführlicher dargestellt).

Noch bemerkenswerter ist jedoch, dass der nun folgende Auszug die liberale und entspannte Haltung zur Prostitution rund um die Jahrtausendwende widerspiegelt, die sich von der jetzigen doch sehr unterscheidet:

Urteil zur Prostitution – Die Freiheit zum entfremdeten Sex

Prostitution ist normal. Oder? Gestern urteilte das Verwaltungsgericht Berlin: Das Berliner Etablissement „Pssst” ist zumindest nicht „unsittlich”. Nicht von ungefähr sprach sich sogar die Kripo für den mittlerweile bundesweit bekannten „bordellartigen Betrieb” aus. Denn die Schließung, die nun offiziell rückgängig gemacht wurde, traf nicht einen der üblichen halbseidenen Puffs, in denen die Ausbeutung der Huren an der Tagesordnung ist. Im Gegenteil: Das „Pssst” ist ein Lokal, das offen versucht, so etwas wie selbstverwaltete Prostitution zu gewährleisten.

TAZ im Dezember 2000 (*1)

Interessanterweise ist das Instrument, um die moralische Abwehrhaltung durchzusetzen, hauptsächlich die „Baunutzungsverordnung”. Sie, bzw. genauer, der § 13 der BauNVO, regelt den Umgang mit „Gebäuden und Räumen für freie Berufe” in den unterschiedlichen Planungsgebieten (Wohn-, Gewerbe- und Mischnutzungsgebiete) sozusagen „schon immer” und völlig ausreichend. (2)

1991 stellte beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württembergs klar, dass Wohnungsprostitution nicht den Anforderungen des § 13 genüge, da „gewerbliche Prostitution” keine freiberufliche Tätigkeit und ihr auch nicht ähnlich sei. Ihre ausnahmsweise Zulassung scheide aus, da sie mit Störungen einhergehe, die mit dem Charakter eines Wohngebiets nicht vereinbar seien. Im allgemeinen Wohngebiet solle in erster Linie störungsfreies Wohnen gewährleistet sein. Dies gälte insbesondere in den Abend- und Nachtstunden.

„Nutzungsuntersagungen” einer städtischen Baurechtsbehörde gegen die Ausübung der Prostitution in Wohnhäusern und Wohnungen erfolgten regelmäßig. Auch Klagen von Swingerclubs blieben in Wohn- und in Mischnutzungsgebieten fast ausnahmslos ohne Erfolg. Da alle Formen der Prostitution (Bordelle, bordellartige Betriebe, einschließlich Terminwohnungen, und die sogenannte Wohnungsprostitution) in einem allgemeinen Wohngebiet „nach der Erfordernis der Gebietsverträglichkeit” unzulässig sind.

Sehr erhellend ist ein beispielhafter Fall aus dem Jahr 1995, ebenfalls in BaWü. Eine selbständige Hure klagte gegen die Stadt, da ihrer Ansicht nach „die Tätigkeit einer Prostituierten der Tätigkeit eines Lebensberaters, Sozialtherapeuten oder anderer freiberuflich Tätiger” entspreche und demzufolge nach § 13 der Baunutzungsverordnung in ihrem Wohngebiet zulässig sein müsse. Die Klage wurde abgewiesen. In der nächsten Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof zog die Stadt allerdings den Kürzeren, denn – und nun haltet Euch fest – der VGH kam zur Überzeugung, dass der Stadt „der Vorwurf eines (objektiv) willkürlichen und damit gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden Verhaltens” zu machen sei, denn „der Betrieb bestehe bereits seit mehreren Jahren und die Stadt habe nicht den Eindruck vermitteln können, sich in Zukunft bei der Behandlung von Problemfällen von anderen [als den bisherigen] Kriterien leiten zu lassen.”

Gerichtlich festgestellte Willkür! Wuah ...*fernglas*

Hier zeigt sich die ledigliche „Duldungspraxis”, die jederzeit aufgegeben werden kann. Die Begründung ist in diesem Fall einfach und auf der Basis der Bauverordnung, also des seit fast 40 Jahren geltenden Rechts, auch leicht durchsetzbar. Die Motive allerdings ..., die sind auffällig wandelbar.

Das nächste und richtig dicke Fallbeispiel: Die Schließungswelle von Wohnungsbordellen in Berlin Charlottenburg und Wilmersdorf in den Jahren 2006/7. Sie zeigt den doppelmoralischen Charakter und Opportunismus überdeutlich und ließe sich auch mit einer Vielzahl nahezu identischer Fälle in anderen Bundesländern und Städten belegen, wobei dieser alleine schon ob des Ausmaßes, der besonderen Situation in Berlin und der gut dokumentierten politischen Verstrickungen besonders markant ist.

Dabei ist wichtig zu wissen, dass Berlin und Rostock die einzigen deutschen Städte ohne Sperrbezirke sind. Daher hatten sich Prostituierte in Berlin von den frühen 80er-Jahren an über das ganze Stadtgebiet verteilt und mit kleinen Wohnungsbordellen selbstständig gemacht. Und es galt: „Für Zuhälter ist in Berlin kaum etwas zu holen.”

Das änderte sich jedoch um 2006, denn vor allem in den beiden alten Nobelbezirken Westberlins, später auch in anderen Bezirken, wurden monatelang kleine Bordelle von den Bauämtern aufgefordert, sofort ihre Etablissements zu schließen. Die Begründung berief sich auf ein Urteil von 1983, auf das sich notorisch alle nachfolgenden Urteile stützen und das als Prototyp der rechtlichen Handhabe zur Verdrängung des Milieus gilt: Sie zögen zwangsläufig „milieubedingte Begleiterscheinungen nach sich, wie Drogenkriminalität und Zuhälterei” und stellten „eine generelle Störung des Wohnumfeldes” dar. Deshalb dürften Puffs in Wohn- und Wohnmischgebieten nicht angesiedelt sein.

Razzien in einigen Hundert der circa 850 Berliner Kleinstbetrieben und Erotiksalons erfolgten, deren Betreiber der unvermittelten Androhung der Vernichtung ihrer Existenz fassungslos gegenüberstanden. Der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin befürworte zusätzlichen Steuerdruck und (sehr strittige) Auslegungen zur Praxis der Erhebung der Steuerpauschalen nach dem Düsseldorfer Vorentrichtungsmodell.

Eine gütliche Einigung der Vertreter der Bezirksämter, der Politik, der Polizei, der BordellbetreiberInnen, der Hurenorganisationen und des Bundesverbands Sexuelle Dienstleistungen scheiterte im Juli 2007 durch den Baustadtrat Charlottenburg-Wilmerdorfs Gröhler, der verkündete, dass er sich an den Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung, dass vom „rigiden Kurs Abstand genommen” werden solle, „nicht gebunden fühle”. (3)

Besonders brachte die Betroffenen in Rage, dass die ins Visier geratenen Klein- und Kleinstbetriebe zuvor jahrzehntelang unbehelligt existiert hatten. Warum sie nun, 2006/7, dichtmachen sollten, darauf gab es nie eine befriedigende Antwort.

Unstreitbar fielen allerdings die verstärkten Aktivitäten der Bauämter zeitlich mit der Inbetriebnahme des ersten Berliner Großbordell in einem Industriegebiet in Halensee zusammen, dem „FKK- und Saunaclub Artemis” (3000 qm, um 350 Kunden pro Tag).

Eine Berliner Prostituierte sagte schon 2007 gegenüber der FAZ, die Arbeitsbedingungen im Artemis würden die Preise extrem nach unten drücken und die Standards für alle Berliner Prostituierten (mit Nacktgebot, Zungenküssen, Französisch ohne usw.) unterhöhlen.

Randnotiz: 2015 kam es zu einem Verfahren gegen das Artemis aufgrund des Verdachtes auf Menschenhandel, Zwangsprostitution, Vorenthaltung von (Lohn)-Zahlungen, Steuervergehen und einiges mehr und zu längerer Untersuchungshaft für die beiden türkischen Betreiber mit Teilverurteilungen ... Aktuell wird das Artemis von einer ehemaligen Hure geführt, bemüht sich um seine Reputation, spendet regelmäßig für die Berliner Tafel und 2 x die Woche gibt’s Vögeln zum halben Preis für Rentner *kopfklatsch*.

Aber zurück von der eigentlich ebenfalls beachtenswerten *anmach* Fick-Sonderangebots-Praxis zum Kernthema. Denn hier klingelt uns eine faire Lösung längst in den Ohren. Hugh_House Du nanntest eine mögliche Gangart:

Legale Formen der Prostitution werden behandelt wie andere Gewerbe auch (Steuer, Arbeitsschutz, Sozialversicherung usw.), wozu auch die Abschaffung von Sperrbezirken gehört. Frei werdende Ressourcen bei Justiz und Polizei können genutzt werden, um Kriminalität (z. B. jegliche Form von Kindesmißbrauch) wirksamer zu bekämpfen.


Konzentration des Milieus versus Mischkultur
Sex und popp oder ex und hopp? ,-)

Die Berliner Polizei warnte 2007: Wenn Bordelle in bestimmten Gebieten geschlossen würden, werde es sie eben versteckt weiter geben. Man schaffe so jene Intransparenz, die dem kriminellen Milieu zuspiele. Dirk Mittelstädt von der Berliner Fachdienststelle zur Bekämpfung der Rotlichtkriminalität: „Wer die Bordelle jetzt nur noch in Industriegebieten erlaubt, führt auf diesem Weg doch Sperrgebiete ein. Wo sich Prostitution aber konzentriert, konzentrieren sich auch Verteilungskämpfe. Zuhälter werden die Nutznießer sein.” (3)

Nicht missverstehen, Roland_W49, denke, jeder weiß, was Du zurecht anmerkst. Man kann und sollte mitnichten jedem ein Stück „Strich” zwischen Kinder- und Vorgarten und vor die Nase setzen. Auch die „Europaparks zum Bumsen” haben ein paar positive Fuck.ten auf ihrer Seite und lassen sich ohnehin nur noch schwer zurückholen oder gar abschaffen. Es geht auch mir eher um die Richtung: Gesunde Mischkultur. Und diese in Städten vor allem (Vom Wohngebiet im Grünen redet so gut wie niemand). Ein bisschen „hat es was” von der Debatte um den Sinn und die Berechtigung alter Apfelsorten. Manches Andersartige, Ungerade, Eigenwillige, selbst Verwurmtes, alles andere als Perfekte, gehört vielleicht auch dazu und neben die genormten Golden Delicious in den Obstkorb eines bunten Lebens.

Schälen wir uns nun weiter durch zur Gegenwart und nehmen eine Kostprobe der aktuellen Lage. Nahezu in jeder deutschen Stadt gibt es länger schon „politische Vorgaben”, wie man die unliebsame Prostitution eindämmen, verlagern oder gar beseitigen will. Das neue Prost-Gesetz erweitert die Spielräume, die bei der lediglichen „Duldung” von Betrieben ohnehin vorhanden waren und bringt das Thema zwangsläufig auf die Agenda von Stadträten, Parlamenten und Verordnetenversammlungen.

Von deren internen Absprachen erfahren die Betroffenen ebenso wie die interessierten Bürger bei einem derart heiklen Thema in der Regel zunächst so gut wie nichts. Die Interessengruppen der Sexarbeiter haben zudem noch immer keinen erkennbaren Einfluss auf die Ausgestaltung der Gesetze und schlicht eine unterirdische Lobby. Wenn dann alles spruchreif ist, treten Verwaltung und Politik in die Öffentlichkeit und verkünden, was geplant ist. Und dies bei einem Gesetz, das – wie zur Genüge dargestellt – nicht nur der Willkür, die ohnehin schon bestand, ein noch größeres Einfallstor eröffnet und dessen Umsetzung in den meisten Bundesländern mindestens erhebliche Verwaltungsmängel aufweist und zu reichlich Machbarkeits- wie Durchführungsbedenken Anlass gibt.

In Frankfurt/Main, wo das Thema „Prostitution” sehr präsent, fast omnipräsent ist, hat es gerade zwischen der Stadt und dem Land Hessen ordentlich gekracht. Die Stadt behauptet, vom Land überhaupt nicht ausreichend informiert worden zu sein, außerdem seien die erforderlichen Strukturen nicht geschaffen worden, sie existierten schlichtweg nicht und man stünde nun völlig überfordert mit diesem Gesetzesschlamassel da.

In der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart dagegen, wie in vielen anderen Städten auch, ist der Kampf gegen Prostitution schon seit Jahren ein Thema und man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass das ProstSchG bereits sehnlichst erwartet wurde, um die Phase 2 der hocherotischen Innenstadtsäuberung einzuläuten. Derzeit plant die Stadt Stuttgart die Zahl der Bordelle, die überhaupt noch existieren, ein weiteres Mal zu halbieren. Besonders an der Kragen geht es – wen wundert es? – den Bordellbetrieben in den „investitionsträchtigen” Innenstädten. So auch im historischen Rotlichtbezirk und Altstadtkern, dem sogenannten Leonhards- oder Bohnenviertel in Stuttgart. Dort wurden die „Duldungen” bereits ab 2011 aufgehoben und bis 2015 schon 8 von 16 Bordellen und Etablissements dichtgemacht und nahezu alle erotischen Zimmervermietungen mit wirksamer baurechtlicher Argumentation geschlossen. Die Zahl der Bordelle soll nun noch einmal drastisch und auf die Hälfte reduziert werden. (Man verliert leicht den Überblick, ob Stuttgart schon bei einem „Viertele” oder bereits bei einem Achtel angekommen ist). Oberbürgermeister Kuhn im August 2015: „Wir sind auf einem guten Weg.” (5)

Das sehen zum Beispiel Undine de Rivière, deren Domina-Studio mitten im Hamburger Bahnhofsviertel St. Georg angesiedelt ist, und Gudrun Greb von der Beratungsstelle „Ragazza” für „Drogen konsumierende und sich prostituierende Frauen” gleich nebenan, ganz anders. St. Georg ist ein Sperrbezirk wohlgemerkt. Dennoch stehen die Frauen dort sieben Tage die Woche zu Dutzenden auf dem Straßenstrich. Wie ein Arsenal von Folterwerkzeugen erschiene ihr dieses Gesetz, sagt die Domina, ein Rieseninstrumentarium, um Sexarbeit und das gesamte Milieu aus dem Bewusstsein und aus dem Gesichtsfeld zu drängen. Und Verdrängung bedeute auch, ergänzt Greb, dass das mühsam aufgebaute Vertrauen bei den Betroffenen und die eminent wichtige Sozialarbeit der Hilfs- und Drogen-Beratungsstellen vor Ort in Gefahr gerate und gleich mit abgeschafft würde. Greb: (6)

„Prostitution ist für die Behörden dann ein Problem, wenn es um die Sichtbarkeit geht”

Damit ist die Spannbreite des „Wo” des käuflichen Sexs zumindest in den wesentlichen Stellgrößen und Varianten in Deutschland ganz gut umrissen, wie mir scheint. Erlaubt mir nun nur noch ein letztes zum Thema gehöriges, bisher nicht angesprochenes und nur scheinbares „Detail”:

Das neue Gesetz schreibt die Trennung von Arbeitsplatz und Wohnraum vor.

Nehmen wir zum Beispiel Ada. Sie schafft seit sieben Jahren in Stuttgart an, stammt aus Lettland und spricht nur gebrochen deutsch. Sie macht sich Sorgen, denn die Anmelde-, Ausweis- und all die weiteren Pflichten überfordern sie. Außerdem fragt sie sich, wo sie künftig wohnen soll, sie kann sich ein weiteres Zimmer nur zum Wohnen niemals leisten. Von den Schwierigkeiten der Anmeldung und der völligen Unmöglichkeit in Stuttgart überhaupt eines mit Meldeschein zu bekommen ganz zu schweigen. (7)

Dieser Trennpassus von Wohnen und Arbeit des ProstSchG trifft übrigens auch die ganzen Großpuffs, denn dort arbeiten und leben die international zusammengewürfelten Frauen fast ausnahmslos direkt vor Ort. Im Artemis in Berlin zum Beispiel ist die gesamte 3. Etage kundenfreie Zone und den Frauen zum Wohnen vorbehalten. Diese Forderung hat das Potenzial zum Killerkriterium und stiehlt der Mehrheit im Gewerbe den Optionsschein und die Chance auf irgendetwas ganz Legales: Den Sexarbeiterinnen vorneweg, aber auch dem Personal des Tingel-Tangels, des bereits zur Genüge strapazierten Tantra-Studios, den Striptease- oder Stricher-Bars. Im Hinterzimmer ist ab sofort Schluss mit lustig (wohnen) und für den zusätzlichen, anderen Wohnsitz besteht natürlich Nachweispflicht.

„Ach wie gut, dass Wohnraum in Innenstädten so supergünstig ist, im Überfluss zur Verfügung steht und es reichlich Vermieter gibt, die sich um jede radebrechende und halbseidene Klientel geradezu balgen!”, freut sich Schrumpelstilzchen aus dem Rechtsreferat, hüpft und wäscht die kleinen Zuarbeiterhände in Unschuld ...

Nach diesem Streifzug durch die Topografie der Sexarbeit, eventuell sogar gerade hierdurch, zementiert sich der Verdacht, dass das ProstSchG als „Auskehrer” zu werten ist und die Sexarbeit mit diesem verschärften, absichtsvoll realitätsfremden Instrumentarium und neuem Elan in die Phase 2 der Verbannung getrieben werden soll.

Und das mit Problemlösungsstrategie Nummer 1, wie so oft:
Abschaffen!

Mindestens wegdrücken und ... weggucken.
Unsichtbarkeit.

(Hauptsache, die Kulisse ist gediegen geschönt und stimmt).

Es ist doch nicht etwa schon wieder soweit, dass die vorherrschende Moral den Anspruch stellt, dass alles, was den Mainstream stört, verschwinden oder wenigstens nicht sichtbar sein soll?

Wenn dem so ist, bin ich für eine ausgewogene und faire „Stadtreinigung” in fröhlich strahlend guantanamo-orangefarbener Konsequenz: Neben den Potenz-Protz-Puff am Stadtrand gehört dann auch das Penner-Paradies, der Behinderten-Bungalow, die Flüchtlingsverwahrfabrik, das Altenasyl, das Säuferschlösschen, das Psycho-Penthouse, die Demenz-Domäne ...

Und immer wieder dieselbe Frage:
Seit wann werden Probleme durch Verschiebung gelöst?



Danke Euch fürs (R)Anschaffen, An- und Aufmerken. *love4*
Seht sie mir nach bitte, diese (Städte-)Tour. Ungerechtigkeit, Messen mit zweierlei Maß, Willkür und Antihumanes reißt mich „regelmäßig” um.


*liebguck* | Ghettokid alias Konstanze Vicky Lanze



Und einen Brachio-Lacher mit nur übergeordnetem Zusammenhang habe ich auch noch zum Schluss: Entdeckte auf Prostitution2017.de ganz oben außen einen sehr schrägen Menü-Punkt, öffnete und las:

Der Zentralrat der Luden –
Auf Du und Du mit Strapsen und mit Stöckelschuh.

*haumichwech*

Eine Nichtregierungsorganisation für ausübende, genießende und pensionierte Satiriker.

_
*
1| TAZ: Urteil zur Prostitution – Die Freiheit zum entfremdeten Sex. Heide Oesterreich, 1.12.2000

2 | Rechtswissenschaften und Verwaltung: Baunutzungsverordnung – Kommentar unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und gemeinschaftlichen Umweltschutzes mit ergänzenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Kohlhammer, 2008.
Autoren: Prof. Dr. Hans Carl Fickert, Ltd. Ministerialrat a. D.; Dipl.-lng. Herbert Fieseler, Ltd. Ministerialrat a. D., noch ein Ltd. Stadtbaudirektor plus ein Ltd. Stadtrechtsdirektor ,-)

3 | TAZ: Bordelle machen Bezirksamt an. Waltraud Schwab, 6.9.2007. Der Streit über die Schließung von Wohnungsbordellen geht weiter. Der runde Tisch dazu ist geplatzt. Ein neues Gutachten soll die Gerichte nun bewegen, sich nicht nur juristisch, sondern auch inhaltlich mit der Sache zu befassen.

4 | Prostitution2017.de: „Stadt Stuttgart will die Zahl der Bordelle halbieren”, „Stadt Frankfurt/Main zofft sich mit dem Land Hessen”, „Zentralrat der Luden” (Satire)

5 | Stuttgarter Nachrichten, Jürgen Bock, 13. August 2015

6 | Die Welt. Hamburg: „Warum sich Huren gegen das Schutzgesetz wehren”, „Gesetz zerstört mühsam aufgebautes Vertrauen”

7 | SWR Marktcheck: Neues Gesetz für Prostituierte – Schutz vor Ausbeutung oder Diskriminierung?

********tenx Mann
331 Beiträge
Trefflich recherchiert und formuliert
*****002 Paar
1.330 Beiträge
Auf du und du mit Straps und Stöckelschuh!
Da simmer dabei, und später ab ins Säuferschlösschen!
Herrliche Formulierung, akribische Recherche, AnimaKolumna. Meinen allerhöchsten Respekt!

Du hast absolut Recht, diese Scheinheiligkeit ist himmelschreiend. Die Tatsache , dass Wohnraum in Innenstädten überall knapp und teurer wird, und sich sicher noch gewinnbringender als mit "ein Frau Hurenbetrieben" vermieten lässt, lässt bei den Stadtverwaltungen das Dollarzeichen in den Augen blinken!
**********henke Mann
9.638 Beiträge
Hilferding...
... stellte schon 1913 fest, dass der ungebremste Kapitalismus die Tendenz aufweist, den großen Kapitalisten zu dienen. Das ProstSchG mit seiner impliziten Bevorzugung der Großbordelle ist dafür nur ein weiteres Zeichen.
****orn Mann
11.994 Beiträge
Antonius, Schutzpatron der Huren und Armen
Wundervoll, liebe anima_nyx dass deine Hurengeschichte eine Fortsetzung gefunden hat, und du dir nach wie vor die Mühe machst, sie in bestimmt sehr zeitaufwendigen Recherchen uns Lesern nahezubringen und du weiterhin am aktuellen und höchst brisanten Nabel der Zeit schreibst. In gewohnt köstlichen und brillantern Wortkombinationen. *spitze*

Auch in Aachen gibt es solch ein "Bohnenviertel", ähnlich dem wie in Stuttgart. *floet* Und auch hier sehen die Spekulanten jetzt ihre Zeit und Chance gekommen.
Die Anoniusstraße, inmitten des Stadtzentrums, in Domnähe und unmittelbar hinter dem Hotel '"Aquis Grana". *zwinker*

Schon für die Zeit des Römischen Reiches ist eine Besiedelung des heutigen Straßengebietes nachweisbar. Der im Mittelalter und der frühen Neuzeit offizielle Straßenname, Hurengasse, verweist auf die schon damalige Nutzung als Bordellstraße. Als zu anstößig empfunden wurde die Gasse erst in „Mistgasse“ und 1872 per Ratsbeschluss mit königlicher Genehmigung in Antoniusstraße umbenannt. Namenspatron ist der heilige Antonius von Padua, der sich besonders für die Armen und Prostituierten einsetzte.

Die Antoniusstraße wird noch heute von Prostituierten geprägt, die ihre Dienste in Koberfenstern feilbieten. Durch die Lage der Straße, mitten in der Fußgängerzone der Innenstadt, gibt es seit längerem Bestrebungen, die Prostitution aus dem Gebiet zu verlagern. Bordellbesitzer wehren sich gegen diese Pläne und verweisen unter anderem auf die immer weiter sinkende Verbrechensrate der letzten Jahre.

Mit dem Inkrafttreten des neuen ProstSchGes sehen die Moralisten, Aufräumer, Spekulanten und Lokalpolitiker ihre Chance gekommen, das zentrale Gässchen in ihre Stadtplanungen gewinnbringend und in Bares umzumünzen und es steht zu befürchten, dass Aachen ein weiteres Stück jahrhundertealter Tradition verliert.
Keine Beschreibung angegeben.
*******W49 Mann
754 Beiträge
Bei uns in Mannheim gibt es mit dem traditionellen Rotlichtviertel, die Lupinenstraße, keine Verdrängungsversuche. In dieser Sache war Mannheim schon immer liberaler und fortschrittlicher als manch andere Gemeinden. Solange das Gewerbe mit der ihr historisch zugestandenen Größe dort bleibt, bleibt alles wie's schon immer war. Alle wissen darüber bescheid und gut ist. Eine "Gentrifizierung" findet nur innerhalb der Szene statt, auch wie es immer schon so war. Erst waren's die deutschen Zuhälter, dann Italiener, dann Griechen und Jugos, dann Türken, dann Rumänen, Bulgaren und Russen und aktuell ... naja, darüer schweige ich jetzt, um nicht von der falschen Seite Beifall zu bekommen.

Lediglich den üblichen starken "Wachstumsdruck", dieser speziellen Szene, wollen die achsoüblen Mitbürger ausgelagert haben.
Bloß nicht in die "sauberen", Kleinhäuslebauergemeinden auslagern! St. Florian lässt grüßen.
Das Nachbarhäuschen mit ruhigen Rentnern könnte ja mal verkauft werden! An vielleicht wunderhübsche und junge Damen! Den Papa wird's erst mal freuen! Aber wie erklärt er die Frage von seinen Kindern, wenn sie aus dem zweiten Stock schauen und ihn fragen: "Pappa, was machen die drei nackten Opas mit dieser nackten Frau, da drüben? Die schreien immer so komisch!"
*****169 Frau
6.122 Beiträge
Unfassbar unglaublich !!!
Liebe Anima *anbet*
du hast es geschafft, und dich selber nochmal getoppt! *spitze*

Deine Recherchen, Zusammenfassungen und Rückschlüsse sind tiefgründig und gnadenlos genial ! *hutab*

*raeusper* allerdings stolperte mein Verständnis diesesmal über ein Detail ...
******nyx:
Dieser Trennpassus von Wohnen und Arbeit des ProstSchG trifft übrigens auch die ganzen Großpuffs, denn dort arbeiten und leben die international zusammengewürfelten Frauen fast ausnahmslos direkt vor Ort. Im Artemis in Berlin zum Beispiel ist die gesamte 3. Etage kundenfreie Zone und den Frauen zum Wohnen vorbehalten.
Soweit ich weiss, gilt der Trennpassus 'Wohnen und Arbeiten' aber auch für viele andere Berufe.
(Bsp. die Heilpraktiker-Praxis im Eigenheim)
Der Arbeits-Bereich muss/sollte dann absperrbar sein, und nicht zu Wohnzwecke genutzt werden.
Neben der Arbeitsstättenverordnung gilt es aber noch die genehmigte Nutzung des Gebäudes zu beachten (Nutzungsänderungen sind genehmigungspflichtig, ein Musiklehrer in einem Wohnblock ist auch nicht jedermann's Freude )

Demnach wäre bei der o.g. Schilderung nmV das Artemis bzgl. der Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich aussen vor, und jede selbständige Prostituierte in einer Wohnung mit 3 Zimmern auch (bei 2 ZKB wird's schwierig).
Die gewerbliche Nutzung inkl. der Genehmigung des ausgeübten Gewerbes in diesen Räumen müsste doch schon längst vorliegen.
Oder hat man dies in der Vergangenheit vergessen? Das wäre dann ein großes Eigentor, denn es ist immer schwierig, aus dem Grau-Bereich und einer Teil-Duldung in die Legalität und Anerkennung zu gelangen.
Sonderbehandlungen sind, egal in welcher Angelegenheit, selten hilfreich und von Nutzen.

Mir ist nicht ganz klar, wo genau nun das Problem ist ... hat das neue Gesetz dbzgl. wirklich mehr und strengere Vorschriften wie die bislang bestehenden Gesetze?




Arbeitsschutz und Arbeitsstätten- verordnung schon im letzten Beitrag, deswegen nur noch die Links zur Gebäude-Nutzung.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Nutzung_(Gebäude)
http://www.akademie.de/wisse … g/genehmigung-des-vermieters
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Themenersteller 
Wir sind alle Nutten und Hurenböcke!
*hackfresse*
Auf die eine oder andere Art zumindest, aber dazu gleich ...


*top2*
Unfassbar. Ihr seid so cool. Das ist Anstiftung! Anstiftung zu einer weiteren inhaltlichen Eruption und einem beherzten Griff ins schon eingelochte Eingemachte.

Danke xlachfaltenx marka002 Kamelienschenke Walhorn Roland_W49 Lucy7169 ... Euch allen!
*love4*

Noch kommen wir, wie man sieht, nicht ganz los vom heißen Kern des Themas. (Werde so langsam ein wenig zusammenfassen und zu einem recht erhellenden ... *anmach* letzten Faktenschlag zum Kernthema ausholen, ich Patzerfisch, ähm, Pazi.fist.

Inzwischen sind wir hautnah dran an der Grundannahme, dass das ProstSchG nicht unterschätzt werden sollte, weil es zwar in einem Bereich wirkt, der uns alle nun nicht sooo zu tangieren scheint, aber dennoch ein Symbol für erheblich mehr ist. Eben weil – so meine These – es ein Gradmesser ist und als Symbol angesehen werden kann, dass sich in unserer Gesellschaft in Sachen „Freiheiten” etwas Gravierendes tut.

Und zwar nichts, was eine weitere Liberalisierung versprechen würde, im Gegenteil: Hier hopst das Bunnyhäschen auf und ab und fuchtelt mit einer Fahne auf der (in Frivol-Rot von mir aus gerne ... *mrgreen*) „Freiheit, Gleichheit, Liederlichkeit” eingestickt ist. Und Hasi macht gerade eine mächtig beeindruckende Rolle rückwärts.

Ein paar Fragen drängen sich auf: Was (zum Geier ,-) geht uns das an? Warum sollte ausgerechnet dieses Gesetz das Zeichen einer einschneidenden Veränderung sein und den Startschuss zu einer moralischen Kehrtwende in unserer Gesellschaft darstellen? Wieso sollte ausgerechnet dieser Gesetzesänderung (zutreffender: Neueinführung!) eine solche Brisanz und Bedeutung beigemessen werden?

Die Tragweite konnten wir schon hinreichend und nicht anders denn als „weitreichend” skizzieren, auch Ihr habt sie vielfältig angesprochen und in Kernaussagen zusammengetragen:

menschelnd
Es „ist letztlich lediglich der Missbrauch von gesetzlichen Manifestationen, um die eigene (christlich-geprägte) moralische Keule zum Einsatz zu bringen. (...) Insofern lohnt es auch weiterhin, gegen dieses Gesetz vorzugehen, was ein weiteres Thematisieren erforderlich macht.

https://www.joyclub.de/my/4034132.dreamstory.html
Das Thema erledigt sich also nicht – gesellschaftlich, politisch, kulturell und überhaupt menschlich.

luccioladagosto
Für mich ... ist der Gedanke besonders wichtig, dass die sexuelle Selbstbestimmung - wie auch andere Freiheitsrechte – latent in Gefahr ist und jederzeit zurückgenommen werden kann, wenn die politische Stimmung im Lande umschlägt.

Um die Relevanz geht es nun – sehr erfreulich, wie ich finde – schon geraume Zeit und wir zerren immer mehr Fakten dazu ans Licht.

Der Vorwurf, diese Gesetzesänderung beabsichtige nicht, wie primär und politisch vollmundig adressiert, den Schutz der Sexarbeiterinnen, sondern die Regulierung, der mich früh beschlich und nicht mehr losließ ... diesen Vorwurf kann ich inzwischen gut belegen. Er ist Fakt. ( (Ihr dürft gespannt sein, ich bemühe mich gleich, dieses Erkenntniswasser direkt von der Quelle zu zapfen und zumindest für den einen oder anderen brackig-knackigen Schluck einzuschenken).

Die Folge dieses SexdienstleistungsVerdrängungsGesetzes – und da sollten wir uns besser keine verharmlosenden Gedanken gestatten – wird eine Einschränkung der sexuellen Selbstbestimmung in unserer Gesellschaft sein und eine Behinderung der Möglichkeiten, den bunten Reigen der Spielarten unserer individuellen sexuellen Bedürfnisse auch zu leben!

Mittelfristig wird sich das zudem unweigerlich negativ auf unsere Toleranz in Sachen Sex auswirken.


Sehe den erhobenen Zeigefinger der politisch korrekten, „neuen” Moralapostel und Sittenwächter schon fröhlich wackeln ... (Und, Ihr lieben Freunde des Orgiastischen, da geht’s nicht wirklich um Lustvolles oder gar ums Fingern ,-).

Im Kleingedruckten ist sogar eine Ausweitung des Stigmas der Prostitution(!) auf bisher nicht über diesen gestrengen Gesetzeskamm geschorene sexuelle Randbereiche gewollt:

Deutscher Bundestag. Gesetzentwurf der Bundesregierung:

Dem Schutzzweck entsprechend wird für dieses Gesetz ein weiter Begriff der Prostitution zugrunde gelegt, der alle Formen bezahlter sexueller Kontakte umfasst.

(*1)

Wir kennen die Beispiele inzwischen: Die Fetisch-Veranstalter, die Dominas, die gar keinen Geschlechtsverkehr oder auch nur Körperkontakt anbieten (und dies, obwohl sich explizit an einer gesetzlichen Definition der „sexuellen Handlung” in Bezug auf Körperkontakt abgearbeitet wurde), außerdem der markante Dauerbrenner der Tantramasseure usw. Sie alle werden nun (erstmals!) mit in den sexsippenhaftigen Regulierungswahn-Eintopf geschmissen.

Uns stieß zügig – Ihr habt es auch mehrfach angesprochen – ein eklatanter Widerspruch auf: Einerseits scheint es genügend Gesetze zu geben, die Arbeit, Soziales, Steuern, Gewerbe, Gebäudenutzung etc. regeln. Außerdem gibt es den berühmten „Gleichheitsgrundsatz” in unserer Verfassung. Und trotzdem wird ein völlig neues Spezialgesetz nur für Sexarbeiter geschaffen?!
*hypno*

Das dahinterliegende Motiv für diese politische Weichenstellung, muss und darf kritisch geprüft und infrage gestellt werden!

Lucy7169, Dich beschäftigte dieser Widerspruch auch, Du stelltest die Frage nach sachgerechten Urteilen, die aus dem allgemein gültigen Arbeitsrecht selbst resultieren und betonst die Forderung des „gleichen Rechts für alle”. Das kann ich nur unterstützen. Das kann, sollte, muss das Ziel sein!

Denke mal, dass niemand für Huren „höhere” Rechte geltend zu machen versuchte als jene, die zum Beispiel auch für freiberufliche „Katzenmusiklehrer” maßgeblich sind. Auch sie, wie jeder freiberuflich Tätige, müssen sich den Auflagen eines friedlichen Miteinanders in einem Wohnumfeld beugen. Im Unterschied zu anderen Berufsgruppen bestanden für Sexarbeiter die Rechte aus der „Gleichbehandlung” jedoch ohnehin nur auf dem Papier. Wir waren bis gestern noch weit davon entfernt und sind es jetzt mehr denn je.

Lucy: „Die gewerbliche Nutzung inkl. der Genehmigung des ausgeübten Gewerbes in diesen Räumen müsste doch schon längst vorliegen. Oder hat man dies in der Vergangenheit vergessen?”

Genau da liegt der Hase im Pfeffer! Man gefiel sich in der Belassung der Grauzone. Bislang wurden Laufhäuser, Bordelle, Sexmobile, Ein-Frau-Puffs usw. entweder verboten, genehmigt oder in den allermeisten Fällen schlicht: ohne legalen Status geduldet. Damit ist von jetzt auf gleich nun aber Schluss. Das ProstSchG fordert unter Androhung von Bußgeldern und Strafmaßnahmen spätestens ab Dezember 2017 zwingend die Beantragung von Genehmigungen aller Art, macht Schluss mit Laissez-faire und der bisherigen Praxis des Gewährenlassens. Und damit haben wir den dicken Hund nun endgültig am Ohr und ausgegraben:

Für diese einschneidende, völlig neuartige Rechtslage wurde eigens ein hochkompliziertes Arbeits-Spezialgesetz ersonnen, das ausschließlich für Sex- und nicht für Sexophonspieler gilt!

(Gleichbehandlung?¿ Hallooo ... *guckguck*!!)


Die Bundesregierung sagt dazu:

Wie zutreffend festgestellt, besteht für Behörden bereits nach den allgemeinen Polizeigesetzen, nach den Ordnungsbehördengesetzen ... [u.w.] die Möglichkeit, Anordnungen zur Ausübung der Prostitution zu erteilen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird nun ein Fachgesetz geschaffen, das auf das Prostitutionsgewerbe zugeschnittene spezialgesetzliche Regelungen trifft, ... die Vorrang vor den allgemeinen Vorschriften haben.” (*1)

Der Zynismus besteht darin, dass die Legalität der Sexarbeit und ihre Anerkennung als rechtsabgesicherte und rechtskonforme Tätigkeit zwar gesetzlich bekanntermaßen einige Jahrzehnte bestanden hat, aber eben nur zu einem geringen Bruchteil und mitnichten gleichberechtigt zu anderer Arbeit gesellschaftlich umgesetzt wurde. Und dieses grundgesetzlich verankerte Recht auf Gleichbehandlung wird nun aufgegeben.

Das heißt – man kann es nicht genug betonen – mit diesem Sex-Spezialgesetz ist das ursprüngliche Ziel der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer soeben gestorben!


Der Handlungs„spielraum” in der Rechtsauslegung

Spulen wir etwas zurück: Wir erinnern uns, dass vor 1983 Bordelle grundsätzlich nicht legal betrieben werden konnten und erst ein Grundsatzurteil zumindest die „Möglichkeit einer Genehmigung” eröffnete. Städte hatten die Betriebe entweder stillschweigend geduldet oder im Sinne einer Gesetzeslücke zum Beispiel als „Wohnheim für obdachlose Dirnen” genehmigt („Staun!” Ist das zu fassen? ,-). So geschehen auch in der Landeshauptstadt BaWüs, die für ihr Dreifarbenhaus, das direkt neben dem Rathaus gelegene, älteste und lange auch größte Bordell Stuttgarts, jahrzehntelang das bunte Treiben eben als ein solches „Wohnheim für obdachlose Dirnen” genehmigte. (2)
*umfall*

Inzwischen haben wir auch im Kopf, dass die Anwendung der Regelungen und Gesetze der schon bestehenden arbeits-, bau-, gewerberechtlichen Maßnahmen bereits ausreichende Handhabe gegen Bordelle und Prostitution aller Art erlaubten. (Unterschiedlich zwar von Stadt zu Stadt und Bundesland zu Bundesland, aber überall von reichlich Rechtsauslegungsspielraum begleitet). An einigen Orten erscheint die Koexistenz gelungen und ist bislang ohne Gentrifizierungs- und Verdrängungskämpfe geblieben, wie Roland_W49 es für die Mannheimer Lupinenstraße darstellt, des vom lateinischen „lupa”, der Wölfin, abgeleiteten ach-so-hübsch benannten Mannemer Straßenstrichs. In der Regel ist die Situation problematischer, wie Walhorn es für Aachen bezeugt, wo eine Bürgerschaft sich schon in der Geschichte nicht eben viel Mühe gab, ihre Haltung zu ihrem rotlichternden Igitt-Bezirk zu verbergen und ihre Hurengasse konsequent in Mistgasse umbenannte – ein starkes Stück (Meinungsbekundung ,-). Die meisten Städte kämpfen notorisch mit „ihrem” Milieu und die Politik ist immer wieder in Gefahr, ihr Problem mit der Sexdienstleistung mit einer Haltung zu lösen, die man – marka002 sagen es deutlich – getrost mit „Scheinheiligkeit” bezeichnen darf. Besonders kritisch wird es fürs Gewerbe, wenn „bei den Stadtverwaltungen das Dollarzeichen in den Augen blinkt.” Auch von Berlin, Hamburg und brandaktuell aus Stuttgart kann ich nur Belege in Sachen „Umrubeln” der moralisch verwerflichen, versexten Innenstadtstraßenzüge zugunsten „höherer Investionsinteressen” berichten. (3,10,12)

Ein Fallbeispiel zu den „Aufräumungsarbeiten” in einem der auch touristisch reizvollsten Bezirke Stuttgarts, dem historischen Altstadtbezirk des sogenannten Bohnen- und Leonhardsviertels, zu dem das Rotlichtmilieu seit Jahrhunderten dazugehört. Der Immobilienkaufmann John Heer, der ebendort zwei Bordelle betreibt, klagte 2016 gegen den plötzlichen Schließungsbeschluss der Stadt, denn er fand es fragwürdig, dass die Stadt einen Betrieb, den sie rund 40 Jahre lang geduldet hat, einfach so dichtmachen darf. Seine unter Beschuss geratenen Laufhäuser wurden auch laut polizeilicher Bestätigung bereits 1972 eröffnet und für Bordelle, die vor der „Vergnügungsstättensatzung” von 1985 schon existierten, gilt sogenannter „Bestandsschutz”. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe urteilte, dass sich auf den Bestandsschutz und zudem auf das Grundgesetz berufen werden dürfe und eine Schließung rechtswidrig sei. (3)

Zu diesem Stuttgarter Quartier gäbe es Anekdoten ohne Ende, die ich mir aber wegen chronisch drohender Überlänge besser verkneife. Lediglich eine Kostprobe darf mit ...

Stellen wir uns vor, wir säßen in der „wohl verschwiegensten Bar Stuttgarts”, der Uhu Bar, und lauschten dem „Schriftsteller, Reiseleiter, Witwentröster und lila Pudel” in Selbstauskunft ,-), i]Holger Hommel , der der Stadteil-Initiative ins Vorwort dichtet:

[Wie] ... viele es schaffen, dieses alte und so pittoreske Stück Stuttgart mit seinen vielen Problemen einfach zu übersehen? Wie kann man nur zur seligen Mittagszeit geduckt durch die schäbigsten Laufhäuser der Republik marschieren, ... [sie] wohl gern auch nutzen und dann am nächsten Tag in irgendeinem städtischen Gremium bei diesem Thema eine Meinungs- und Kenntnislosigkeit in die eigene Gesichtsmuskulatur modellieren? ... Wie viel Selbstbetrug hält der Mensch eigentlich aus? Wir sind eine verlogene Gesellschaft. Geht es den Mädchen in unserem „Städtle” vielleicht deshalb so schlecht, weil sie uns so klar auf unsere Dauerlügen hinweisen?

Wie weit ist eigentlich vom Rathaus bis zum „Städtle”? Wenn man zwei rote Empfangsteppiche zusammenbinden würde, dann müsste es der Oberbürgermeister fast bis in die Jakobsstube hinein schaffen. Die ... gilt als Schwulentreff. Muss man deswegen homosexuell veranlagt sei, um dort ein paar Bierchen zu trinken? Nein, und sagen wir es für die Paranoiden gleich dazu: Man wird vom Bier dort auch nicht schwul.

Wer die Bedeutung des Wörtchens „Gegenwind” erfahren möchte, der engagiere sich für die Belange des vernachlässigten Rotlichtviertels und schon erhebt sich die große Koalition der Bedenkenträger, Besserwisser und Entrüsteten. Die Letzteren sind eigentlich die Tinte im Drucker nicht wert, sie verlassen sich seit Menschengedenken auf die zölibatäre Libidobremse ... und beweisen damit lediglich die beneidenswerte Fähigkeit, die Lebensrealitäten komplett auszublenden oder zu ignorieren. (4)

So, Ihr Lieben, nun aber genug gegrinst *aetsch*,-).
Jetzt geht’s ans ausgemachte Abgemachte:


Die Bundesregierung und ihr neues Spiel(begrenzungswerk)zeug namens ProstSchG

Habe den Maso in mir hervorgekramt und mir den kompletten Werdegang dieses Sex-Spezial-Gesetzes durch sämtliche Instanzen angetan. Dafür kamen die Gesetzesvorlage der Bundesregierung, die Stellungnahmen des Normenkontrollrates wie des Bundesrates und die darauffolgende Änderungs- und Feinjustierungsbereitschaft der Bundesregierung auf den Seziertisch.

Es ist viel, das könnt Ihr Euch vorstellen. Nehme daher nicht die Vielzahl der Regelungen selbst inhaltlich auseinander und unters Skalpell, das geht gar nicht, sondern extrahiere nur einige Gewebeproben, die eine Einschätzung erlauben und fasse sie selbst zusammen, wenn nicht als Zitation angezeigt. Das ganze Ding ist spannend wie ein Krimi und es ist mir wichtig, dass diese Hirnwasserleiche und die Fakten selbst zu Euch sprechen:

Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel an den Präsidenten des Deutschen Bundestages Prof. Dr. Norbert Lammert:

Hiermit übersende ich den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes

zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen.

Federführend ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ich bitte, die Beschlussfassung des Deutschen Bundestages herbeizuführen.”

(6) (*beep* Alles klar? „Regulierung” heißt das Riesenbaby. Und: das Hauptmotiv kommt, wie wir wissen, immer zuerst ,-).

Setzt Euch besser. Auf den Tisch kommen nun die fünf „Kernelemente” plus drei Stilblüten des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, der seit dem 1.7.2017 Gesetz und damit die derzeit gültige Rechtslage ist:


1. „Einführung einer Erlaubnispflicht für alle Prostitutionsgewerbe.”


2. „für dieses Gesetz [wird] ein weiter Begriff der Prostitution zugrunde gelegt, der alle Formen bezahlter sexueller Kontakte umfasst.”
(Das nennt man Ausweitung der Kampfzone!)


3. „Das Gesetz führt erstmals umfassende Vorgaben für Betreiber von Prostitutionsgewerben und für Prostituierte ein.”

Die „umfassenden Vorgaben” sind die Erlaubnispflicht sowie „Anzeige-, Kontroll-, Hinweis-, Aufbewahrungs- und Aufzeichnungspflichten”. Insgesamt sind es „49 neue Vorgaben” und „27 Informationspflichten”.


4. Fürs Gewerbe wird’s teuer ...

Die neuen 49 Vorgaben und 27 Infopflichten verursachen sowohl „einmaligen als auch fortlaufenden Erfüllungsaufwand”, sagt der Gesetzgeber. Für das Prostitutionsgewerbe stelle das ProstSchG zwar eine besondere Belastung dar, aber die Bundesregierung verweist ausdrücklich darauf, dass die Kosten ausschließlich zu Lasten der „Branche des Prostitutions¬gewerbes“ und der „Personen, die sich in diesem Bereich als Anbietende von Dienstleistungen betätigen” anfielen. Sie sagt weiter „betroffen ist lediglich ein gesamtwirtschaftlich recht schmaler Sektor der Wirtschaft”, der zudem überwiegend dem Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen zuzurechnen sei. (Was heißt das? Es sind sowieso nur Kleinunternehmer betroffen und um die wenigen armen Teufel schert sich keiner oder was?)


5. Die Kommunen sollen zusehen, wie sie damit klarkommen ...

Nach Einschätzung der Gesetzgeberin, der Bundesregierung, entstünde der Verwaltung ein jährlicher Aufwand von circa 14 Millionen Euro. (Diese Kosten werden vollständig auf die Länder und Kommunen abgewälzt, daher auch der Aufruhr hier und da). Für den einmaligen Umstellungsaufwand von circa 11 Mio. trägt der Bund gerade mal 33 000 Euro, der Rest bleibt wiederum an den Ländern und Kommunen backen). (1)


Das war der Schweinsgalopp durch die ernüchternden, nackten Tatsachen. Um den Eindruck für Euch wenigstens etwas plastischer zu machen, drei Stilbüten von einer ganzen Reihe:

Zunächst das Werbeverbot. Und zwar alles. Verboten. In jeder Form: anbieten, ankündigen, anpreisen, ausstellen, anschlagen, vorführen ... (Hallo Hamburg, Aachen und 14 weitere Städte ... Das ist das Ende der Koberfenster).

Dann der vielgepriesene und immer so sehr ernst genommene Datenschutz (in einem einzigen Auszug, da gibt’s noch mehr): „Übermittlungen der nach diesem Gesetz erhobenen personenbezogenen Daten sind im Übrigen nur zulässig, soweit die Kenntnis der Daten zur Verfolgung von ... Ordnungswidrigkeiten wegen eines Verstoßes gegen dieses Gesetz erforderlich ist oder eine > besondere Rechtsvorschrift dies vorsieht. < *mrgreen*(6) Die kann jede Kommune, jede Stadt erlassen übrigens. (Das nenne ich mal „volle Verfügungsgewalt” und eine echt devote Datenlage ,-).

Die nächste Stilblüte ist keine oder wenn, dann enthält sie pures Gift: Sie macht einen ausschließlich für das Sexgewerbe geltenden Verlust des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Grundgesetz Artikel 13)” zum Gesetz (ProstSch):

Die zuständigen Behörden sind befugt, zum Zwecke der Überwachung ... die Grundstücke, Geschäftsräume und die für sexuelle Dienstleistungen genutzten Räume zu betreten, auch dann, wenn sie Wohnzwecken dienen. Die betroffene Personen, die Hausrecht an den jeweiligen Räumen haben, haben die Maßnahmen zu dulden; das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. (1)

Das schreit geradezu nach einer Verfassungsbeschwerde! Für unter anderem diesen Passus wurde vom Bundesrat in seiner Stellungnahme mit Vehemenz um ersatzlose Streichung gebeten. (Und der Bundesrat ist bekanntlich nicht der schärfste aller denkbaren Kritiker der Regierungsriege ,-).

Hierzu die Stellungsnahme des Bundesrates, Begründung:

„Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die Trennung von Arbeiten sowie Wohnen und Schlafen tatsächlich in der Arbeitswelt eine Selbstverständlichkeit ist. In vielen Branchen haben freiberuflich Tätige oder Selbständige oft keine finanziellen Kapazitäten für die Anmietung von zusätzlichen Büroräumen.

Entsprechende Ressourcen [dürfen] ... bei den meisten Prostituierten nicht [vorausgesetzt werden]. Überdies sind die in der Gesetzesbegründung genannten Beispiele für mögliche Ausnahmen unrealistisch. Es ist beispielsweise für Personen, die zur Ausübung der Prostitution nach Deutschland einreisen, kaum vorstellbar, innerhalb von ein bis zwei Tagen eine separate Unterkunft zu finden.

Vielmehr ist zu befürchten, dass Bordellbetreiber, um der Auflage des Gesetzes zu genügen, zusätzlichen Wohnraum zur Verfügung stellen und damit eine ohnehin schon gegebene faktische Abhängigkeit von Prostituierten noch verstärkt wird.” (8)

Usw. Ich erspar’ Euch weiteres. Der Normenkontrollrat jedenfalls bemängelte die vage, nur auf Annahmen beruhenden Ausgangszahlen und die darauf basierenden Phantasieberechnungen der anfallenden Kosten. Der Bundesrat ging deutlich weiter, er forderte die Streichung ganzer Vorschrifteninhalte und deren Paragraphen, dem zur Trennung von Wohnen und Arbeit zum Beispiel, der gesamten „Anordnungen für Prostituierte” (ProstSchG §11) und weiterer, monierte ebenfalls die nur mutmaßlichen Kosten sowie deren Abwälzung auf das Gewerbe und zu einem geringen Teil auch auf die Kommunen und forderte eine Kostenkompensation durch den Bund. Der Bundesrat hob zudem sein Unverständnis bezüglich des völligen Fehlens von Aussagen zur Besteuerung hervor.

Im normalen Procedere geht ein Gesetzentwurf mit seinen Stellungnahmen zurück und die Bundesregierung prüft, bessert nach, legt erneut vor oder sie greift zum Mittel der „Gegenäußerung”, wie in diesem Fall geschehen. Unterm Strich lautete diese in den wesentlichen Punkten: „Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit / Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab ...” (9)

Machen wir einen Köpper zurück zu denjenigen, die das nun ausbaden müssen und mit ins kalte Wasser, das dem Gewerbe derzeit höher als bis zur Halskrause, nämlich bis zur Oralverkehrsöffnung steht und von dem die Kommunen nun auch endlich merken, dass sie sich mit ihrer Unterstützung für das Gesetz im Vorfeld auch ganz schön selbst ins Knie ... (Verzeihung. Das ist wirklich zu obszön! *mrgreen*)

Stuttgart jedenfalls meldet, die Umsetzung verzögere sich mindestens um ein halbes Jahr; es sei zu wenig Personal vorgesehen. Nach jetzigem Stand sei das neue Gesetz eine „Billigheimerlösung” mit bloßem Symbolwert. Der Leiter des Ordnungsamts spricht zurückhaltend von „unzulänglicher Finanzierung”, der des Gesundheitsamts bemängelt, dass „Sozialpädagogen in dieser Berechnung gar nicht drin seien. Ebenso wenig ärztliches Personal. Völlig übersehen habe man offenbar auch, dass man Dolmetscher brauche.” Der Landessozialminister: Das Land müsse nun „ein schlecht gemachtes, hektisch zusammengestricktes und sehr bürokratisches Bundesgesetz umsetzen.” (11) Die Polizeibehörde bedauert, dass sie erst vor geraumer Zeit ihren landesweit einmaligen, eigenständigen „Arbeitsbereich Prostitution” mit Dienststelle direkt vor Ort und im Milieu verloren habe. Diese sei aufgrund von Personalengpässen in den Kriminaldauerdienst „integriert” worden. (13)

Und der streitbare Betreiber von zweien der 200 Bordelle und Rotlichtbetriebe der Stadt, John Heer, kommt ein letztes Mal zu Wort: Er hält vor allem die Anmeldepflichtpraxis für Huren und die Forderung zur Trennung von Arbeit und Wohnen für völlig verfehlt. Dass man z.B. nun von den Frauen verlange, in den frühen Morgenstunden „aus den geschützten Räumen rauszugehen” und den Heimweg in ihre Wohnungen anzutreten, damit setze man sie „massiven Gefahren aus”, sagt er und „das alles wird auf dem Rücken der Frauen ausgetragen. Die werden geschwächt, deren Ausbeutung findet durch das Gesetz jetzt erst richtig statt.” (11) (Wenn der wüsste, wie sehr seine Einschätzung sich mit der des Bundesrates deckt ...).


Fazit zum SexarbeitsVerdrängungsGesetz

Das neue ProstSchG ändert nichts an der grundsätzlichen Legalität der Sexarbeit übrigens. Sie wird weiter zugestanden, aber zugleich durch diesen wirklichkeitsfremden Forderungswust einer fast undurchschaubaren Zahl von Verordnungen und Einzelbestimmungen verhindert. Der Weg zu einer legalen, rechtmäßigen Beschäftigung wird – so auffällig, dass man es nur bewusst nennen kann – verstellt. Jede „Duldung” sexueller Dienstleistungen und einschlägiger Etablissements wird abgeschafft. Gleiches Arbeitsrecht für alle? Abgeschafft!

Neu ist auch, dass das Stigma der „Prostitution” nun einem noch größeren Kreis von Berufs- und Randgruppen zugemutet wird. Insgesamt führt die Auseinandersetzung mit diesem politischen Akutfall also zu einem nicht eben wenig ernüchternden Fazit:

Nur die auf beiderseitigen Interessen beruhende und bewusste Duldungspraxis (!) der vergangenen Jahrzehnte ermöglichte einen relativ hohen Freiheitsgrad des Angebots wie der Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen.


Und wenn schon! Was geht uns das an?

Wieso beschäftigt man sich mit so einem Gesetz? Was hat das mit uns, mit mir zu tun, mit einem Leben als Nicht-Hure oder Nicht-Freier? Das ist eine Frage, die mir aufgrund dieses dauerfeurigen Threads auch mehrfach gestellt wurde. Da sie sich ebenfalls verallgemeinern lässt, nehme ich sie mit auf.

Wieso sollte man sich mit so etwas Speziellem auseinandersetzen, das einen selbst gar nicht oder ganz selten nur berührt und das nichts mit unserer Lebenswirklichkeit zu tun hat? Weil eben Letzteres ein Irrtum ist.

Meine bescheidene Erfahrung bei allem Interesse fürs „Milljöh” ist auch beschränkt. Ich war zwar zu Schüler- und Studentenzeiten mit einer befreundet, hatte aber persönlich noch nie was mit ‚ner Nutte, logisch fast ,-),kann also nicht mit eigener Kaufsex-Erfahrung aus dem Nähkästchen plaudern. Putzte zwar als Jugendliche in einer Peepshow (unweit des Stuttgarter Bohnenviertels, ein gummistiefelpflichtiger Job und reich an klebriger Erkenntnis), wohnte mehrfach mitten im Kiez, auch in Berlin. Das zeigt ein Basisinteresse am Rotlicht an sich. Außerdem mag ich schräge Vögel aller Couleur und Art, habe wohl für Randgruppen der Gesellschaft einen instinktiven, liebevollen Blick, das kommt hinzu.

Wenn ich es mir selbst so recht überlege, hat sich mein Elan für ausgerechnet „diese” genauere Inspektion der „Rumhurerei” aus gleich mehreren Gründen so ergeben: Zuerst schreib' ich natürlich gerne, auch besonders gerne an oder für „eine Sache”. Viel wichtiger aber ist, dass humanistische Themen mich immer herausfordern und besonders diejenigen, die unseren Umgang mit jeder Art von „Freiheit” betreffen – ich hätte auch über Meinungsfreiheit schreiben können und habe dies auch schon im Zusammenhang zum Beispiel mit den Anschlägen auf „Charly Hebdo” getan. Das ist genauso brisant und wichtig, diesen Teil unserer errungenen Freiheit und deren Gefährdung zu betrachten. Ein weiterer Grund ist der Anlass: Dieses übergriffige, neuartige Gesetz. Zunächst wollte ich schlicht wissen, was dahintersteckt, denn mir war klar, dass jeder gesellschaftliche und moralische Rückwärtsgang sich in der „Sex- und Schmuddelecke” unserer Gesellschaft besonders deutlich offenbaren wird.

Der vierte Grund ist meine Überzeugung, dass wir uns in gewissem Sinne alle „prostituieren”. Dass wir unseren Geist, unseren Körper jeden Tag „zu Markte tragen” und damit Geld verdienen ... (Wir arbeiten schließlich! ,-). Wir setzen zwangsläufig alles ein, was wir sind, unseren Geist, Körper, Erlerntes, Eingeübtes, unseren Charme, um auch in den Genuss gesellschaftlicher oder zwischenmenschlicher nicht „geldwerter” Vorteile zu kommen.

Insofern ist die Prostitution nur eine besonders extreme Position auf der Skala des menschlich „normalen” Verhaltens für mich.

Der nun sicher schon fünfte Grund ist, dass wir, die wir im JOY sind, per se einen unmittelbaren Bezug zu ausgerechnet „sexueller Selbstbestimmung” kaum verleugnen können, denn wir sind hier als selbsterklärte Erotiker zugange – in welcher Ausprägung und wie weit von der gesellschaftlichen Norm und der „guten” Moral entfernt auch immer.

Nicht wahr ...*anmach*?!

Danke Euch fürs Mit- und Nachdenken und wünsch’ Euch ein sonniges Gemüt und ein sexy Wochenende ...


*bussi* | Nyx, der Gesetzes(er)brecher ... *mrgreen*

_
*
1 | Deutscher Bundestag. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen, 18. Wahlperiode, Drucksache 18/8556, 25.05.2016

2 | Entwurf eines Gesetzes zur ... Begründung der Bundesregierung: A. Allgemeiner Teil I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

3 | Stuttgarter Zeitung: Die schwierige Regulierung des Sexgewerbes. Mathias Bury, 6.6.2017

4 | Stuttgarter Zeitung: Bordellbetreiber klagt gegen die Stadt. Marc Schieferecke, 15.1.2016

5 | holger-hommel.de – staedtle.de: über uns – staedtle.de/rotlicht u.w.

6 | BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND – DIE BUNDESKANZLERIN: An den
Präsidenten des Deutschen Bundestages, Herrn Prof. Dr. Norbert Lammert, Platz der Republik 1, 11011 Berlin (25.5.2016)

7 | Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (NKR-Nr. 3452)

8 | Stellungnahme des Bundesrates. Der Bundesrat hat in seiner 945. Sitzung beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen: ...

9 | Gegenäußerung der Bundesregierung. Die Bundesregierung nimmt zur Stellungnahme des Bundesrates wie folgt Stellung: ...

10 | Stuttgarter Zeitung: Das Rotlichtviertel wird aufgehübscht. Marc Schieferecke, 18.3.2016

11 | Stuttgarter Zeitung: Prostituiertenschutz als „Billigheimerlösung”? Mathias Bury, 9.7.2017

12 | Bei Abriss Aufstand.de, Offener Brief an Aufbruch Stuttgart

13 | Stuttgarter Zeitung: Rotlichtexperten fusionieren mit Dauerdienst. Christine Bilger, 22.8.2016

**********henke Mann
9.638 Beiträge
Verdienen...
... werden die Rechtsanwälte an diesem Gesetz, aber das muss im Rechtsstaat ja auch so sein.
********tenx Mann
331 Beiträge
liebe Freundin,

vielen Dank für diese außergewöhnliche, sehr reflektierte und so umfangreiche Bestandsaufnahme... ich hab ne Weile gebraucht, so viel Input.

Einige Gedanken von mir dazu. Ich hoffe es ist nicht nur Senf und breit getretener Käse...

Die (vorgeschobene) Argumentation des Prost. "SCHUTZ" Gesetzes ist ja die, Menschen die sich im "Milljöh" bewegen zu schützen, vornehmlich Sexarbeiter/innen.

Mich beschleicht nun seit geraumer Zeit der Gedanke an eine anderen Motivation derer zu glauben, die sich dafür (Stichwort "Reglementierung) einsetzen.

Sicher, wir leben in einer durchpornogaphisierten Gesellschaft ( "Youporn" etc. ), da sollte man doch mit einem freien Geist und unvoreingenommen dem Thema Sexarbeit begegnen können. Selbstverständlich vorausgesetzt eben, sie erfolgt selbstbestimmt und frei. Im gleichen Atemzug wie unfreiwillige Sexarbeiter zu schützen, sollte man auch gegen Lohnsklaven, Billigjobs und Ausbeutung durch wirtschaftliche Abhängigkeit vorgehen. Dann wäre diese Haltung des vorgegaukelten Humanismus vielleicht einigermaßen glaubwürdig.

Reglementierungen bedeuten eben nicht Regelungen für freies Verhalten, eher dem Beschneiden von Freiheiten. Dies geht nun einher mit einer ständigen Zunahme von Beschneidungen selbst frei geäußerter Meinungen. Die "politische Korrektheit" lässt nur einen Weg zu, den der (schein) Heiligkeit, der Unbeflecktheit auf dem Weg der Idealvorstellung einer moralisch perfekten Gesellschaft. Sei es der Konsum von Fleisch, Dieselkraftstoff, die Haltung zur wahren (religiösen) Lehre, der Verballhornung von Sprache (Zigeunerschnitzel und Negerküsse... sind schon böse Worte die aus dem Sprachgebrauch getilgt wurden -Minisprech.. und Orwell läßt aus seinem kühlen Grab heraus grüßen...) mit dem Ziel den guten reinen Menschen zu schaffen. Den es jedoch so jedoch nie geben wird.

Die berechtigte Frage ist diese: Wo führt dieser Weg hin? ..also... wo endet dieser?

Es beginnt nun mit einer Reglementierung von Sexarbeitern/innen, führt letztlich weiter Sexualität an sich zu stigmatisieren. Der Umgang einer Gesellschaft mit Sexualität kann meines Erachtens durchaus als Gradmesser für Freiheit betrachtet werden. Die in unserer Gesellschaft verbriefte Freiheit, seine Persönlichkeit frei zu entfalten, steht damit zur Debatte. Das betrifft hier zunächst all jene, die sich "gewerblich" im Bereich Sexualität bewegen, also eh stigmatisierte Randgruppen. Herr und Frau Mustermann können sic also zunächst gelassen zurücklehnen.

Die von Dir bereits angeführte Absurditäten, dass Dominas und gar praktizierende Tantriker mitreguliert werden sollen, lassen Böses erahnen. Führt dieser Weg nun dazu, dass uns morgen schon Fetischveranstaltungen oder Veranstaltung im erotischen Kontext an sich versagt werden sollen? Vielleicht hin zum politisch korrekten Vermummungsverbot von Gummimaskenträgern und Latexfetischisten...? ...dem Peitschenverbot für Sadisten,dem Leidensverbot für Masochisten?

Wir leben in einer Gesellschaft, die mit einem Paragraphen gegen Gotteslästerung (sic!) jede noch so absurde religiöse Weltanschauung schützt ...in einer Gesellschaft, die sich selbst sehr gerne als ausgesprochen tolerant betrachtet. In weiten, vielleicht aber auch nur oberflächlichen Teilen, ist dem wohl auch so. Doch wie mir scheint, wird all das gerade "neu verhandelt". Dort wo es ans eingemachte geht, dort wo es unbequem wird, bevorzugt man gerne die Tabuisierung ungewünschter Meinungen. Das funktioniert beim Thema Sex, ob käuflich oder nicht, genauso wie sehr gerne mit der Nazikeule auf Ansichten abseits des gewünschten bürgerlich korrekten Mainstream (auch wenn das ab und an berechtigt sein kann) eingeschlagen wird.

Sollen wir zu einer unfreien Gesellschaft erzogen werden, in der sich keiner mehr traut seine freien Gedanken äußern zu können? Wo keine freien Gedanken mehr sind, können auch keine freien Taten mehr folgen...

Das Grundwesen der Zensur ist, dass sie im Kopf stattfindet.


...nur mal so am Rande bemerkt...
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