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Geschichtenspiel Teil 34

*******ose Frau
793 Beiträge
Kinderlogik
„Mama, der Herr Walhorn hat uns schon wieder so eine blöde Hausaufgabe gegeben. Wir sollen einen Aufsatz schreiben, nee, Quatsch, eine Kurzgeschichte, nee, Quatsch, einfach nur so ne Geschichte. Ach, ich weiss auch nicht. Auf jeden Fall frage ich mich die ganze Zeit, was der Herr Weiland damit zu tun hat? Kannst du mir mal helfen?“

„Sophie, ich kann dir nicht folgen.“

„Na, dann schau halt mal.“

„Ja, gleich, lass mich nur eben das Mofa in die Garage schieben, sonst stolpern die Leute auf dem Gehweg da noch drüber…“
„Schatz, stell dir vor, wen ich draussen getroffen hab! Den Herrn Eber. Der wohnte mal hier in der Straße und vor zwei Jahren zog er dann überraschend nach Hamburg. Ich sah ihn und begrüßte ihn ganz freundlich, denn ich hab mich wirklich gefreut, ihn wieder zu sehen. Der ist so ein netter Mann! Und weisst du, was er da sagte? Da sagte er doch glatt, er heiße gar nicht „Eber“, sondern Weiland! Eberhard Weiland! Mensch, war das peinlich! Wieso hab ich mir seinen Namen so falsch gemerkt? Und du, erkläre du mir doch mal, was du da vorhin mit dem Herrn Weiland wolltest? Das kann doch kein Zufall sein!“

„Hahaha, das ist ja so lustig! Hahaha, du dachtest wirklich, der Herr Weiland hieße Eber? Und du hast den so angesprochen? Ich lach mich tot... Wir hatten den doch nur so genannt, weil, wenn er lacht, dann grunzt er dabei, und, und, und weil sein Vorname damit anfängt. Wir haben ihn ausserdem nicht „Herr“ Eber genannt, sondern einfach nur „Eber“, und er hat darüber gelacht. Der versteht Kinder wenigstens. Der ist nämlich echt cool. Der hat ja auch mit uns Pfützenhüpfen gespielt! Da bräuchte ich dich ja nicht mal zu fragen.
Und der ist wieder da? Bleibt er jetzt da? Au ja, bitte…“

„Ähäm, das weiss er noch nicht. Er hat den Auftrag bekommen, den alten Tabernakel im Dom zu restaurieren. Auf jeden Fall bleibt er so lange, bis er damit fertig ist.
Jedenfalls habt ihr mich da in ein ganz schönes Fettnäpfchen treten lassen. So peinlich ist mir das! Kannst du dir das vorstellen? Ich werde noch ein Hühnchen mit euch rupfen, den Leuten Spitznamen zu geben und uns Erwachsene dann im Glauben zu lassen, das seien ihre richtigen Namen!“

„Also gut. Können wir dann jetzt endlich meine Geschichte schreiben? Ich weiss jetzt was ich schreibe. Wahrscheinlich kennt der Herr Walhorn den Herrn Weiland. Ich schreib einfach was über den Eber.“

„Sophie, jetzt nenn' den nicht mehr so! Übrigens ist das Wort „weiland“ hier klein geschrieben. Ich denke, dein Lehrer meint damit bestimmt etwas Anderes, denn sonst stünde da ein „Herr“ davor und hätte ein großes „W“ am Anfang. So wie es geschrieben ist, meint es einfach nur ein altes Wort, das man heute kaum mehr benutzt, und das bedeutet soviel wie „früher“."

„Also schreibe ich über den Herrn Weiland, weiland Eber genannt.“

[Stunden später…

„Mama? Wenn du ihn doch so nett findest, heiratest du ihn dann?“

„Jetzt hör aber auf. So einfach ist das nun auch wieder nicht.“

„Doch, finde ich schon. Ich mag ihn und du findest ihn nett.“

„Aber dann würden dich alle „Ferkel“ nennen und mich „Sau“.]
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Gruppen-Mod 
*gröööööhl*
EINS mit Mappe! Wie geil ist das denn?


Tom
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
magic_rose, das ist wirklich eine süße Geschichte!
*******nd29 Mann
702 Beiträge
Kinderlogik...
...ist saugut! *g*
*******nd29 Mann
702 Beiträge
Einst und jetzt
Es war mir gelungen das zarte Tor des Widerstandes aufzustoßen. Erleichterung durchströmte mich als des Schmerzes Züge aus deinem holden Gesichte wichen und sich in des Blutes Pfütze der Unschuld sammelten. Wo weiland ein Tabernakel nicht mehr als den Vorhof zu erschließen gewährte, so dringe ich nun in alle Heiligkeit ein. Als müsste man die Federn nocheimal rupfen, fassen deine Hände die Betten und rütteln und zittern. Es scheint ein Traum von Flucht und Eilen, daß dir Beine entfliehen und stolpern. Erstaunen zieht in mir hinauf und breitete sich aus wie Staube beim Dreschen. Da reißt der Vorhang und ich fließe hinein in Allerheiligstes. Es rührt mich dein Jammern, doch selbst ergebe ich mich in ein Grunzen des Ebers gleich.
„Der Sex war gut“, dachte ich, auch wenn ich den Umstand nicht gebraucht hätte. Ich stieg in meine Jeans und packte die mittelalterlichen Klamotten in meine Rucksack, nahm mein Mofa und rauschte nach Hamburg.
Und nun ist die Krankenschwester in Spanien auch tot ...

London überprüft die Passagiere am Flughafen die aus Afrika kommen - -
glauben sie wirklich, das würde reichen?

*panik*
Faszinierend ...
... was du aus ein paar Wörtern Input an humorvollem Output zustande bringst. Machst du auch Impro-Theater? Ich glaube, das könntest du.
**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
@*******nd29
Herrlich!
Ich dachte erst, oje... was gibt das denn. Und dann diese wundervoll ernüchternde Aufklärung am Schluss!

Auch die anderen Geschichten sind wieder so toll, ich habe sie mit Vergnügen gelesen!
Mir fehlt nur gerade die Zeit, auf alle einzeln einzugehen. Sorry for... *blume*
**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Und schon wieder ist eine Woche rum.

Ich habe die Ehre und das Vergnügen, für prickelnd29 (der heute Abend leider verhindert ist) die neuen acht Wörter einzustellen:

  • diffundieren
  • frenetisch
  • Dosenfleisch
  • aufsehenerregend
  • vibrationsinduziert
  • Lexanbohrer
  • multisexuell
  • Asteroid


Ich bin schon sehr gespannt, was da alles bei rauskommt. *ggg*
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Gruppen-Mod 
Was zum-
Kuckuck ist denn Multisexuell? Muss das nicht "Bi" heißen? Oder gibt es Geschlechter, die in einer verborgenen Flussbiegung leben und von mir noch nicht entdeckt wurden?
Kann mich jemand aufklären???

Tom

PS: ...vibrationsinduziert.... nee is klar
**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Ein google-Ergebnis zu "multisexuell":

Multisexuell bedeutet, dass ein Multisexueller alles begattet, was nicht bei drei auf nem Baum ist. Das ist ja noch nichts besonderes... Aber wenn alle bei drei auf dem Baum sind, nimmt ein Multisexueller eben den Baum.

*rotfl*

Tom, ich bin schon seeehr gespannt auf Deine Fortsetzung! *lach*
*******day Frau
14.250 Beiträge
Bruderherz...
das Netzt hat für alles eine Antwort *taetschel*

http://www.youngandlesbian.d … multisexuell_pansexuell.html
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Gruppen-Mod 
Voll
der Hänger.....


Tom
*******he77 Frau
599 Beiträge
Die Zähmung der Tiere
Am siebten Tag brachte der kleine Prinz mich abermals zum Staunen. In seiner schwermütigen Art schaute er mich an: „Warum gebt ihr euren gezähmten Tieren nichts Anständiges zu essen?“

„Ich verstehe nicht. Was meinst du?“

Die Reparatur meines Flugzeugs nahm meine Aufmerksamkeit zu sehr in Anspruch und ich war etwas verärgert über die ständig neuen Vorwürfe und Andeutungen des kleinen Prinzen. Dieser dämliche Kolben. Ich musste ihn löten... ach hätte ich doch wenigstens meinen Lexanbohrer dabei. Dann könnte ich den Kolben über die vibrationsinduzierte Spule überbrücken. So aber war ich ratlos, wie ich weiter vorgehen wollte.

„Ich meine,“ fuhr der kleine Prinz fort und riss mich damit aus meinen Überlegungen, „dass ihr großen Leute euch nicht gut um eure gezähmten Tiere kümmert!“

„Um die meisten Tiere wird sich doch gut gekümmert, also um die gezähmten, die einen Menschen haben, der sie gern hat!“

„Gut gekümmert?“ Der kleine Prinz klang erbost. „Mein Fuchs ist das einzige Tier, das ich je gezähmt habe. Er ist mir das Teuerste auf der Welt, neben meiner Rose natürlich. Mit dem Herzen zu sehen hat er mich gelehrt. Wir sind einzig füreinander auf dieser Welt. Und weil wir so einzig füreinander sind, teile ich alles mit ihm. Die Früchte, die ich finde, das Brot das ich backe. Wir sitzen neben einander auf einer grünen Wiese und was mein ist, ist auch sein. Ihr großen Leute aber, ihr bringt euren Tieren blöde Befehle bei „Sitz!“, „Platz!“, „Hier!“, ihr lasst eure treuen Freunde vom Boden essen, gebt ihnen Dosenfleisch und lasst sie in einer Hütte draußen schlafen, damit sie eurer Haus nicht verschmutzen. Dabei sind die Tiere reinen Herzens. Sie lieben euch frenetisch. Ihr aber bindet sie an einen Pflock!“

Meine Gedanken, den Kolben mit Wasser, dass ich durch die Kolbenmembran diffundieren lassen könnte, wieder in Gang zu setzen, schob ich erst einmal beiseite.

„Das mit dem Pflock hatten wir doch schon mal. Dein Stern, der Asteroid B 612, ist so klein, dass dir weder Schaf noch Fuchs davonlaufen können. Hier bei uns aber...“

Ich unterbrach mich selbst, denn dem kleinen Prinzen schossen Tränen in die Augen.

„Du bringst doch alles durcheinander. Du bist wie die großen Leute!“ Er klang empört. Und der Vorwurf mit den großen Leuten traf mich. „Ihr macht einen Unterschied, ob es sich um ein Tier oder einen Menschen handelt, so ein aufseherregenden Geschöpf, das Euch multisexuell anspricht. Immer muss es etwas damit zu tun haben. Dabei lieben die Tiere euch mit reinem Gewissen, aus tiefstem Herzen. Wenn ihr sie genau so liebtet, so käme niemals ein gezähmtes Tier auf die Idee, euch davon zu laufen. Die Tiere laufen nur fort, weil ihr sie schlecht behandelt. Weil ihr sie nicht richtig seht. Nämlich nicht mit dem Herzen. Denn nur mit dem Herzen sieht man gut.“

Der kleine Prinz schluchzte, nahm die Zeichnung mit seinem Schaf aus der Tasche. Und während er immer wieder sanft über das Blatt Papier strich, fügte er zart, aber abwesend hinzu: „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, das du dir vertraut gemacht hast.“


Quelle: frei nach Antoine de Saint-Éxupery „Der kleine Prinz“
*******day Frau
14.250 Beiträge
Engelchen...
heißt das, dass alle ungeprüften männlichen Basismitglieder multisexuell sind? *skeptisch*
**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
heißt das, dass alle ungeprüften männlichen Basismitglieder multisexuell sind?

Dieser Gedanke kam mir auch sofort... *ggg*
*******day Frau
14.250 Beiträge
*hi5*

Aber was zum Teufel ist ein Lexanbohrer? *nixweiss*


Seufz. Tiefseufz.

Und weiter googeln geht...
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Gruppen-Mod 
F 220 Kapitel 9: Aktion und Reaktion
Kapitel 9: Aktion und Reaktion

(Coreolan-Ouvertüre)


Ich musste mich setzen. Der Schwindel übermannte mich. Claudia saß auf ihrem Hintern auf den Fliesen und war kreideweiß. Was ging da gerade ab in ihr? Das war das erste Mal, dass sie zusammenhängende Sätze sprach, die frei von Flüchen waren. Und es war das erste Mal, dass ich ihr das abkaufte, was sie sagte. Alles sah so aus, als wenn Claudias Ex ihr etwas gespritzt hatte, nachdem er sie betäubte. Die logische Kette hieß: Es musste etwas sein, das sie freiwillig nie zugelassen hätte. Damit war es eine Vergewaltigung. Claudias Ex schien ein echter Mistkerl zu sein. Was aber bedeutete das jetzt? Nichts, schätzte ich. Jedenfalls nichts, was mich anging.

“Dein Typ war ein echter Knaller, was?”, fragte ich in normaler Tonlage. Für eine härtere Ansprache war ich gerade zu schwach. Und doch musste ich das verbergen.
“Er war ein guter Mann!”, trotzte sie.
“Klar. Bis zu dem Punkt, wo er dich als Versuchskaninchen benutzt hat.”
Die Antwort war Schweigen.
“Na komm, hopp, zurück aufs Bett. Ich sorge dafür, dass du diesmal nicht aus den Fesseln diffundieren kannst.”
Diesmal hob ich, ob des Anblickes draußen auf dem Acker, nur widerwillig das Gewehr, um meine Absicht zu bekräftigen.
“Nein”. Tonlos und halbwegs entschlossen widersprach sie mir, trotz des drohenden Gewehrlaufes.
“Wetten doch?”
“Nein, ich will nicht.”
“Kinder, die was wollen, kriegen was auf die Bollen, kennst du doch. Und dein Prediger hat dich reichlich verbollt, oder sehe ich das falsch? Wie kommst du auf die Idee, dass der Teufel nachsichtiger sein könnte, als ein schwuler Priester?”
Ich lehnte mich weit aus dem Fenster mit meiner Provokation, das wusste ich. Hier und jetzt wäre sie der Sieger, wenn sie mich anspringen würde, so schwindelig war mir.
“Ich könnte dir einen Deal anbieten”
“Was für einen Deal, Schnucki? Du hast nichts, aber auch rein gar nichts, womit du handeln könntest.”
“Und wenn doch?”
“Was soll das sein, hm? Der Splitter eines Asteroiden oder abgelaufenes Dosenfleisch?”

“Zuerst, bevor ich sage, womit ich handle, will ich ein paar Zugeständnisse von dir”
“Zugeständnisse? Und dann gleich mehrere? Lächerlich. Was soll das sein? Habe ich dich nicht fair behandelt? Du durftest duschen, du durftest essen. Allein dafür hätte ich frenetischen Dank erwarten dürfen. Wenn du s wieder auskotzt, ist das nicht mein Problem. Ich finde, ich war ganz schön nett zu dir, wenn man bedenkt, warum du eigentlich hier bist”
“Okay, als Beweis, dass ich es ehrlich meine, schau her”, sagte sie und zerrte am Overall der Toten ein wenig herum. Der Arm, der auf ihrem Brustkork lag, fiel schlaff zur Seite. Auf der linken Brusthälfte prangte ein aufsehenerregendes, weißes Logo.Ein Totenkopf, darunter gekreuzt Neptuns Speer und ein Hirtenstab. Der Schriftzug darunter war von verkrustendem Blut bedeckt, deswegen erkannte ich es nicht sofort. Aber ich kannte das Logo. Jeder, der mit Seefahrt zu tun hatte, kannte es. Sea-Shepherd. Die Hirten des Meeres. Walschützer, Umwelt-Aktivisten, Delphin-Retter. Eine aufrechte und ehrenwerte Truppe allemal. Denen schlechte Absichten zu unterstellen, wäre ein Witz.
Claudias Beweis stürzte mich nun aber in ein Loch. Wenn nicht der Prediger der Angreifer war, sondern die Sea-Shepherds, dann hatte sich gerade eine dritte Front eröffnet und das war ein bisschen viel für diesen Tag und für meinen Zustand. Zugleich machte es Hoffnung. Es gab ganz offensichtlich doch mehr Menschen, als ich vermutete.
“Okay, was willst du?”
Claudia schien überrascht, denn sie fand nicht sofort Worte.
“Ich will nicht mehr gefesselt sein”
“Vergiss es!”
“Nein!”, wieder dieser vehemente Widerspruch, “stell dir vor, diese Psychotruppe greift wieder an, dann liege ich hier wie ein Käsebrötchen und bin tot! Ich will wenigstens kämpfend sterben und nicht darauf warten müssen, mit Lexanbohrern perforiert zu werden!”
“Lächerlich. Als nächstes willst du eine Waffe, was? Keine Chance”, lachte ich sie an.
“Ach komm schon, diese Psychos kommen wieder, darauf wette ich”.
“Aus welchen unerfindlichen Quellen beziehst du deine Weisheit, hm? Den Sea-Shepherds Psycho-Tendenzen zu unterstellen ist lächerlich. Schau dich mal an, denk an den irren Prediger, und du willst denen Wahnsinn bescheinigen? Ha-ha-ha!”
“Sie kommen wieder, ich weiß es!”
“Woher denn?”
“Na, vielleicht habe ich gesehen, wie sie es machen wollen?”
“Wie?”
“Erst dein Wort”
“Nein”
“Tja, dann…”, ließ sie den Satz offen, sah demonstrativ aus dem Fenster und wähnte sich im Vorteil.
Ich stand auf, hob die Waffe und deutete auf das Bett.

“Nein, nein, komm schon. Ich weiß noch mehr”
“Okay, aber du bekommst Handschellen. Friß es oder lass es”
Ich sah ihren Konflikt. Ginge es nur darum, Konzessionen zu erlangen, wäre die Antwort schnell gekommen. Plante man einen taktischen Vorteil, dauerte der Überlegens-Prozess länger. Also blieb es dabei; Ich konnte der Furie nicht trauen. So ein Weib hatte ich noch nie kennen gelernt.

“Okay, Handschellen. Du wirst mir schon noch trauen”
“Garantiert nicht”, dachte ich.
“Also, was weißt du? Raus damit”
Claudia stand elegant auf. Ich wunderte mich einmal mehr, wieviel Kraft in diesem schmächtigen Körper steckte. Wenigstens stank sie nicht mehr.
“Die Typen kommen übers Wasser”
“Aach komm schon, das weiß ich längst! Die Schiffsgeschütze haben vorhin ein Boot zerfleddert”
“Nein, das war die Ablenkung, du Schlaumeier. Die eigentlichen Typen sind auf dem Gelände, Sportsfreund. Ich sah Schnorchel im Wasser. Und deine Geschütze taugen nichts, denn sie haben es nicht bemerkt”
“Erzähl keinen Mist. Spätestens, wenn die an Land gehen, werden sie aufgefasst.”
“Eben nicht! Das sind weder RSGs (*1) noch vibrationsinduzierte Rezeptoren an deinen Kanonen, oder? Aber für diese Information will ich etwas anderes.”
“Sag mal, sind wir hier auf dem Flohmarkt, oder was?” Ich wunderte mich insgeheim, woher sie das alles wusste? RSGs hatten nur die Amis und Vibratrionsrezeptorgeschütze hatte sie gerade erfunden. Aber man musste auch erst einmal drauf kommen!
“Vielleicht nicht”, antwortete sie und schau an, sie konnte sogar lächeln, “aber vielleicht auf dem Bazar.”
Ich musste lachen.
“Also, was willst du?”
“Falls hier ein Gefecht abgeht, will ich freie Hände haben.”
Verdammt, das ging nicht in meinem Sinne ab. Aber ich brauchte die Informationen, um die Feuerautomatik neu zu programmieren.
“Ich traue dir nicht. Ich kann dir nicht trauen, das hast du eindrucksvoll bewiesen”
“Stimmt, aber das war, bevor der Stützpunkt überfallen wurde. Überfallen von Leuten, die nicht zu unserer Truppe gehören”
Aha. “Truppe”. Der verdammte Prediger hatte also eine Truppe zur Verfügung. Eine Truppe hieß: 10 Mann oder mehr.
“Also, was willst du haben?”, fragte ich sie und bemühte mich, nicht zu zeigen, dass sie mir eine wertvolle Information geliefert hatte.
“Ich habe Hunger, ich möchte endlich etwas essen. Nichts Großes. Es muss nur nahrhaft sein.”
“Nichts Großes? Also ein Zwieback und ein Glas Milch oder was?”
“Egal. Milch brauche ich nicht, Wasser reicht”
“Hat das Steak etwa nicht geschmeckt?”
“Es war totes Tier. Der Prediger meint….”, dann verstummte sie.

Ich nickte. Schon klar. Beinahe vermeinte ich, den irren Prediger auf ihrer Schulter sitzen zu sehen. Sie mochte mir vorspielen, kooperativ zu sein, aber sie war weit davon entfernt.
“Okay, essen ist genehmigt. Also?”
“Es ist die Spitze des Schiffes.”
“Du meinst den Bug.”
“Genau. Er ist ungeschützt. Dort sind die Taucher an Land, sind zu den sandfarbenen Containern gekrochen und im angrenzenden Gebäude verschwunden, ohne dass die Geschütze etwas mitbekommen haben. Das nennt man wohl: Toter Winkel”

Verdammt. Der Bug und die Container, in denen die Ersatzteile und die Munition von Rheinmetall untergebracht waren. Ich musste etwas unternehmen. Wenn hier auf dem Stützpunkt Leute waren, waren wir alle in Gefahr. Was ihr Ansinnen, ungefesselt zu sein, untermauerte.
“Okay. Gehen wir essen. Ich habe noch viel zu tun, schätze ich. Wir müssen uns beeilen.”
WIR? War ich jetzt komplett verrückt geworden?

“Es gibt noch mehr”
“Wie bitte? Noch mehr?”
“Ja. Aber dafür will ich eine Waffe”
“Du spinnst. Ich bin doch nicht bescheuert. Man gibt seinem Feind keine Waffe in die Hand”
“Der Feind meines Feindes ist mein Freund, erinnerst du dich?”
“Für wie bekloppt hältst du mich? Um dir eine Waffe zu geben, müsstest du mir den Prediger selbst liefern. Und zwar mit einem Apfel im Maul auf einem Silbertablett.”

Ich provozierte sie bewusst. Wollte ihre Reaktionen sehen. Wollte herausbekommen, wie loyal sie dem Predigern gegenüber war. Aber sie hatte sich gut im Griff. Keine Reaktion. Also war sie sich sicher, dass ihre Information wichtig war. Den Prediger würde sie mir niemals liefern. Aber ich hatte ein Hintertürchen entdeckt.
“Wenn du nicht darauf eingehst, sind wir alle in Gefahr. Auch deine bescheuerte Miezekatze.”
“Das ist ein Ozelot. Und sie gehört mir nicht, es ist eine Freundin, klar?”
“Von mir aus. Also, was sagst du?”
“Ich sage, du willst mich anscheißen. Ich sage, du bist immer noch die Hure des Predigers. Ich sage, du suchst einen Weg, mich umzulegen. Das war von Anfang an dein Plan. Und wenn “wir” in Gefahr sind, wäre es unlogisch, es mir nicht zu sagen. Denn dann kann ich “uns” auch nicht beschützen.”
Sie dachte nach. Wägte ab. Es ist schon spannend, zu sehen, dass sich Denkvorgänge im Gesicht widerspiegeln.

“Okay. - dramaturgische Pause - Der elektrische Zaun geht nicht mehr.”
“Wie bitte? Und das sagst du mir jetzt erst? Wann hast du das bemerkt?”
“Als ich aus dem Fenster sah. Einer der Typen, die an Land gekrochen kamen, hat den Zaun berührt. Nichts passierte.”
Ich musste tief Luft holen. Das passte mir ganz und gar nicht. Ein Riesenloch im Zaun, der Zaun selbst außer Funktion und dazu noch Leute im Gebäude neben dem Kai. Es war eine Lagerhalle. Eine, die ich noch nicht durchsucht hatte. Und ob ich wollte, oder nicht, ich brauchte ihre Unterstützung. Und das ging mir vollkommen gegen den Strich.

“Hör zu”, eröffnete ich widerstrebend meine Ansprache, “ich schätze, wir haben ein Problem. Die Typen wollen etwas, was, weiß ich nicht. Aber ich kann es nicht dulden. Das hier ist kein Selbstbedienungsladen. Wir haben eine Riesen Lücke im Zaun, jeder könnte aufs Gelände, der Elektrozaun hält niemanden mehr ab. Also muss etwas passieren. Zuerst die Typen finden. Wieviele waren es?”
“Vier, wenn ich richtig gesehen habe”
“Du sagst, du bist eine Kämpferin und keine multisexuelle Priesterhure?”
Sie grinste mich an.
“Dann gehen wir jetzt jagen”
Ihre Augen begannen, zu leuchten.
“Ich bekomme eine Waffe?”

“Würde dir doch gar nichts nützen. Sobald du die Nase aus dem Haus streckst, bist du Frittenfett. Sieh dir die Kleine an. Nein, es muss ein Plan her.”
Fieberhaft dachte ich nach. Die Sensoreneinheit brauchte ein paar Sekunden, um ein Ziel aufzufassen, zu verarbeiten, identifizieren und klassifizieren. Die Richthydraulik braucht auch eine gewisse Zeit. Ich schätzte 3, maximal 4 Sekunden vom auffassen bis zum Schuss. Ich würde den Teufel tun, Claudia in die “Freund”- Kennung zu packen. Das würde ich früher oder später bereuen.

“Du brauchst mich. Allein kannst du die nicht plattmachen. Nicht in deinem Zustand.”
Scheiße. Sie wußte es. Oder ahnte sie es nur? Und warum griff sie nicht an? Ich beschloss, nicht darauf einzugehen.
“Diese Typen räumen gerade das Lager aus. Weiß der Kuckuck, was die wollen. Ich muss auf jeden Fall nachsehen. Dazu brauche ich dich, das ist leider wahr.”
Ich sah das triumphale Glitzern in ihren Augen und das machte mir gerade eine Scheiß Angst.
“Wir machen das so. Ich gehe ganz normal auf das Lager zu. Und zwar so, dass die mich kommen sehen. Du wartest am Hintereingang. Wenn die Typen rauskommen, nagelst du sie fest.”

“Wieso ich? Wieso treiben wir sich nicht von zwei Seiten zusammen und machen sie fertig?”
“Du kapierst nicht, dass Informationen das halbe Leben sind, was? Außerdem bin ich Soldat und kein Massenmörder.”
“Du WARST Soldat, Kollege. Jetzt bist du Vogelfrei.”
“Sagt der Prediger?”
“Sagt der Prediger!”
“Na, wenn er sich da mal nicht irrt.”
Ich stand auf. Vorsichtig. Langsam zog ich die P12 aus dem Halfter, entfernte das Magazin. Claudia betrachtete mit eisigem Blick, wie ich alle Patronen aus dem Magazin nahm, bis auf eine.
“Hier”, sagte ich, nachdem ich das Magazin wieder in die Pistole gesteckt hatte, “du hast zwei Probleme, wenn der Plan aufgehen soll. Du hast nur einen Schuss. Du kannst mich umlegen und dich noch eine Stunde lang freuen, bis die Schiffsgeschütze dich beim verlassen zerfetzen, oder… du beweist mir, dass man dir trauen kann.”

“Was ist das zweite Problem?”
“Das zweite Problem sind die Geschütze. Du hast von hier aus drei, maximal vier Sekunden, um hinter das Transformatorhäuschen zu kommen. Dann warten. Weitere drei Sekunden Sprint zum Kompaniegebäude. Das Haus auf der Rückseite umrunden und weitere drei Sekunden Sprint zum Hintereingang des Lagers. Ab vier Sekunden hat dich die Sensoreneinheit erfasst und die Hölle bricht los.”
“Welche Sensoreneinheit?”
Hielt die mich für blöde?
“Die auf dem Schiff, mehr musst du nicht wissen. Ich weiß, dass ich dir gerade erklärt habe, wie man durch die Vordertür rein und wieder raus kommt. Mach was draus. Denn notfalls mache ich die Leinen los und schippere davon.”

Ich hielt ihr die P12 hin, mit dem Griff zu ihr. Ich schätzte, es war Judith, mit der ich nun zu tun hatte, denn ihr Blick war eiskalt. Sie stand auf, griff nach der Pistole. Und man merkte sofort, dass sie irgendwie, irgendwo ausgebildet worden war. Denn der erste Blick galt der Sicherung.
“Ein Schuss?”
“Ein Schuss.”
“Gehen wir jagen.” Der lakonische, kalte Ton ließ mich schaudern.



*1 = RSG = RemoteSentryGun (Vollautomatische Abwehrkanonen, auf Geräusche reagierend)
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Gruppen-Mod 
@Sinnliche
ich sehe meine Tiere ausschließlich mit dem Herzen *g*
Und sie bekommen gutes Futter. Guckssu Foddo.

Obschon man dem kleinen Prinzen prinz-ipiell Recht geben muss...

Tom
Heute gabs Küken für die Katzen
******ier Frau
36.568 Beiträge
@Sinnliche77
Sehr schöne Geschichte. Gefällt mir sehr. *top*
*********ynter Frau
9.578 Beiträge
F220“ Kapitel 9b „Überraschung“
„Multisexuelle Priesterhure!“ Wie kann es diese widerliche Kreatur nur wagen, mich so zu titulieren! Ausgerechnet mich – die doch alle Reinigungsriten unter der persönlichen Aufsicht des Predigers erfolgreich durchlaufen hat und die jede geschlechtliche Vereinigung gemäß seinen Regeln ablehnt!
Nicht so wie dieses schwache Fleisch Claudia, die in selten schwachen Momenten sich sehnsuchtsvoll an die vibrationsinduzierten Orgasmen erinnert, die ihr einst ihr „Zauberstab“ in Ausübung ihrer ehelichen Pflicht verschaffte.

Wie sehr ich diesen Sünder hasse und wie sehr ich die Nähe meines gütigen Mentors vermisse. Am liebsten würde ich Sünders gotteslästerliche Zunge aus seinem Gaumen reißen!
Doch, wenn ich jetzt bocke, dann wird es nie etwas mit der nötigen Bewegungsfreiheit um die Aktion „Schleich-dich-in-sein-Vertrauen-bis-er-unvorsichtig- wird-und-dann-schlag-gnadenlos-zu“ zu starten und meine Mission erfolgreich zu beenden.
Er provoziert mich absichtlich! Das ist wieder eine seiner Fallen, elender Klumpen Schleim, aber nicht mit mir! Ich werde mit der Bestie heulen, doch diesen Spruch wird er mir büßen!

Mein Mund lächelt mit zusammengebissenen Zähnen. Eine Waffe - allein das Gefühl - wieder kalten Stahl, in meinen Händen zu spüren! Einen kurzen Moment bin ich in der Versuchung einfach auf den Sünder anzulegen und abzudrücken, doch ich beherrsche mich, denn es wäre schlicht und ergreifend unter meiner Würde.
Ich pflege meine Vollstreckungen genussvoll und fast sinnlich zu zelebrieren. Dieser Tod wäre nicht nur zu einfach sondern auch viel zu schnell für die Sünden der Kreatur. Meine Wangen glühen und mein Gesicht strahlt, weil ich endlich tun darf, was ich am besten kann – nämlich kämpfen, die Oberhand gewinnen und Sünder vor das Angesicht Gottes schicken!

Sein Gesichtsausdruck ist weniger enthusiastisch, um es nett zu formulieren.
Er traut mir nicht, und das mit Recht - aber er muss – ob er will oder nicht! Allein wird er es gegen die Übermacht der Angreifer nicht schaffen. Zudem muss ich ihn mit meiner Feuerlöscher-Aktion schwerer verletzt haben, als gedacht - sicher seine Rippen - so schmerzverzerrt wie er schaut.
Obwohl er sich sehr anstrengt, es zu übertünchen. Doch meine, schon immer guten Instinkte, kann er nicht täuschen.

„Schleich dich von hinten über die Rampe an die Lagerhalle heran“, weist er mich an, „dort hast du mehr Deckung vor dem Turm-Feuer. Denk dran, drei bis vier Sekunden bevor die Geschütze auslösen! Ich komme von vorn und dann treffen wir uns drinnen und machen mit vereinten Kräften die Bande fertig, ok?“

Ist da leichte Besorgnis in seiner Stimme? Hat er etwa Zweifel daran, dass ich es schaffe? Oh Sünder, du hast ja keine Ahnung, welch ein hartes Ausbildungsprogramm ich durchlaufen habe, ich bin die beste der „sieben Sterne“ und, dass ist jetzt nicht übertrieben oder angeberisch. Nicht umsonst trage ich die Nr. Eins.

„Viel Glück!“ ergänzt er verhalten, es klingt fast wie ein Abschied.
Die Claudia in mir schluckt einen Kloß hinunter, während Judith wortlos nickt und die Tür öffnet.

Ich spähe mit geschultem Blick über das Gelände, präge mir die Details meines Weges ein, jeden Müllcontainer, jede Wand, die Deckung bietet und jedes Hindernis, über das ich stolpern könnte. Dann sprinte ich los, diffundiere mit der Dunkelheit, werde eins mit ihr.
Lautlos und mich immer im Schatten einer Deckung zu den Türmen haltend, sprinte oder robbe ich je nach Lage über das Gelände. Einige Zeit später ist die Halle mit den Rampen in Sicht, nur noch eine mit Gestrüpp bedeckte Brache trennt mich von dem Ziel.

So weit so gut. Es ist auch kein Angreifer in Sicht. Diese freie Fläche kommt mir bekannt vor, schlich hier nicht gestern dieses verdammte Madame-Viech herum?
Ich ducke mich und beginne sehr vorsichtig und konzentriert durch das Unkraut zu robben, dabei ignoriere ich Spinnenfäden in meinem Gesicht und über mich krabbelndes Insektengetier, die fiesen Stacheln der Disteln und der Brennnesseln und unterdrücke den Niesreiz, als mich Blütenpollen quälend in der Nase kitzeln.
Das beinharte Training des Predigers zahlt sich aus, ich bin eine tödliche Waffe auf zwei Beinen in einem mit Teflon beschichteten Körper.
Nichts und niemand kann und wird mich aufhalten!

Mein Hände ertasten beim kriechen dicht über dem Boden etwas Vertrautes: Mein Rucksack! Ich habe ihn gefunden!
Am liebsten würde ich vor Freude laut aufschreien.
Vorsichtig und leise ziehe ich den Reißverschluss auf und taste nach meinem Karambit. Ich halte es in meiner Hand, fühle die starre Lederhülle, die die metallene gebogene Klinge, welche an eine Raptorenkralle erinnert und auch genauso tödlich ist, verbirgt!

Ich kann nicht widerstehen, mein kleiner Finger schlüpft durch den Metallring am Ende des Griffs und meine übrigen Finger legen sich fast zärtlich in die vorgesehenen Vertiefungen. Der Daumen obenauf streichelt es sanft und die Schneide wirft das gleißende Licht des Vollmonds kurz auf meine triumphierend lächelnden Lippen.
Ich hauche einen Kuss auf die Seitenfläche der kalten Klinge und drücke es kurz an mein Herz. Oh Baby – wie sehr hab ich dich vermisst!

Zuversicht durchströmt mich, ich werde meine Mission erfüllen, vielleicht sogar noch heute, dann könnte ich gefahrlos zum Prediger zurückkehren, ich wäre noch im Rahmen der Zeit.
Ich sichere die Klinge wieder und lasse das Karambit in einer der vielen Klettverschlusstaschen an meiner Hose verschwinden.
Bald Mannteufel zerren dich die wehrhaften Erzengel, vor deren Füße ich dich stoßen werde, vor den Thron des höchsten Herrn!

Ich erreiche die Rampe, schleiche über sie ins Innere und sehe vier der Angreifer, die sich an Ersatzteilen und Ausrüstung zu schaffen machen. Meine scharfen Augen scannen den Raum. Sind noch mehr Angreifer hier und wo ist der Sünder?
Ich spähe aus meinem Versteck und entdecke seinen Schatten gegenüber von meiner Position. Sein Gesicht taucht aus dem Dunkeln auf, er blickt fast erleichtert in meine Richtung und hält drei Finger vor sein Gesicht.
Ich verstehe und nicke, er zählt rückwärts. Bei „Eins“ stürmt er, „Banzai!“ schreiend, aus seinem Versteck und ich stürze mich - den Überraschungsmoment nutzend – aufsehenerregend wie eine Raubkatze von hinten auf den Angreifer, der mir in meiner unmittelbaren Nähe den Rücken zudreht und nocke ihn, mit einem gezielten seitlichen Schlag auf sein Kinn, aus.
Es kracht als hätte ich ihm den Kiefer gebrochen. Es kümmert mich nicht! Was der Sünder macht, sehe ich nicht, aber auch sein am nächsten stehender Gegner liegt wehrlos am Boden.

Two Togo! Ein Riesenkerl mit wildem Rauschebart läuft auf mich zu und will mich mit seinen Prankenhänden packen. So wie er mich anschaut, erwartet er das volle Kampfprogramm und stellt sich innerlich darauf ein, ich sehe es in seinen Augen.
In Sekundenbruchteilen wäge ich ab. Im Nahkampf hätte ich in meinem geschwächten Zustand sicher keine Chance gegen diesen Bär von einem Kerl. Ich muss ihn direkt mit meinen ersten Schlag zu Fall bringen, sonst habe ich verloren.

Mein Vorteil ist, dass ich total fit und durchtrainiert bin. Mein Killerinstinkt übernimmt und mein Körper spult die kommenden Bewegungen fast mechanisch ab. Mit einem schnellen hohen Sprung mit halber Pirouette, einem “Mawashi Geri” und passendem Schrei trete ich dem Bären mit der harten Sohle meiner Stiefel gegen die Schläfe.
Das hat er nicht erwartet, keine Gegenmaßnahmen ergriffen, denn er fällt wie ein Sack zu Boden. Den Rest gebe ich ihm mit einem gezielten Schlag gegen seinen Solar Plexus.
Auch Sünders letzter Gegner liegt erschlafft am Boden. Sünder ist auf Adrenalin und in Hochstimmung, strahlt dabei wie ein frisch geputzter Dreckeimer. Frenetisch lobt er meine effektive Kampftechnik und faselt etwas von toller Teamarbeit.
Im Team mit dem Sünder? Jede Zelle meines Körpers windet sich in Ekel. Allein die Vorstellung, dass der Prediger diesen Umstand erfahren könnte, lässt mich grausen.

Das ehemals sicher peinlich aufgeräumte Lager sieht aus wie nach einem Asteroideneinschlag. Aus den Schränken und Kisten wurde alles Mögliche an Ausrüstungsgegenständen, EPa`s, Obstkonserven, Dosenfleisch sowie allerlei Ersatzteilen achtlos herausgerissen und liegt nun überall verstreut herum.

Wir benötigen etwas, um diese Angreifer zu fesseln, solange sie noch wie die Engelchen schlummern. Doch müssen sie genügend Bewegungsfreiheit haben, um mit uns kriechend die Distanz zu unserem Gebäude zu überwinden. Mit was denn nur?
In diesem gigantischen Durcheinander entdecken wir einige Seile - das ist die Lösung!
Sünder beginnt, den Angreifern die Seile um ihren Bauch zu winden und sie wie Luftballons an einer Schnur miteinander zu verknoten. Nicht schön, aber selten.
Ich checke zur Sicherheit ihre Hosentasche und voilà – fördere ich einige fiese Waffen zu Tage, Klappmesser, eine Pistole und einen Lexanbohrer.

Zuletzt schütte ich einen Eimer Wasser über ihnen aus, damit sie aus ihren Schläfchen erwachen und gemeinsam treiben wir sie mit unseren Waffen im Anschlag auf die Beine. Wir geben ihnen zu verstehen, wohin sie in breiter Front zu kriechen haben und folgen ihnen, die Läufe auf sie gerichtet.
Ich habe ihnen angedroht, ihnen die Eier abzuschneiden, wenn sie sich auf dem Weg auch nur einmal mucksen. Der Sünder hat dabei ein strenges Gesicht zustande gebracht, obwohl er sich lieber vor Lachen ausgeschüttet hätte. Doch hat es gewirkt! Sie halten mich für die Fiesere von uns beiden und haben Angst vor mir.
Judith genießt es. Das war ja fast zu einfach, denke ich bei mir.

Irgendwie sind Thomas und ich ein ziemlich gutes Team! funkt Claudia dazwischen.

Schnauze Claudia, verzieh dich in den letzten Winkel meines Körpers, sonst lasse ich dich leiden! Mit der Pestilenz kooperiert man nicht! knurrt Judith lautlos.

Wir erreichen gerade die Rückseite des Stützpunktes, die vor dem Geschützfeuer der Türme sicher ist, als uns das Sirren und die Einschläge eines wahren Pfeilhagels um uns herum aufs Höchste alarmiert.

„Los durchs Fenster, Beeilung!“ befiehlt die Kreatur und wir springen auf unsere Füße.

Die vier Zusammengebundenen agieren gezwungenermaßen langsamer. Mit gezücktem Messer (Ist das etwa eins von meinen?) schneidet Sünder die Seile durch und treibt die Gefangenen zur Eile an, während ich das Ganze mit Waffe im Anschlag sichere, als das Sirren in meine Richtung immer bedrohlicher wird.
Meine feinen Härchen stellen sich ob der unsichtbaren Bedrohung auf und, als ich mich instinktiv ducken will, bricht der Sünder hinter mir wie in Zeitlupe in sich zusammen. Erschrocken registriere ich einen gewaltigen schwarzen Pfeil, der unterhalb seiner Schulter steckt.

„Nein!“ schreien Judith und Claudia gleichzeitig, allerdings jede aus einem anderen Beweggrund.

Ich fasse es nicht, er hat den Pfeil, der für mich bestimmt und sicher tödlich gewesen wäre, mit seinem Körper abgefangen.
Er hat mich beschützt! Warum?
Seit wann retten Teufel Leben?
Ist er tot?
Ich gehe in die Hocke und greife nach seinem Puls, während ich die Pistole auf die vier Typen richte ohne sie aus den Augen zu lassen. Er ist schwach, aber vorhanden, er lebt. Er hat MICH gerettet, MICH – seinen schlimmsten Alptraum!

Judith übernimmt sofort mit eiskalter Routine das Kommando und Claudia ist dankbar dafür. Zum überhaupt allerersten Mal lässt Claudia sie ohne Gegenwehr agieren, denn Judith weiß nun, was zu tun ist!

Zuerst muss ich die Gefangenen einsperren, bevor ich den Sünder retten kann. Ich brülle dem Typ mit dem dick geschwollenen Kinn zu, er solle die Kabelbinder aus Thomas Hosentasche nehmen und dem Bären die Daumen vor der Brust zusammenbinden.
Dann den Arm des nächsten durch den Arm des Bären fädeln und wieder die Daumen binden und so weiter wie beim Luftmaschen häkeln, nur viel schneller!
Den Kinn-Typ übernehme ich. Das Ganze dauert nur wenige Sekunden, während weitere Pfeile um uns herum einschlagen.

Ich treibe sie so gefesselt in das Innere, ziehe nochmal die Kabelbinder nach und siehe da, es war noch Spiel – jetzt nicht mehr!
Schließe die Tür hinter mir ab und renne geduckt zurück zum Sünder.
Jetzt ist höchste Eile geboten, denn nicht nur Sünder, ähm Thomas braucht meine sofortige Hilfe, ich kann auch die Typen nicht so lange derart gefesselt lassen, weil ihnen sonst die Daumen absterben. Eigentlich ist Judith das egal, aber Claudia flüstert: „ Vielleicht sind sie noch von Nutzen?“

Der Pfeilhagel hat nachgelassen. Da liegt er, noch immer bewusstlos.
Er blutet und dieses Mistvieh von einer Katze steht mit dem Kopf über seinen gebeugt, über ihm, und schnüffelt oder leckt an ihm.
Die wird ihn doch nicht fressen wollen?
Gerade zücke ich die Waffe und lege auf sie an, als ich sehe, wie sie über sein Gesicht leckt. Ich senke die Waffe.
Nein, fressen will sie ihn wohl nicht – aber was …? Verdammt, mir kommen die Tränen, die Rührung übermannt mich, dieses wilde Tier liebkost Thomas mit seiner rauen Zunge, der eben zu sich kommt und die Augen aufschlägt.
Er flüstert mit schwacher und schmerzverzerrter Stimme:

„Ist ja gut Madamchen, Thomas ist wieder da, so schnell kriegen mich diese Stinkstiefel nicht kaputt. By the way, du brauchst ein TicTac…so wie du aus dem Halse stinkst, mein Kätzchen“.

Er tastet schwach mit der Hand nach seiner Wunde mit dem Pfeil, stöhnt und streichelt dann über ihr Fell. Er versucht sich aufzurichten und fragt sich wohl eher selbst, wo denn der verdammte Racheengel (damit meint er wohl mich) steckt. Dann sieht er mehr von mir als ihm liebt ist.

Madame faucht unvermittelt, krümmt ihren Rücken und setzt zu einem Sprung an. Sünder, Thomas sieht mich mit meinem Karambit auf ihn zu rennen, seine Pupillen weiten sich in Überraschung.
„Scheiße!“ ruft er aus, tastet hektisch nach seiner Waffe, als er sie nicht findet, registriere ich so etwas wie Ich ergebe mich Schlampe, du hast gewonnen! in seinem Blick.

Madame sprintet los, doch nicht in meine Richtung, sie vollzieht eine 90 Grad-Wende in Richtung des Brachlandes. Eben flüchten tapsend und maunzend ihre kleinen Kätzchen aus dem hohen Unkraut, von einem weiteren Angreifer aufgeschreckt.

Sie springt ihn frontal an und bringt ihn zu Fall, ehe er reagieren kann. Ich lasse meinen verdutzten Retter links liegen, obwohl mich einen sehr kurzen Moment lang, der Gedanke streift, dass jetzt eine tolle Gelegenheit wäre, die Mission zu Ende zubringen.
Stattdessen renne ich dem Katzenvieh hinterher und werfe mich mit so viel Schwung auf meine Knie, dass ich auf dem matschigen Untergrund noch eine Stück weiter rutsche, den Typen packe, ihm die scharfe gebogene Klinge an den Hals setze und eigentlich vorhabe, kurzen Prozess mit ihm zu machen.

„CLAUDIA – STOPP!“ ruft Thomas, „er könnte nützlich sein!“

„Ich heiße Judith!“ schreie ich trotzig.

Ein Blutstropfen umschmeichelt die Messerspitze. Der Typ liegt da wie vom Donner gerührt. Er ist so überrascht, dass es ihm die Sprache verschlägt. Weitere Tropfen rotten sich zusammen, bilden einen kleinen Kreis, der schließlich den Gesetzen der Schwerkraft gehorchend, in einem dünnen Faden den Hals herunter rinnt.
Ganz still und bewegungslos vor Angst liegt er. Sein heftiger Atem hebt und senkt hektisch seinen Brustkorb auf und nieder.

„Nein, du bist Claudia! Hörst du – C-L-A-U-D-I-A- ist dein Name!
Bekämpfe die andere Seele in deiner Brust, leiste Widerstand! Du bist nicht so wie Judith! Du hast Mitgefühl, du bist ein Mensch, du bist nicht SIE!
Verschon ihn, bitte, CLAUDIA, töte ihn nicht, wir werden ihn noch brauchen!
Denk nach, dann weißt du, dass ich Recht habe!“ stöhnt Thomas mit letzter Kraft und taucht erneut in die erlösende Schwärze der Bewusstlosigkeit ein.

Judith und Claudia ringen in ihrem Inneren miteinander. Ich fluche unanständig.

„Na schön, du Mistkerl, auf die Beine mit dir, nur eine falsche Bewegung und du bist Geschichte, kapiert?!“

Er nickt stumm.

„Ab mit dir Madame! Kümmere dich um deine Kleinen und – gut gemacht!“ lobt die fifty/fifty-Mischung aus Judith und Claudia den Ozelot streichelnd.
Schnurrend entfernt sie sich mit ihren Kleinen ins Dickicht des Unkrauts.

„Los, trag ihn ins Lazarett, aber schnell.“

Als Thomas bleich vor mir auf der Liege liegt, denke ich nur noch daran, wie ich ihn retten kann.
Judith schwächelt, sie kämpft mit sich. Die Mission muss erfüllt werden gegen er hat dich selbstlos gerettet, er war bereit, sein Leben für dich zu opfern. Das kann nicht Sünde sein! Der Prediger hat sich womöglich in ihm getäuscht?

“ Ich kann das, ich schaffe das und ich will es!“ bekräftigt Claudia.

Ich breche den größten Teil des Pfeils ab. Da es sich fieser Weise um einen Jagdpfeil handelt, kann ich ihn wegen der Widerhaken an der Spitze nicht einfach aus seinem Körper herausziehen. Ich würde meinen Retter noch schlimmer verletzen. Improvisation ist jetzt und hier gefragt, denn ich bin kein medizinisches Personal, und Claudia konnte früher nicht mal Blut sehen, ohne dass ihr kotzübel wurde.
Zum Glück hat sie Judith wieder tatkräftig an ihrer Seite.

Ich laufe zu wahrer Hochform auf. In scharfem Ton weise ich den Typen an, sich gefälligst nützlich zu machen:

“Dreh ihn auf die Seite und halte ihn gut fest, während ich euren Scheißpfeil aus seinem Körper hole! Ich warne dich, wenn ich merke, dass du dich nicht genügend anstrengst oder irgendwelche Tricks abziehst, dann ramme ich dir das Ding anschließend in deinen Arsch!”

Mein Gesamtbild aus Entschlossenheit, Mimik und der Waffe in meiner Hand überzeugt ihn davon, dass ich es bitterernst meine und ergeben nickt er, gehorcht wie ihm befohlen.
Suchend blicke ich mich mit einem Auge in dem Lazarettzimmer um, ich bräuchte so eine Art Hammer. Da hier aber keiner offen herumliegt und ich weder Zeit noch Muse zum Suchen habe, greife ich mir eine Packung steriler Kompressen, ein Desinfektionsmittel und eine der Edelstahl-Nierenschalen auf der Ablage.

In der Hoffnung, dass letzteres ein deutsches Qualitätsprodukt ist, hole ich tief Luft und schlage mit dem Schalenboden entschlossen und, so fest ich kann, gegen das Pfeilende.
Thomas erwacht und schreit wie am Spieß, als sich die Pfeilspitze schmerzhaft ihren Weg durch sein Fleisch bohrt.
Claudia schüttelt sich, die ganze Aktion geht ihr durch Mark und Bein, sie hat solches Mitleid mit dem armen Thomas und ist von lähmender Angst erfüllt, aber nur für Bruchteile von Sekunden.

Die Pfeilspitze tritt aus seinem Rücken heraus und mit einem Ruck ziehe ich den Rest aus seinem Körper. Sünder, Retter, Thomas blutet stark, wimmert und krümmt sich, doch, wenn der Herr es so entscheidet, dann wird er überleben.

„Stell dich nicht so an!“ herrsche ich ihn an, „bist du ein Mann oder ein kleines Mädchen?“

Zur Antwort kommt nur ein Stöhnen. Ungerührt nehme ich die Flasche „Braunol“ und übergieße damit die Wunden. Wieder wimmern und klappernde Zähne zusammen beißen.

“ Drück die Kompressen feste auf die Wunden, sonst…”, belle ich entschieden in Richtung meines unfreiwilligen Helfers.

“Jaja, ich weiß, sonst rammst du mir den Pfeil ungespitzt in meinen Allerwertesten, das sagtest du schon”, ergänzt er meinen Satz mit einer gehörigen Portion Zynismus durchsetzt mit tiefer Seelenqual im Ton.
Ich ziehe erstaunt meine Augenbraue hoch - ganz schön frech der Typ!
Na warte, so redet man nicht mit einer Vollstreckerin, du wirst schon sehen, was du davon hast, du Wurm! Ich werde dir schon sehr bald eine Lektion in Sachen Demut erteilen. Doch erst gibt es wichtigeres zu erledigen.
Thomas ist erneut selig hinter den Vorhang einer gnädigen Ohnmacht geschlüpft.
Ist auch besser so! denke ich während ich Nadel und Faden zur Hand nehme.

Thomas schlägt langsam seine Augen auf, starrt erst an die Decke und dann ungläubig zu mir. Ich sitze lässig mit übereinander geschlagenen Beinen auf einem Stuhl an seiner Seite.
Wir blicken uns direkt in die Augen, Erstaunen und ein wenig Unverständnis liegen in seinem Blick, so als könne er sich nicht erklären, warum er noch lebt.
Dann bemerkt er einen weiteren Umstand, der seine angespannten Gesichtszüge in ein Grinsen transformiert.
Der Typ kniet mit verbundenem Hals, in devoter Haltung mit gesenktem Kopf und wie ein Rollbraten bewegungslos in Seile verschnürt, brav neben mir.
Das Seilende halte ich in einer Hand, die Waffe in der anderen.
Ich bin sehr zufrieden mit mir!
It´s me!
*********ld63 Frau
8.188 Beiträge
Wow...
... das war mit Abstand das Beste, was ich bisher von dir gelesen hab, liebe PourquoiPas!! Megaspannend *top*
It´s me!
*********ld63 Frau
8.188 Beiträge
Musenstottern
Aufsehenerregendes Dosenfleisch!

So manch einer hätte bestimmt gern das Pendant zu einem vibrationsinduzierten Lexanbohrer, um sich per Knopfdruck frenetisch in die multisexuell dargebotenen Öffnungen zu versenken … danach abschliessendes Diffundieren in die postorgasmische Entspannungsphase –
und auf geht’s zum nächsten Asteroiden – nur einen Klick entfernt!
**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
@******che
Eine sehr schöne Variante des Kleinen Prinzen! *g*

@**m
Wow! Mal wieder absolut spannend und super geschrieben! Da hast Du ja wirklich etwas angefangen, was nun ein sehr spannender Roman wird.
Ich lechze natürlich nach der Fortsetzung in einer Woche. *g*

Pourquoi's Version muss ich später noch lesen.
*******he77 Frau
599 Beiträge
@ Tom und PourquoiPas
Es war ja mal die Frage von Euch aufgekommen, ob Ihr ggf. den Thread hier sprengt. Das tut Ihr definitiv NICHT. Im Gegenteil: Ich finde fast, dass Euer Werk hier etwas untergeht, weil es mitunter etwas schwierig ist, auch mal "zurückzublättern", um etwas nachzulesen.

Deswegen wollte ich mal anregen, ob es nicht sinnvoll wäre, Eure Kapitel zusätzlich in einen eigenen Thread zu stellen, in der chronologisch korrekten Reihenfolge, damit man es einfach auch am Stück lesen kann, ohne die einzelnen Abschnitte hier im Geschichtenspiel suchen zu müssen.
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