Erfahrungsbericht mit neuer Canon EOS R
Im Juli habe ich mich vom Reflexspiegel verabschiedet und bis zur Canon EOS R gewechselt. Hier ein kurzer Erfahrungsbericht aus den ersten Wochen.Sucher
Die größte Veränderung zu allen SLRs und DLSRs, die ich bislang hatte, ist der elektronische Sucher. Ich bin damit sehr zufrieden. Ich kann den Sucher auch als Brillenträger sehr gut überblicken. Ich halte den digitalen Sucher nicht für generell und in allen Aspekten besser, aber für mich hat er viel mehr Vor- als Nachteile gegen einen optischen Sucher.
Zu den Vorteilen zähle ich das helle Sucherbild, auch bei kritischen Lichtsituationen, das sozusagen schon das Bild vorwegnimmt, einschließlich der Einstellungen von Bildstil oder Weißabgleich. Dazu kann man jederzeit zwischen einem klaren Sucherbild und zusätzlichen Einblendungen wie einer Wasserwaage oder einem RGB-Histogramm wechseln. Ich hatte vorher von negativen Erfahrungen mit digitalen Displays im Fotostudio gelesen und kann das nicht bestätigen. Ich war im Studio, habe low-key fotografiert und alles passte – ich musste nur die Belichtungssimulation abschalten.
Ein optischer Sucher ist besser bei sehr schnellen Bewegungen, z.B. bei Vögeln im Flug. In einer extremen Gegenlichtsituation war der digitale Sucher viel zu hell, das wurde erst mit der Belichtungsmessung (Auslöser halb durchgedrückt) korrigiert und in dunklen Räumen kann es zu leichter Moire-Bildung kommen.
Das Konto, Plus und Minus gegeneinander aufaddiert, ist aber deutlich im Plus.
Objektive
Dieser Abschnitt hätte vielleicht an den Anfang gehört, denn ich finde, die Objektive sind immer das wichtigste. Der (analoge) Filmhalter bzw. der (digitale) Sensorhalter ist dagegen nur zweitrangig. Zudem, Kameragehäuse kommen und gehen, die Objektive bleiben. Die EOS R ist meine vierte digitale Canon, aber ich verwende immer noch Objektive von der ersten Kamera.
Vor einigen Jahren las ich, dass Fotografen von Canon zu Sony gewechselt sind, ihre Canon-Objektive mitnahmen und verschiedene Schwierigkeiten erleben mussten. Die Adapter arbeiteten nicht mit allen Objektiven zusammen, der Autofokus funktionierte nicht oder nur deutlich langsamer.
Da ich mir solchen Ärger ersparen wollte, kam für mich nur eine Canon-DSLM in Frage. Meine Erwartungen in einen reibungslosen Übergang wurden voll und ganz erfüllt. Die EF-Objektive arbeiten zu 100% genauso gut an der R wie an einer Canon-DSLR. Sie arbeiten sogar besser. Mein EF 1.4/50 neigt zu Fehlfokus, ich hatte leider immer einen merklichen Ausschuss. An der EOS R ist das anders. Fehlfokus ist bei dem Dual Pixel-AF der EOS R gar nicht möglich, der Fokus sitzt immer, da die gleichen Pixel für die Messung verwandt werden, mit denen das Bild aufgenommen wird. Ich hatte noch ein zweites Problem-Objektiv, das 1.8/85. Das hatte ich wg. Fehlfokus wieder abgestoßen, jetzt bedauere ich das. Das wäre bei der EOS R gar nicht nötig gewesen.
Ich habe mich auch von zwei EF-S-Objektiven getrennt, aber auch diese arbeiten perfekt mit der EOS R zusammen. Nur blieben von den 31 MP nur 11 MP übrig (ok, das war immer noch mehr als bei meiner ersten DSLR mit 10 MP).
Fokus-System
Das AF-System ist eine andere Klasse als bei DSLRs. Phasen-AF über 88% des Bildes, 100% in der Höhe, 88% in der Breite, das ist viel flexibler als bei den DSLRs, bei denen die AF-Punkte nur in der Mitte liegen. Der AF ist immer schnell und präzise. Mit der DSLR hatte das Objektiv bei low-key im Studio manchmal Schwierigkeiten, einen Schärfepunkt zu finden, das habe ich hier nicht erleben müssen. Glatte Note 1.
Dem Augen-AF würde ich die Note drei geben. Da ist Sony derzeit noch einen Schritt weiter. Canon hat bereits offiziell ein Firmware-Update für Ende September angekündigt: „Das Firmware-Update zielt darauf ab, das Auge des Motivs in einiger Entfernung zu erkennen, die AF-Rahmenverfolgung für sich bewegende Motive zu verbessern sowie die Ersterkennung des Motivs zu verbessern und die Verfolgung zu starten, wenn sich die Motive in einiger Entfernung befinden.“
Mit Fokus-Peaking für das manuelle Scharfstellen habe ich mich nicht anfreunden können. Es gibt aber bei der EOS R ach einen Fokus-Assistenten. Der funktioniert vom Konzept wie ein Schnittbildindikator aus früheren Zeiten. Die Anzeige gibt an, in welche Richtung defokussiert ist und wieviel die Abweichung beträgt. Bei Schärfe wechselt der Indikator auf grün. Noch eine 1.
Rückwand-Display
Das Rückwand-Display zeigt genau dasselbe wie der Sucher, die Automatik schaltet zwischen beiden Anzeigen hin und her. Das Display ist klapp- und schwenkbar, sehr schön bei bodennahen Aufnahmen, und berührungsempfindlich. Man kann daher über das Display die Kamera einstellen, fokussieren und sogar auslösen. Das geht viel schneller als über die gewohnten Wahlräder.
Handling
Das Handling der EOS R ist eine eigene Sache. Canon hat einiges anders gemacht als ich es bisher gewohnt war. So fehlt z.B. der Joystick an der Rückwand, um das Fokusfeld zu steuern und das rückwärtige Schnellwahlrad. Es gibt zwar einen Vier-Wege-Cursor wie bei den drei-. Und vierstelligen DSLRs. Damit ist die AF-Punkt-Steuerung möglich, aber umständlich.
Dafür kann das AF-Punkt über den Touchscreen gesteuert werden. Ich steuere das AF-System, idem ich mit dem rechten Daumen über den Screen gleite, intuitiv und schneller als jemals zuvor. Es gibt auch zwei zusätzliche Steuerelemente. Des Objektiv-Steuerring und den Multifunktionsleiste. Beide Steuerelemente sind frei belegbar. Ich habe die ISO-Einstellung auf den Objektiv-Steuerring und die Art der AF-Steuerung auf die Multifunktionsleiste gelegt.
Eine zweite Neuerung ist die Flexible Automatik (Fv). „In diesem Modus können Sie die Verschlusszeit, Blende und ISO Empfindlichkeit manuell oder automatisch einstellen und diese Einstellungen mit der von Ihnen gewünschten Belichtungskorrektur kombinieren.“ Mit dem Modus-Rad wechsele ich zwischen den vier Feldern Zeit, Blende, ISO und Korrektur. Stelle ich Zeit, ISO und Blende auf Auto, habe ich Vollautomatik. Ich kann auch eine Blende vorgeben, dann werden Zeit und ISO dazu gebildet, oder ich setze Zeit und ISO fest und die Kamera die dazugehörige Blende. Von manueller Einstellung bis hin zur Vollautomatik ist somit alles möglich.
Wer die EOS R genauso steuern will wie seine vorherige Cam, wird nicht richtig glücklich werden. Wer dagegen bereit ist, sich auf das neue Konzept einzulassen und eingeübte Handgriffe zu verändern, kann Einiges dabei gewinnen.