🏞️ In den Bergen - 7
Die Nacht ist nicht besonders ruhig, das ist klar. Die essigsaure Tonerde ist eine erste Hilfe und gegen Morgen schläft auch Thomas endlich ein. Timka hat schon früher schlapp gemacht. Thomas hat sie gelassen. Es ist nicht nötig, dass beide wach bleiben. Aber er versucht immer wieder, Empfang zu kriegen. Dass sie Hilfe benötigen ist klar. Er wird so bald nicht wieder laufen können. Timka loszuschicken hilft nichts. Bei dem Wetter wäre es auch schwierig, wenn man sich auskennt. So bleibt nichts, als abzuwarten.
Timka rappelt sich auf und sieht, dass Thomas in einen erschöpften Schlaf gefallen ist. Vorsichtig hebt sie den Umschlag von seinem Knöchel. Mist, das sieht nicht gut aus, denkt sie. Der Knöchel ist stark angeschwollen und glänzt blau. Sie erneuert so leise sie kann den Umschlag und überlegt, was für Möglichkeiten sie hat. Sie muss absteigen und Hilfe holen. So wird das nichts. Ihre Idee wird vom brausenden Regen zunichte gemacht. Nein, das ist keine Lösung. Hier sind sie zumindest zu zweit und sie sitzen warm und trocken.
Einen heißen Tee später geht es ihr schon besser. Zwar ist keine brillante Lösung in Sicht, dafür aber macht sie sich daran Mehl, Salz und Hefe zusammenzusuchen. Wäre doch gelacht, wenn es kein frisches Brot gäbe. Damit würden sie wieder eine Zeit versorgt sein. Sie macht sich ans Werk. So in Gedanken versunken fällt ihr plötzlich ein Geräusch auf und wenn sie ehrlich ist, ist es schon eine Weile zu hören. „Ingrid!“ Die Kuh brüllt im Stall. Die will gemolken werden. Das Problem ist, Timka hat keine Ahnung, wie das geht. Und Thomas? Ja der schläft. Was ist wichtiger? Timka ist unsicher. Dass Thomas weiter schläft oder dass Ingrid gemolken wird? Wenn man nicht melkt, tut das weh, hat Timka schon gehört. Aber Thomas´ Fuß, der tut doch auch weh!
Herausforderungen muss man sich stellen. Und so geht sie in den Stall, sobald das Brot im Ofen ist. Zumindest mal nachsehen, denkt sie mit dem Mut der Auswegslosigkeit. Ingrid rollt mit den Augen, als sie die schwere Holztür gegen den Wind aufstemmt. Ja, das Euter sieht aus wie ein praller Luftballon. Ein Luftballon mit vier Zitzen. Und nun? Den Milchkübel sieht sie. Den hatte Thomas geholt, als sie erschöpft vom Wandern vor dem Feuer lag.
Langsam nimmt sie den Milchkübel und stellt ihn unter das Euter. Das ist zumindest schon der richtige Platz. Jetzt noch schauen, dass sie die Milch dort heraus bekommt. Nur Ziehen geht nicht. Das ist Timka klar. Man muss das irgendwie auspressen. Trotzdem braucht es mehrere Anläufe bis sie versteht, dass sie die Zitzen oben abdrücken und nach unten ausdrücken muss. Ingrid schreit bei jedem Fehlversuch laut und Timka hält verschreckt inne. Sie will ihr nicht weh tun. Das passiert aber, wenn sie es falsch macht. Wenn sie nichts macht, tut es aber auch weh, und deshalb ist es jetzt egal.
Je entschlossener Timka vorgeht, desto mehr Milch spritzt aus den Zitzen. Der Boden des Milchkübels ist bereits bedeckt, als Timka den Dreh raus hat. Ingrid schaut zufrieden aus, zumindest brüllt sie nicht mehr. Allerdings wird sie auch Hunger haben. Einen Arm Heu wirft Timka ihr vor und das Wasser wird ebenfalls ausgetauscht. „So, Ingrid“, sagt sie zufrieden. Sie nimmt die Milchkanne auf und geht in den Regen, um das Haus und in den Wohnraum zurück.
Timka©