Ich bin selbst sehr sehr vorsichtig mit Vorwürfen, gerade wenn diese vage und ominös formuliert wurden.
Es ist ein schmaler Grat, der zwischen unreflektiertem vermeintlichen Rufmord und Täterschutz, bzw. dem Bagatellisieren oder gar Negieren von Vorwürfen, liegt.
Schon vor Wochen vernahm ich Kritik an Personen, die zu einer Veranstaltung als Künstler eingeladen wurden und auf einem Programm stehen. Das passierte jedoch nicht mit klaren Aussagen, sondern nur vage in Form von Kritik an den Veranstaltenenden, da sie "kritische Personen" eingeladen hätten.
Dasselbe passierte nun vor einigen Tagen auf anderen (a)sozialen Netzwerken erneut in Form vager Kritik über vermeintlich immer dieselben vermeintlich kritischen Personen, deren Namen "immer wieder" im kritischen Kontext auftauchten, auch wenn sie dort erneut nicht genannt, sondern nur angedeutet wurden.
In der Antidiskriminierungsarbeit ist es schwierig wirklich aktiv zu werden, wenn Vorwürfe vage bleiben.
Gerne kommt dann gleich der Appell, man möge doch etwas gegen bestimmte Personen unternehmen, was aber nicht geht, wenn Vorwürfe nicht klar ausgesprochen, damit benannt und konkretisiert werden.
Wie ich weiter oben schrieb sind viele Vorwürfe vor allem Grabenkämpfe, gepaart mit einer Menge Gerüchteküche.
Ich habe zu nahezu allen bekannteren männlichen Riggern aus der deutschen Szene schon krude Sachen über Dritte gehört, was meistens wiederum auf Hörensagen beruhte. Meistens kam das ganze aus Lagern, in denen irgendjemand eine Antipathie hegte.
Mir ist es grundsätzlich wichtig bei Vorwürfen hellhörig zu sein und vermeintlichen Opfern zunächst zu vertrauen und hinzuhören. Wenn man auf der Opferebene Dinge hinterfragt muss man sehr vorsichtig sein.
Machtstrukturen haben wir auch im Bondagebereich, gerade wenn es um bekanntere Namen geht. Den #metoo-Part im Bondage-Bereich hatten wir vor wenigen Jahren nicht zu unrecht. Die Bondageszene ist Teil der Gesellschaft, weshalb gesellschaftliche Dynamiken hier natürlich ebenso abgebildet werden und sich finden lassen. Die Szene(n, denn eine homogene ist es nicht) sind nicht besser oder schlechter als die generelle Welt da draußen es ist.
Das bedeutet, dass Opfer es schwerer haben gehört zu werden. Gleichzeitig gilt das rechtsstaatliche Prinzip weiterhin, auch wenn es Opfer per se leider schwerer haben mit ihrem Anliegen durchzudringen.
Dieses Prinzip sagt, dass vage Anschuldigungen, die über Dritte verbreitet werden und die anzunehmen und darauf zu reagieren man, wiederum von Dritten, aufgefordert wird, schwierig sind, sofern der vermeintliche Täter, bzw. die beschuldigte Person dazu rein gar nichts sagen kann.
Auch als Stammtisch-Orga ist man damit manchmal konfrontiert. Ich hatte es in den letzten Jahren mehrfach, dass ich angeschrieben oder angesprochen wurde, weil angeblich andere Gäste mal irgendwo irgendwas (und das war meist genau der Detailgrad) gegenüber jemand anderem getan haben sollen. Deshalb, auf dieser Basis von "irgendwas soll irgendwann mal irgendwo passiert sein, habe man gehört", sollte ich die Person ausladen, sperren und weiter verbreitet, dass diese Person schwierig sei und wenn ich das nicht täte, dann wäre ich Teil des Problems.
So funktioniert das nicht.
So kann das in einem Rechtsstaat auch nicht funktionieren und darf es nie.
Damit möchte ich gar nicht sagen, dass in unserem Land alles super tutti läuft, Rechtsstaatsprinzip hin oder her. Viel zu viele Täter werden nie verurteilt. Viel zu viele laufen unbehelligt herum, weil der Druck auf Opfer, die Scham, die Beweislast, der Druck durch bestimmte Machtblasen, oftmals so hoch ist, dass sie sich gar nicht trauen etwas zu sagen, ihre Worte sofort in Zweifel gezogen werden, selbst Behörden ihnen mit Misstrauen begegnen und sie danach Anschuldigungen ausgesetzt sind.
Das ist alles ein riesiger Mist, dennoch ist ein gegenteiliges Vorgehen, welches daraus bestünde, dass selbst vage Anschuldigungen durch Dritte Existenzen bedrohten, ebenso ein ziemlicher Mist.
Wem Vertraue ich also?
Der Quelle.
Wenn eine mir als vertrauenswürdig bekannte Person sagt, dass jemand mit ihr total scheiße und übergriffig umgegangen ist, dann glaube ich dem Menschen das.
Wenn mehrere Personen, deren Vertrauensgrad ich nicht direkt einschätzen kann, dies unabhängig voneinander tun, dann vertraue ich dem auch.
Wenn eine Person es tut, deren Vertrauensgrad ich nicht einschätzen kann, dann höre ich dennoch zu und versuche die Aussagen zu validieren. Das ist mir selbst auch schon passiert. Jemand verbreitete über mich einmal, dass ich ein narzisstischer Sexist sei. Das war eine Person, die mit mir persönliche Probleme hatte, aber nie in einem Beziehungsverhältnis zu mir stand. In so einer Situation wünsche ich mir selbst, dass Dritte die Aussagen validieren und eventuell mal mit mir sprechen, was damals zum Glück auch geschah, da sich dadurch die Vorwürfe nicht halten ließen. Wenn ich so etwas von einer Quelle höre, die ich nicht kenne, dann gehe ich genauso vor: Ich versuche zu validieren, was da eigentlich gerade los ist, ohne die Aussagen gleich zu negieren, sofern ich die Situation nicht genauer kenne.
Man sieht also, dass es nicht das eine richtige Vorgehen beim Umgang mit Vorwürfen gibt außer, dass man vorschnelle Reaktionen bei unsicheren Faktenlagen besser vermeiden sollte.
Einige alte Bunny-Leitfäden empfand ich vor Jahren genau deshalb als schwierig.
Dort wurde etwa gleich vor Personen gewarnt, die keine "Referenzen" hatten, ebenso wie vor Personen mit "zu vielen Ex-Partnerinnen". Man war also in den Arsch gebissen, wenn man zu wenige, bzw. noch gar keine öffentlich benannten Expartnerin hatte, da man damit keine "Referenzen" nachweisen konnte und man war in den Arsch gebissen, wenn man zuletzt zu viele Ex-Bunnies hatte, da hierbei nicht auf die Umstände, sondern nur die Quantität geschaut wurde.
Zudem ich an der Stelle aber auch sagen muss, dass es kein "Muss" ist mit vielen Partnerinnen zu fesseln. Ich betreibe Bondage für mein privates Vergnügen, womit ich primär mit einer Person fesseln muss. Ich muss keine dutzend verschiedenen Körperformen durchfesseln, weil ich mit dutzenden Körperformen ja gar nicht fesseln will. Das ist etwas anderes, wäre ich Artist oder betriebe das in Form von Workshops. Das tue ich aber nicht, ergo: Meine Partnerin ist klein und schlank. Warum sollte ich also mit großen schlanken, kleinen molligen, großen molligen, mit Personen mit größeren, kleineren, mittleren, etc. Brüsten, und so weiter "trainieren"? Ja, es stimmt, dass man so den Umgang mit unterschiedlichen Körperformen lernt und trainieren kann. Aber was ist der Nutzen? Wozu fessle ich? Brauche ich das subjektiv? Nein. Braucht das jemand anderes, mit einem anderen Beziehungsmodell, eventuell subjektiv? Durchaus eventuell.
Von der Verallgemeinerung, die man ab und an hört, dass ein "guter Rigger" mit vielen Körpermodellen trainiere, halte ich nur wenig. Die meisten Menschen betreiben Bondage privat mit ihrem jeweiligen Partner und posten nie irgendetwas dazu.
"Schlechter Rigger" ist auch sehr subjektiv.
Wenn ich mir bei uns, sowie generell im Netz, so manche Anzeigen zur Riggersuche anschaue, dann wäre jemand, der noch keine Suspension fesselt, bzw. nicht mindestens 10+ Jahre Erfahrung hat, schon ein "schlechter Rigger", da die Punkte ab wann jemand als "erfahren" gilt mitunter ziemlich merkwürdig gesetzt werden. Damit möchte ich keine Kontaktanzeigen kritisieren. Ich verstehe jedes Bunny, welches einen Rigger mit einem bestimmten Skillset sucht, gerade wenn der Ex-Rigger auf einem bestimmten Niveau fesselte, doch wird hier sehr oft "gutes Bondage" mit "erfahrenem Bondage" gleichgesetzt und als "erfahren" werden Rigger erst angesehen, wenn sie regelmässig Suspension-Transitions fesseln, was an und für sich Unsinn ist, gerade wenn man sich so manche Artists anschaut, die in ihrem Privatleben viel lieber intensiv Floorwork fesseln und sich Suspensions für Shows aufheben, weil es dort beinahe ein Muss ist, da es spektakulär aussieht.
Was "gutes Bondage" ist kann man ebenfalls nur sehr subjektiv festmachen. Es lässt sich nicht verallgemeiner, außer man bricht es auf "verantwortungsvolles Bondage" herunter, wozu dann der generelle, sowie der sichere Umgang mit dem Partner gehört.