Ein Tag in der Sonne
Das Kleid fiel weich über ihre Schultern, der Stoff kaum spürbar auf der sonnenwarmen Haut. Sie war barfuß, die Dachterrasse lag still vor ihr, durchzogen vom Geräusch ferner Stimmen, von Gelächter, Türen, Schritten – drinnen tobte das Leben.Ihr Leben.
Ihr Alltag.
Ihre wilde, liebevolle Bande.
Aber hier oben war sie allein. Endlich.
Ein Ort zwischen Himmel und Stadt, wo niemand sie beanspruchte. Wo sie atmen konnte.
Fast niemand.
Das Handy lag neben ihr, vibrierte hin und wieder leicht. Nachrichten von ihm. Kein Smalltalk, kein flaches „Na, wie geht’s?“. Sondern: Gedanken, Beobachtungen, Fragen, die blieben.
Die sie nicht übergingen, sondern trafen.
Still. Genau. Neugierig.
Sie antwortete.
Erst zögerlich, dann ehrlicher. Immer wieder wanderte ihr Blick übers Display, blieb an Worten hängen, las sie zweimal, dreimal.
Und schrieb zurück.
Es ging nicht um Spielregeln. Nicht um Rollen.
Nur um ein Sich-Zeigen. Ein Abtasten.
Ein Lauschen auf das, was zwischen den Zeilen mitschwang.
Er war nicht da – nicht körperlich – und doch spürte sie ihn.
In ihrer Haltung. In dem, was sie über sich preisgab. Und in dem, was sie zurückhielt.
Die Sonne wanderte, kroch höher, wurde fordernd. Ihre Haut reagierte längst – sie spürte das Ziehen, das leichte Brennen trotz der Creme, die sie nachgelegt hatte.
Aber sie blieb.
Weil sie wollte.
Weil das Gespräch mehr war als nur Austausch.
Weil sie gierig war – nach seinem Blick hinter ihre Worte, nach der Ruhe, die er ausstrahlte, und der Spannung, die dazwischen flackerte.
Keine Show. Kein Taktieren.
Und doch war da etwas – etwas, das sie fesselte, ohne dass jemand ein Seil in die Hand nahm.
Er fragte nicht: „Wie weit gehst du?“
Er war einfach da. Echt. Wach. Direkt.
Und sie war bereit, ihm ein Stück mehr von sich zu zeigen. Ohne Absicherung. Ohne Maske.
Irgendwann musste sie sich verabschieden.
Nicht gern. Aber es war Zeit.
Drinnen warteten hungrige Teenager, Freunde, Chaos. Der Duft von Melone und Tomaten lag schon in der Luft, als sie die Tür aufschob.
Ihre Haut pochte – warm, gereizt, lebendig.
Sie schob es nicht weg.
In der Nacht, als alles still war und sie sich vorsichtig unter die Decke legte, zuckte sie leicht zusammen. Die Haut rebellierte.
Aber ihr Mund lächelte.
Da war etwas.
Etwas, das sich nicht benennen ließ.
Noch nicht.
Aber es war in ihr.
Und es würde nicht mehr gehen.