Hi kow77,
meine "Lüdde" (fast 18) wird dieses Jahr auch ausziehen, wenn es mit der Ausbildung klappt. Wenn nicht, dann wird sie noch eine Weile bei mir wohnen. Da noch nichts "feststeht", ist das für mich als Elternteil erstmal eine
Planungsunsicherheit, die ich überhaupt nicht mag.
Dein "Problem" heißt "
Abnabelungsprozess".
Eltern und Kind sind unter "normalen" Umständen eine fest verbundene Einheit, die quasi immer zusammen auftritt. Auf Grund der Entwicklung des Kindes, erlangt es im Laufe der Zeit ein immer größeres Ausmaß an Autonomie, also an selbstständigem Verhalten. Irgendwann kommt dann der Moment, an dem die Autonomie des Kindes so groß ist, dass es sein eigenes, von den Eltern losgelöstes, Leben führen will/muss. Dies ist meistens dann der Fall, wenn das Kind auszieht und/oder selbst mobil wird (Roller, Moped, Auto etc.) und/oder sein eigenes Geld verdient. Das Kind geht dann quasi in die vollständige Abnabelung von den Eltern und der Abnabelungsprozess nähert sich dem Ende. Das ist dann der Moment, in dem die Kinder keinen Bock mehr auf ihre Eltern haben und die Eltern keinen Bock mehr auf ihre Kinder.
Für die Kinder ist das ein zweigeteiltes Gefühl. Auf der einen Seite autonom, aber auf der anderen Seite mit einer Unsicherheit verbunden, ob das alles so klappt, wie es soll. Für das Verkünden der Autonomie gibt es übrigens nie den richtigen Zeitpunkt, weil die da drunter liegende Aussage, dass man sich von jemandem abnabelt, grundsätzlich emotional "anstrengend" ist.
Für die Eltern ist das auch zweigeteilt. Einerseits freut man sich darüber, dass das Kind so selbstständig ist, da dies ja zeigt, dass man gute Arbeit geleistet hat (Wenn es sich nicht gerade um eine Flucht des Kindes aus dem Elternhaus handelt) und auf der anderen Seite stellt sich hier auch eine Unsicherheit ein, was das eigene Leben angeht für die Zukunft. Denn man legt ja eine soziale Rolle (Alleinerziehender) ab, die man über mehrere Jahre gelebt hat und findet sich in einer Situation wieder, in der man auf einmal einen anderen Menschen nicht mehr wie selbstverständlich "mitdenken" muss.
Deine Haltung deinem Kind gegenüber sollte am besten wie folgt definiert werden:
1.
"Sohn, ich finde es gut, dass du in der Lage bist, dein eigenes Leben zu führen. Sag mir, ob ich dich dabei unterstützen kann." Wohnungssuche, Autosuche etc.. (Unterstützung bei seiner Autonomie)
2.
"Sohn, du musst wissen, dass ich quasi wie ein Backup bereitstehe für dich, falls es nicht so klappt, wie du dir das vorstellst. Du kannst also immer zurückkommen." (Das senkt die Unsicherheit deines Sohnes und du zeigst ihm, dass du ihn nicht "rausschmeisst")
3.
Du kannst/solltest dich mit deiner eigenen Unsicherheit auseinandersetzen, die dadurch entsteht, dass du die jahrelange soziale Rolle des Alleinerziehenden abgibst bzw. sie nur noch im Sinne eines Backups anlegst. Die Frage: "Ich bin jetzt wieder alleine, was mach ich jetzt eigentlich?" ist wichtig für dich. Wenn man noch als Pärchen lebt, also nicht allein erziehend, dann hat man auf der sozialen Ebene ja noch einen anderen Menschen, der ja nicht weggeht. Da ist man dann nicht unbedingt "alleine" nach Auszug des Kindes. Aber auch diese Eltern müssen sich mit der Frage auseinander setzen, wie sie denn ihr Leben ohne Kind gestalten. (Siehe 4.)
4.
Da der Abnabelungsprozess auch für die Eltern gilt und auch deren Autonomie wieder herstellt, muss einem klar werden, dass man, wenn das Kind "weg" ist, nicht mehr im "Bereitschaftsmodus" sein muss. Man kann also tun und lassen, was man will auf der sozialen Ebene. Die meisten suchen sich ein neues Hobby oder ein neues Projekt.
Fazit:
Abnabelung ist für beide Seiten anstrengend.
lg darek