Zweideutige Symbolik

Aber das Einhorn hat seinen Kopf und sein Horn in Demut gesenkt und scheint ohne Widerstand seinen Keuschheitsstatus zu akzeptieren.
Jedenfalls sieht es nicht unglücklich aus.

Spannend. In vielen Religionen ist ganz allgemein der scheinbare Widerspruch von Triebabfuhr (ungebändigtes Testosteron) und Triebverzicht (Keuschheit) gleichzeitig zu sehen. Man denke nur an das im Wesen immens sexuell aufgeladene islamische Kopftuch, dessen scheinhafte Wirkung jedoch Sittlichkeit repräsentiert.

Die Jungfrau Maria könnte in ähnlicher Weise für die Kirche stehen , die um die Triebhaftigkeit ihrer Untergebenen weiß und sie daher mit dem Mittel der Keuschheit für die kulturellen Anforderungen der Gesellschaft (bzw. Religion) erzieht. Daher bleibt der Widerspruch noch immer ein Widerspruch, aber einer der sich auf einander bezieht (Trieb erfordert Einschränkung erzeugt bzw lenkt Trieb um) etc. Wäre jedenfalls eine Mögliche Interpretationsmöglichkeit

In der Kunst versohlt die Jungfrau Maria nicht nur das Einhorn auf ihrem Schoß. Max Ernst nimmt sich die künstlerische Freiheit und lässt Maria das Jesuskind vor drei Zeugen züchtigen. Der Kabarettist Jürgen Becker beschrieb das Bild
https://museenkoeln.de/portal/medien/img_bdw/hi/2003_36.jpg?
bei seinem Auftritt in einer Kirche drastischer:
„Die Jungfrau Maria versohlt dem Jesuskind den Arsch.“
Da der Heiligenschein des Jesuskindes dabei vom Kopf fällt, war diese Darstellung für klerikale Kreise unstatthaft, da dieses Kind "wesensgleich" mit Gott-Vater und dem Heiligen Geist ist.
Was auffällt: Der Knabe ist nackt! Die Jungfrau wird ihn nicht aufgefordert haben, sich zum Zwecke der Züchtigung zu entkleiden. Denkbar wäre, dass sie ihn antraf bei einer Handlung, wie sie Knaben seines Alters an sich vorzunehmen beginnen und darum züchtigt. Dieses Motiv musste vor Jahrhunderten im Zisterzienserkloster Bebenhausen offensichtlich verklausuliert werden. Das eine Horn wie auch des Knaben Wunderhorn senkten sich jedenfalls demütig mit Hilfe der schwarzen Pädagogik. Heinz Erhardt hätte sich spätestens an dieser Stelle geoutet: "Was bin ich wieder für ein Schelm."

Zum Vergleich