Hallo ihr Lieben
Bei meinem Vater fing alles damit an, das er, als stattlicher Kerl mit 130 Kg, ständig erbrechen musste und er schob es auf die Galle und machte uns weis, das habe ihm der Arzt bestätigt. Er nahm ab und ab und irgendwann ging er dann tatsächlich zum Arzt. Ich kann mich noch genau daran erinnern.. ich saß mit meiner damals 8 Monate alten Tochter in vor der Tür der Neurochirurgie, da sie eine Schädelop aufgrund eines Blutschwammes an der Hauptschlagader hatte... Mein handy klingelte und die Partnerin meines Papa's war dran.. total hysterisch.. auf einmal war alles verschwommen und ich hörte alles wie durch eine Wand.. Krebs... bei einer Gastroskopie schon ohne Probeentnahme erkannt, also so weit fortgeschritten...
Er musste flugs in die Klinik, bekam den Magen raus und danach war es auch ok, eigentlich... das ging ein paar Monate - oder waren es damals sogar nur wochen?... keine ahnung mehr.. Danach verschlechterte sich Zustand, weil er eine Fistel an der Bauchspeicheldrüse hatte, die unangenehme Sekrete absonderte und man eine Drainage nach aussen legen musste mit einem Beutel. Das war eine deutlichere Einschränkung für ihn, als das der Magen weg war. Der Beutel "roch" und er musste ihn immer bei sich tragen...
Manchmal kam nichts und manchmal musste er ihn alle paar Minuten leeren.. Sein Zustand verschlechterte sich zusehends, Papa magerte auch immer mehr ab... Ich schaffte ihn wieder in die Klinik, dort musste er erneut operiert werden, um Verwachsungen im Bauchraum hatte und man versuchen wollte, die Fistel wegzumachen. Ende vom Lied war, das die OP-Naht faustgroß nicht zugemacht werden konnte, weil das Gewebe drumrum nicht festhielt. Also lag er einige wochen lang mit einem "offenen" Bauch in der Klinik... man entnahm ihm Haut vom Oberschenkel und versuchte diese zu transplantieren.. am Bauch klappte das auch, aber dann ging das "loch" am oberschenkel nicht mehr zu... ständig waren Notops, weil er Fieberspitzen von weit über 40 Grad hatte und die Blutwerte sehr schlecht waren... er erholte sich immer wieder ein Stück weit...
Irgenwann war er aber dem Punkt, wo es hieß, der Krebs sei wieder da... (Ich als Arzthelferin sage, er war die ganze Zeit da... aber papa hats nur nicht gesagt....) Man versuchte also eine Chemo... 3 Tage lang täglich eine Chemo.. nach der 2ten wurde abgebrochen, weil die körperliche Verfassung meines Papas die Chemo nicht zuließ ... das war "das Ende".. ab diesem Zeitpunkt, das war 3 Monate vor seinem Tod, ging es richtig bergab...
Ich wusste mittlerweile vom Onkologen das Papa Leber, Darm, Lungenkrebs hatte.. also Streukrebs.
Papa kam auf die Palliativstation, das ist eine Station auf der LEute liegen, die den letzten Gang vor sich haben und diesen dort relativ schmerzfrei gestaltet bekommen. Sprich Morphiumpumpe, künstl. Ernährung usw...
Dort lag er dann ein paar Wochen und als ich dann auch drin lag, kam dann die besagte Entscheidung... und ich holte ihn heim.
Er war für knappe 3 Wochen zuhause... die ersten 3 Tage konnte Papa sogar aufstehen und sich mal ins Wohnzimmer setzen, danach war "Schluss" und er konnte das Bett nicht mehr verlassen. Er konnte nur raus, wenn ich ihn auf den Rollstuhl saß, wenn ich sein bett abgezogen habe oder ihn mal auf den Balkon schob - für ihn jedesmal ein Kraftakt.
Zuhause dann, ab dem 4ten Tag kam jeden Tag was anderes dazu.. .mal war es etwas erhöhte Temperatur, dann veränderte sich seine Mimik, seine Gliedmaßen... der Sterbeprozeß begann... manchmal verwechselte er mich und sprach mit dem Namen meiner MUtter an, von der er über 25 Jahre getrennt war... nachts verlangte er mal nach einem Grillhähnchen.. *lächel*... aber dann und wann hatte er zwischendurch auch mal lichte Momente.. die Stimmungen wechselten von aggressiv, so das er mir mal die Brille von der Nase schlug, weil er nicht gewaschen werden wollte oder aber zu freudiger Erwartungshaltung auf den Besuch der kam.
Als es dann soweit war, das ich morgens entscheiden musste, ihn wieder in die Klinik zu bringen, bzw den Notarzt zu rufen, weil er extreme fieberspitzen hatte, desorientiert und auch kaum ansprechbar war, war das 3 Tage vor seinem Versterben. In der Klinik habe ich dann entschieden, ihn aufgrund der Lungenentzündung NICHT röntgen zu lassen - auch wenn andere den Kopf darüber geschüttelt haben. Für meinen Vater war das ein Kraftakt und jede Bewegung schmerzte nur noch - hatte er bei einer Größe von 185 cm gerade mal noch etwas über 50 KG... die Bilder hab ich noch vor mir.
Er wurde also nicht "behandelt" und kam wieder auf die Palliativ... dort hing man noch genau 1 Tag die künstl. Ernährung an.. am nächsten Tag bekam er diese schon nicht mehr... und am 2. Tag war auch keine Flüssigkeit mehr in seinem Blasenkatheter.. klassisches langsames organversagen....
Es war soweit... er war die 2 Tage noch ansprechbar, am 3- tag saß ich neben seinem bett und er reagierte nicht mehr auf mich, was für mich sehr sehr schlimm war.. .War ich doch die ganze Zeit an seiner Seite und wollte ihm noch soviel sagen - aber er reagierte einfach nicht.
Manchmal hätte ich ihn am liebsten geschüttelt.
Was ich hierbei kurz erzählen möchte: Meine Große (4) war und ist heute noch total auf ihren Opa "fixiert", ihr Held, ihr ein und alles, sie haben sich abgöttisch geliebt. Sie war in der Woche in der er wieder in die Klinik musste, von mir ein paar Tage zur Oma geschickt worden. Papa wollte sie zwar immer um sich haben, aber ich konnte der Kleinen das Sterben nicht mehr zumuten. Sie sah ihn also von Dienstags bis zum besagten Samstag nicht...
Als wir merkten es is soweit, haben wir die andere Oma verständigt und gebeten in die Klinik zu kommen. Meine Tochter kam rein, krabbelte auf meinen Schoss und streichelte den Arm meines Vaters und sagte "Mensch, Opa, du hast aber kalt"... Mein Vater stöhnte auf !!!! Er reagierte auf sie...
Papa's Atmung veränderte sich, er atmete die ganze Zeit mit weit geöffnetem Mund, den er dann auf einmal schloss.. ich bekam Panik und bat meine Schwiegermutter mit meiner Tochter zu gehn...
Meine Tochter rief zu meinem Vater "Ciao Opa, ich liebe dich"... in diesem Moment drückte mein Vater meine Hand ganz fest, meine Tochter ging aus dem Raum und mein Vater starb im gleichen Moment...
Wenn ich heute daran denke, kommen mir nach wie vor die Tränen...
Wir bzw ich weiss heute, das er die ganzen Tage über nur gekämpft hat, weil er sie nochmal sehen wollte und meine Tochter als kleines Bündel Mensch war verantwortlich, das er so in Frieden gehen durfte/konnte...
Generell gab es in der zeit des Sterbeprozeßes mehr als einen "kuriosen" Zufall, wo ich sagte, das war Bestimmung...
Ich hoffe so sehr, ich schrecke damit niemanden hier ab, möchte ich nur aufzeigen, das so ein Weg sehr schwer sein kann, aber man mit sowas auch wachsen kann.
Ich bin - noch - nicht daran gewachsen.. im Gegenteil.. Mein Vater fehlt mir heute mehr denn je, gerade auch weil ich im moment eine totale Veränderung in meinem Leben durchmache und er nicht dabei sein kann.
Ich bin vor wenigen Monaten zusammengebrochen mit der Diagnose: psychoreaktive Depression aufgrund abnormer Belastungssituation und jetzt in Therapie.
Wie ihr seht, wir hatten Höhen und Tiefen....aus den Höhen haben wir zu jeder Minute versucht, das Beste rauszuholen, meinem Vater jeden, wirklich jeden Wunsch zu erfüllen... (Beispiel: er konnte nicht mehr essen, aber trinken ging noch... jetzt hatte er dann mal lust auf Cola light mit lemon, 5 min später auf almdudler und 5 minuten später wieder auf was anderes... ich kann nur sagen: Ein Glück das der Getränkemarkt direkt gegenüber war... wir waren dort in den 3 wochen die besten kunden ..lächel)
Ich schreibe dies so alles so deutlich, weil ich euch damit Kraft wünsche und nicht um euch abzuschrecken...
Wenn man liebt, kann man das schaffen und ich betone, das es nicht immer so ausgehen muss, wie bei meinem Vater, das kommt auf so viele Faktoren an.. .die Krebsart, das Stadium, was man an Therapien versucht oder macht...
Hätte ich es nochmal zu entscheiden, würde ich es jederzeit wieder tun... ich habe meinen Vater bedingungslos geliebt und hätte diesen "zustand" noch länger ertragen.
Der Kopf sagt mir zwar, es war besser, das er starb, für ihn, das leiden hatte endlich ein ende.. das is die Vernunft.
Mein Herz sagt was anderes, es rebelliert nach wie vor.
Und so schnell habe ich den liebsten Menschen verloren...
Jetzt blöder Themawechsel.. aber da ich im moment wirklich dabei bin, mein Leben von grund auf zu ändern und muss dafür ein paar schwerwiegende Entscheidungen treffen, die mein Leben nachhaltig verändern werden ...und ich glaube, einen Menschen gefunden zu haben, den ich auch so bedingungslos lieben kann.... Leider stehen die Zeichen im Moment nicht so gut, so scheint es mir, aber mir widerstrebt der Gedanke, das ich wieder einen lieben Menschen verlieren könnte - wenn hier auch nicht aus medizinischen Gründen.
Ich habe durch den Tod meines Papas selbst viele Höhen und Tiefen erlebt, bin im moment auf einen Hoch und ich hoffe, das ich alles dafür tun kann, das ich dieses "Hoch" fortsetzen und wieder bedingungslos lieben kann .
Ich weiss, das ihr euch bedingungslos liebt - von daher ist das schon mal die allerbeste voraussetzung, dieser heimtückischen Krankheit gemeinsam den Kampf anzusagen...
Es tut mir leid, wenn ich etwas abgeschweift bin und die Antwort etwas länger wurde.
Alles alles Gute und viele liebe Grüße
vom
Giftzwerg