Implosion
Ich konnte schon die sauertöpfische Miene von Carina vor mir sehen.
So lange wir rote Zahlen schrieben und von Sorgen geplagt waren, hatte sie mich immer wieder aufgerichtet, hatte mir als Sub gedient, in die Firma investiert, war einst eine sichere Stütze.
Diese Frau war ein Paradoxon: Seit der Laden lief, war sie unausstehlich geworden, hatte an allem etwas herum zu meckern.
Äußerer Ausdruck ihres Widerspruchsgeistes war, dass sie sich die Haare hatte abschneiden lassen – wohl wissend, dass ich Kurzhaarfrisuren bei Frauen nicht sexy fand – Ausnahmen bestätigten die Regel.
Die Aussicht, heute Martina und vor allem unserem Star Elena wieder zu begegnen, konnte meine Laune nur für Minuten heben.
Denn ich hatte gleich zum Wochen- und Tagesstart einen unangenehmen Termin.
Ich litt unter einem chronischen Mangel an geeignetem Security-Personal.
Das Problem war aufgetaucht, nach dem Daniel Cohen nach Israel zurück gekehrt war und Aleana nach ihrer Entführung zwar körperlich wieder hergestellt aber traumatisiert war.
Um sie kümmerte sich ihr Geliebter Markus, den ich dringend hier in Berlin gebraucht hätte.
So mussten Wolfgang, Rebekka und Karsten, den Markus mir empfohlen hatte, Überstunden schieben.
Ich war auf die grandiose Idee gekommen, mich in der Berliner Türsteherszene umzuschauen.
Die wurde zum Teil von Türken beherrscht und ich hatte unter anderem Tayfun Barak eingestellt.
Nicht die betroffene Angestellte Anne hatte sich beschwert, sondern Karsten, dem dies aber auch nur zugetragen worden war.
Tayfun Barak erwartete mich bereits, hatte die Daumen in die Taschen seiner Jeans verhakt.
„Was geht, Chef?“ fragte er mit Unschuldsmiene, aber ihm war sehr wohl klar, dass ich ihn nicht wegen einer Gehaltserhöhung in mein Büro bestellt hatte, dazu noch am Montagmorgen um 9:00 Uhr.
Ich fläzte mich in meinen Sessel und ließ erst mal den Computer hoch fahren.
Ich bot Tayfun keinen Platz an, er setzte sich trotzdem und wippte mit den Füßen.
„Alles nur ein Missverständnis, Chef! Dieser Chauffeur-Fuzzi hat mich nur angeschwärzt, weil er selbst nicht mit ran durfte, der Karate-Heini!“
Was hatte mich nur geritten, den einzustellen? Aber wir hatten nun mal die Firmenzentrale nach Berlin verlegt und mussten mit dieser Multi-Kulti-Metropole zurecht kommen…
„Ist es richtig, Tayfun, dass du deine Kumpels aus Neukölln zu einem Gang-Bang eingeladen hast und als alle da waren, du ihnen nur ein Mädchen präsentiert hast? Mann, die Anne ist erst Neunzehn und du hast sie in dem Glauben gelassen, alles wäre mit mir abgestimmt!“
Als gut ausgebildete Sklavin hatte sie natürlich alles mit sich machen lassen.
So viel Fantasie hatte ich, um mir vorzustellen, wie sie fünf Türken gleichzeitig „bediente“ mittels ihrer Körperöffnungen und der Hände.
„Sie hat das alles freiwillig gemacht, Chef!“ Tayfun war etwas kleinlauter geworden, wirkte aber für meinen Geschmack immer noch eine Spur zu aufsässig.
Ich stemmte mich an der Schreibtischkante hoch und fixierte den umtriebigen Mitarbeiter mit strengem Blick.
„Als was bist du eingestellt, Tayfun?“
„Security, Mann..äh, Chef!“
„Genau! Und als solcher hast du die Mädels zu begleiten und zu beschützen, Gefahren im Vorfeld einzuschätzen, uns persönlich nicht bekannte Kunden genau unter die Lupe zu nehmen! Dies alles wurde dir im Einstellungsgespräch gesagt!“ Ich machte eine Pause.
Tayfun ließ den Kopf hängen, spielte mir aber vielleicht auch nur Theater vor.
„Sorry, Chef, kommt nicht wieder vor!“ krächzte er.
Ich hatte nicht übel Lust, ihm noch ein paar Sachen mehr an den Kopf zu werfen, zum Beispiel, dass er und seine Kumpels sich an einem Mädchen vergingen, das nicht von hier stammte, aber Deutsche war, weil er und die anderen bei den jungen Frauen türkischer Nationalität nicht ran durften – die wurden von den Familienclans argwöhnisch bis zur Hochzeit überwacht.
Es kam auch heute noch gelegentlich vor, dass eine junge Frau, die in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen war, an einen ihr unbekannten Mann in der Türkei verschachert wurde.
Ich sagte dies aber nicht laut, da ich keine Lust hatte, mich mit der größten türkischen Gemeinde nördlich von Istanbul anzulegen.
Sie beherrschten Teile des Wirtschaftslebens in Berlin.
Ich wusste nicht, ob mein Mitarbeiter, den ich eigentlich fristlos kündigen musste, darauf spekulierte.
Er hatte zu dem die Türsteher-Szene hinter sich.
„Ich lasse Gnade vor Recht ergehen, Tayfun, und erwarte dafür uneingeschränkte Loyalität: Abmahnung, im Wiederholungsfall Entlassung! Du entschuldigst dich bei Anne persönlich und wirst ihr bei der Gelegenheit einen Umschlag mit einem Monatsgehalt überreichen. Desweiteren lege ich fest, dass du Anne nicht mehr zu den Einsätzen begleiten wirst! Du kannst jetzt gehen!“
Ich setzte mich wieder und tat so, als müsse ich Unterlagen für die nächste Besprechung sortieren.
„Ey, Chef, 2000 Glocken! Mann, ey, das ist heftig!“
Er war erregt aufgesprungen, registrierte dann aber mit seiner langen Leitung, dass ich ihn nicht fristlos entlassen hatte.
„Okay, Chef, danke, dass ich bleiben darf! Würdest du auch meinen Cousin Semir Öztürk…“
„Raus hier!“ brüllte ich.
Das war ein Kompromiss, geschuldet der Tatsache, dass diese Nation in einigen Stadtbezirken das Sagen hatte…
Der nächste Tagesordnungspunkt war nicht viel angenehmer, zumindest stimmten die Umsatzzahlen.
Da Angelika schon lange ausgestiegen war und Maria das Handtuch geworfen hatte, musste ich einen neuen Controller einstellen.
wird fortgesetzt...