Gedanken u. Erinnerung an SIE
Es ist schon Jahre her und doch erinnere ich mich als wäre es vor Wochen gewesen.Trotz allem Alltagsgetümmel und meiner mitunter leichten Vergesslichkeit sind mir längst vergangene Augenblicke in meinem etwas fortgeschrittenen Alter merkwürdig einprägsam.
Muss wohl typisch sein für Menschen, die irgendwann über sich und das Leben im Allgemeinen resümieren und sich die Frage stellen - wo komme ich her, wo will ich hin und wer bin ich eigentlich!
Es war wie in jedem Jahr. Ich wollte mal wieder in den Urlaub fahren. Wohin, war mir nicht so ganz klar, aber dorthin wo es warm ist, das Meer nicht weit entfernt, Landschaft, Idylle und gleichzeitig in der Nähe auch etwas los ist. Meine Urlaubspläne wurden konkreter und so entschied ich mich für ein Ferienhaus an der Algarve in Portugal mit Mietwagen.
Das Wetter in diesem September war nicht wie erhofft schön warm und angenehm, sondern windig und relativ kühl.
Abends feuert ich sogar den Kamin an um wenigstens im Haus eine für mich angenehme Temperatur zu erzeugen.
Strandwetter war es also nicht und so dachte ich über alternative Unternehmungen nach. Die nahgelegene, wunderschöne Umgebung zwischen Lagos und Sagres und die Serra de Monchique hatte ich nach gut einer Woche mit dem Auto erkundet. Ich war in Urlaubsstimmung und wollte noch etwas Besonderes erleben.
Ein Reiseveranstalter in der Nähe bot einen Wochenendtrip von Freitag bis Sonntag nach Lissabon an und das interessierte mich. Ich buchte für das kommende Wochenende.
Es war Freitagmorgen und ein nur spärlich besetzter moderner Reisebus stoppte vor meinem Feriendomizil, lud mich ein und "juckelte" danach von einem Hotel zum anderen um weitere Reiseteilnehmer einzusammeln.
Irgendwie fand ich das blöd, aber freute mich auch auf Lissabon und auf das was mich dort erwartete.
Unsere Fahrt führte uns durch das Alentejo, eine herrliche Landschaft mit Feldern aus Korkeichen und Olivenbäumen, nach Lissabon.
Dort angekommen und nach Erkunden dieser tollen Stadt mit den vielen Gassen, schweißtreibenden Treppen, kleinen Cafes und Läden in der Alfama, wurde die Teilnahme an einem Fado-Abend angeboten.
Was der Fado ist und für Portugiesen bedeutet, las ich in meinem Reisführer und war sehr gespannt auf diesen Abend in einem kleinen Lokal in der Altstadt.
Es war soweit - Samstagabend, wieder ein Reisebus und diesmal voll besetzt! Das kann ja heiter werden - dachte ich.
Wir fuhren also in die Altstadt und der Bus quälte sich durch enge Strassen hin zu dem Lokal. Dort angekommen vielen mir als erstes die vielen Busse auf! Ach du meine Güte - kleines Lokal und sooo viele Menschen!
Ob das die richtige Entscheidung war?
Im Lokal lange Tische und Bänke, an denen sich schon Touristen aus weiß Gott was für Ländern in einem bunten Sprachgewirr drängelten und lärmten.
Das war überhaupt nicht mein Ding, aber da musste ich nun durch!
Nach dem Essen betrat eine Dame in einem schwarzen Kleid und ein Gitarrist die kleine Bühne.
Fado war für meine Ohren gewöhnungsbedürftig und klang sehr traurig. Das hatte ich mir etwas anders vorgestellt, obwohl Stimme, Gitarrenklang und Stimmung mich einfingen.
Ich schwamm im Augenblick mit der Masse, saß inmitten zumeist älterer Herrschaften und fand diese Massenveranstaltung für mich unpassend.
Meine gute Stimmung wollte ich mir allerdings nicht vermiesen, denn ich war ja schliesslich im Urlaub!
Mein Verständnis für all das hielt sich in Grenzen.
Irgendwann war mir nach Frischluft. Im Lokal war das Licht etwas gedimmt worden und ich ging in Richtung Ein/Ausgang, öffnete die Tür und blickte in zwei dunkle, strahlende Augen!
Da stand SIE vor mir!
Ein Moment den ich nie vergessen werde! Ein Augenpaar sah mich fragend an und SIE sagte irgendwas. Was sie sagte verstand ich nicht, aber ihre Stimme klang sanft und leise, wobei sie mir tief in die Augen schaute und mich freundlich anlächelte.
Ich bekam außer einem "sorry" nichts heraus und da war es wieder. In solchen entscheidenden Momenten fällt mir nichts ein! Absolute Sprachlosigkeit und Leere im Hirn - nur Staunen!
Normalerweise achte ich bei Frauen auf Figur, Kleidung, Haare und natürlich Gesicht, aber in jenem Moment sah ich nur in ihre Augen.
Ich glaube mich erinnern zu können, dass sie nicht besonders schlank war, lange dunkle Haare hatte und auf mich souverän wirkte.
SIE betrat das Lokal und ich verließ es - wollte es verlassen - und stand ihr eine Ewigkeit gegenüber. Zumindest kam es mir wie eine Ewigkeit vor.
Die Tür fiel hinter mir zu und ich stand völlig perplex in der Gasse vor dem Lokal.
Was war das jetzt - eine Sinnestäuschung? Ich versuchte meine Gedanken zu sortieren und auch das dauerte eine Ewigkeit. Da war es wieder - meine "lange Leitung" in solchen Momenten!
Schlagfertig nach Stunden - typisch, dachte ich und wünschte mir in diesem Augenblick einen schnelleren Durchlauf meiner Gehirnwindungen.
Aber es war zu spät - Chance verpaßt - oder doch nicht!?
Ich drehte um, ging zurück zum Eingang und öffnete die Tür. Diese Frau wollte ich nicht einfach vergessen, meinen Mut zusammennehmen und SIE ansprechen. Wie, war mir egal - auf Deutsch, Englisch oder mit Geesten.
Wieder zu spät! Meine und die anderen Tourigruppen kamen mir entgegen und drängelten sich durch die schmale Tür.
Unsere Reiseleitung rief irgendwas wie ".... zum Bus" und eine Flut von Menschen versperrte mir den Eingang.
Sich dem Schicksal ergebend saß ich mit den Anderen im Bus auf dem Weg zum Hotel. Von der Fahrt dorthin bekam ich kaum etwas mit. Im Hotel angekommen setzte ich mich an die Bar, trank irgendwas und dachte an diese dunklen, strahlenden Augen und an einen Augenblick, von dem ich zu dem Zeitpunkt nicht ahnen konnte, das er mir noch Jahre später so tief in Erinnerung bleiben würde.