Drei Fragezeichen
Glücklicherweise hat blackbondage drei Fragezeichen hinter den Threadtitel gesetzt. Denn ich hielte jegliches Auf- und Abwerten von Personengruppen für äusserst fatal und nicht im Dienste unserer Sache. Entsprechend lese ich auch aus dem Begriff "stinknormal" das Stinken des Normalen heraus, und ich will mich nicht unbedingt besonders unnormal gebärden müssen, nur um nicht zu stinken. Auch "vanilla" ist mitnichten eine bessere Bezeichnung, bedeutet es doch "auf die notwendigsten Funktionen beschränkt", was ich keinem Liebespaar unterstellen will, das unsere Liebe für BDSM-Erotik nicht teilt.
Wenn an der These, die blackbondage befragt, überhaupt etwas dran sein sollte (soweit ich weiss, gibt es keine empirischen Psychologie- oder Sozialuntersuchungen über dieses Thema), dann spräche das noch lange nicht für BDSM als besonders ausgezeichnete Form der Erotik. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Menschen, die eine erfüllte BDSM-Beziehung über eine längere Zeit leben können, müssen
zuvor durch ein paar Bewusstseinsprozesse durchgegangen sein.
Wohlgemerkt: blackbondages These bezieht sich
nicht auf BDSMler, sondern auf BDSM-
Beziehungen. Ich wage in Spiegelung seiner These die weitere These, dass der Prozentsatz unglücklicher Menschen innerhalb der Gruppe derjenigen, die BDSM-Gelüste in sich tragen,
höher ist als in der Gruppe derjenigen, die auf diese Sexvariante verzichten können.
Menschen, die BDSM
leben (und nicht nur fantasieren) und dies auch noch in einer längeren Liebesbeziehung tun, sind, wie meine Vorredner dargestellt haben, häufig durch einen Selbstklärungsprozess hindurch gegangen. Oft taten sie dies nicht freiwillig, sondern sie spürten, dass das erfüllte Ausleben ihrer erotischen Sehnsüchte
überhaupt nur so funktionieren kann, denn es gehören ja mindestens zwei dazu. Dasselbe gilt – auch das wurde schon erwähnt – für Swingerpaare. Beiden gemeinsam ist, dass sie Formen von Erotik bevorzugen, die immer noch einen Tabubruch darstellen, was für den üblichen Geschlechtsverkehr nicht gilt. Tabus lassen sich aber nur durch Bewusstseinsarbeit brechen. Da diese Arbeit beide (oder mehrere) Beteiligte einbeziehen muss, ist eine verstärkte Kommunikation vonnöten. Deshalb mag es sein, dass BDSM-Paare besser und offener miteinander reden können, als Paare anderer erotischer Neigungen.
Und wer weiss, wie viele BDSM-Neigungen in Partnern von Paaren zu finden sind, die eben
nicht ausgelebt werden? Solche Paare zählen wir dann zu den "Normalen". Würde es uns wundern, wenn genau dieser Frust, seine Neigungen nicht ausleben zu können, dazu führte, dass man sich in die innere Emigration zurückzieht, nicht miteinander redet und ab und zu Aggressionen herausplatzen?
Daher, so meine ich, ist BDSM niemals der
Grund für eine gelungene Paarbeziehung, sondern höchstens der
Ausdruck des Gelungenseins. Gleichzeitig muss eine gelungene Beziehung keinesfalls notwendig eine BDSM-Beziehung sein.
stephensson
art_of_pain