erotik ist der tango argentino beim sex
Bringen wir die unangenehme Wahrheit schnell hinter uns: 15 jahre Sexratgeber- und talkshowkultur haben ihre Spuren in unseren Schlafzimmern hinterlassen. Wir wissen mehr als je zuvor über das EINE, über Budapester Beinscheren, Teebeutelchen-Hodenlecktechniken oder 10 Sexgöttinnen-Tricks, wie wir seinen Schwanz am besten anfassen sollen!!! Es ist ja auch hilfreich und schön, es amüsiert und ein wenig tech-
nischer Support hat Neugierigen nie geschadet. Sex ist auf allen ebenen erforscht und
erzählt, körperlich, intellektuell, therapeuthisch. Wir sind wahrscheinlich die bestinfor-
mierteste Generation, die es je gab!
Nur dass soviele Frauen und Männer immer seltener Lust auf Sex haben, das passt nicht recht ins Bild von der befreiten Sexualität. ( Rede jetzt nicht hier von JC!)
Laut einer Studie des Institutes für Männergesundheit hatten 30 jährige vor 20 Jahren 18-22 mal Sex im Monat. und heute? vier bis zehn mal!!!
Ich denke, es liegt nicht an mangelnder Liebe, daß der Appetit flöten geht. "Übersättigung in Wort, Bild & Ton" sagen die einen, die anderen tippen auf "Überarbeitet", wieder andere "Nähe und Harmonie fressen die Leidenschaft auf".
Manche sehen "sexual pressur" als Abturner, die Übersexualisierung von Werbung, Internet, überall Anweisungen, wie man/frau noch heißer wirken soll.
Ich sehe es so, daß Sex aus dem Zusammenhang LEBEN gerissen wurde, um ihn zu untersuchen und zu optimieren. Ohne Rücksicht auf Kleinigkeiten wie Individualität oder Bedürfnisse, die nicht mit multiplen Orgasmen zu tun haben. Dabei sind nicht fassbare Phänomene wie EROTIK, diese Kunst, mit Gesten, Worten oder Situationen Reize zu schaffen, die sexuell erregend wirken, hintenüber gefallen. Man kann sie ja nicht vermessen!!! Nichts ist so diffus und subjektiv wie die Erotik und nicht so hilfreich wie die Glut in der Liebe aber irgendwo zwischen den Tabubrüchen der Auf-
klärung und dem "Du sollst perfekten Sex haben" -Gebot hat sie sich in einem Bahn-
hofssexshop verwandelt.
Dabei verhält sich Sex zu Erotik wie Bodenturnen zu Tango Argentino. Es hat beides seine Qualität, aber die des Tangos....der Erotik durchdringt Haut, Muskeln, Geist, Seele,Fantasie und sämtliche Sinne. Erotik erregt das ganze Sein....ja das ganze Leben, jede Faser meines Körpers.
Ich find Brad Pitt zum Beispiel nicht erotisch. Es fehlt das gewisse Etwas. Oder vielmehr...das ungewisse Etwas. Der Funke, der meine Fantasie, meinen Körper, meine Seele und meine Weiblichkeit gleichermaßen antiggert. Mein Schatz hat das ...gewisse Etwas. Er ist der ...erotischste Mann, den ich je kennengelernt habe. Der Funke... ist ein Feuersturm. Er ist nicht Mr. Perfekt...aber Erotik schert sich nicht um Schönheit, Perfektion, Ruhm oder Geld. Aber ich tanze zum ersten Mal in meinen Leben mit einem Mann....Tango Argentino! Wenn man das einmal kennengelernt und erlebt hat und es genießt...kann man nicht mehr zurück. Es ist soviel - MEHR!
Erotik ist unberechenbar und merkwürdig. Denn obwohl sie der Motor des Sex ist, so ist sie gleichzeitig der Kontrapunkt vom Sex. Und sie fehlt gewaltig.
Das Typische an der Erotik ist, daß sie sich entzieht, wenn man sie erklären will. Sie ist nicht Striptease, Poledance oder Porno. Nicht Push-up, Minirock oder rote Strapse.
Weder FKK, Sauna oder Swingerclub, auch nicht Ferrari oder Fiat. Erotik ist nicht...
"Ich geh mal kurz duschen" und nicht "Fick mich". Erotik ist nicht primär interessiert an Orgasmen. Und sie kann sich sogar entfalten, ohne dass ein männlicher Gegenpart dabei ist.
Erotik oder erotisch, das kann alles sein. Parfüm, das im Raum schwebt, eine schwer nach Muschi aussehende Blume, Musik von Sting, Mousse au Chocolat, ein Schweiß-
tropfen auf dem Körper der Partners, der Rhythmus, in dem das Bett wippt....
Erotische Erregung ist luftiger als sexuelle Geilheit, die sich direkt in der Berührung entlädt. Das Erotische ist der Musik, dem Duft und dem Riechen, all dem Erfassen flüchtiger Eindrücke, viel näher. Und: was unseren Eros erfreut, ist unglaublich indi-
viduell. Ein Atemzug Lust, weil das Rasierwasser an eine Fantasie oder eine Begegnung erinnert. Ein kurzer Augenkontakt mit einem Fremden in der Menschenmenge, der uns wie ein Blitz trifft...eine Stimme, Worte....der Geliebten ...oder auch Stille, der Geruch der Liebe im Schlafzimmer und auf der Haut...
Doch trotz ihres luftigen Wesens können erotische Gefühle kultiviert werden,, um das Leben mit intensiveren Gefühlstiefen auszufüllen - sie dienen als Verstärker der Sex-
ualität. Sowohl für sich allein als auch als Basis, auf der Sex in langfristigen Bezieh-
ungen gedeit. Er wird nur nicht mehr viel mit dem "perfekten Sex" des Sexgöttinen-
Jahrzehnts zu tun haben. Er wir besser!