Gottgefällig
Wenn wir Masochismus als Lust am Leiden verstehen, gibt es alltäglich hunderttausende von Situationen, in denen Menschen mit Lust leiden. Sie werden sich dabei kaum ihrer Lust bewusst werden, und wenn man sie fragte, würden sie vehement gegen das ihnen zugefügte Leid protestieren. Und dennoch sieht man, wenn man sie ein wenig länger beobachtet, dass sie sich immer wieder in Situationen begeben, in denen ihnen Leid zugefügt wird.
Oft genug sind es Ängste, die verhindern, dass man sich von leidvollen Situationen befreit, aber oftmals dient das Leiden auch zur Bestätigung der Selbstinszenierung als leidendes, schwaches Geschöpf. Ich merke das immer daran, dass solche Menschen die ihnen angebotene Hilfe vehement ablehnen oder jeden Hilfeversuch destruieren.
Es ist sicher möglich, diese Lust am Leiden zu sexualisieren, weil nahezu alle Lüste sexualisierbar sind. Ich würde sehr gerne diese Form der Lustgewinnung nicht im Zusammenhang mit BDSM sehen, weil die Selbstinszenierung als leidendes, schwaches Geschöpf oft auf Dauer in die Autodestruktivität führt. Die Sexualisierung dieser Lust am psychischen Leiden kann zur Beständigung dieses Leidens führen und so gerade verhindern, dass der Mensch sich aus der Teufelsspirale von Leiden und die Lust daran gerade befreit.
Das Leiden eines Subs oder einer Sub im BDSM-Kontext wünsche ich mir als die
freie Wahl eines Menschen aus seinem Bewusstsein seiner Freiheit zu seiner eigenen Lust heraus, und nicht aus der Kategorisierung einer seelischen Not. Denn auf Dauer wird sich diese Haltung rächen, und die Seele spielt nicht mehr mit – so oder so.
Und damit wird „die Kraft“, von der Kitto spricht, eine, die die Blindheit gegenüber dem seelischen Leiden eher zementiert, als dass ein Impuls zur Befreiung aus dem Leiden daran erwüchse.
Das erinnert mich sehr an gewisse, Jahrhunderte lang propagierte Dogmen der christlichen Kirche: nur der leidende Mensch wäre der gottgefällige Mensch. Und vorne dran wurden Gemälde des „Ecce Homo“, des leidenden Christus am Kreuz, gezeigt.
stephensson
art_of_pain