befiedigtes Sexualleben - eine fortwährende Suche
Ca. acht Millionen Menschen unseres Landes sind körperbehindert, ohne die sog. Menschen mit geistigen Behinderungen hier mitzuzählen.Dies allein ist schon eine Klassifikation, die sich nur an "Äußerlichkeiten" orientiert - an Grundlagen vereinfachter Verwaltungsarbeit. Kein Mensch besteht nur aus Körper oder Geist.
Hier setzt der Aspekt der ICF - der International Classification for Functioning an. Eine Betrachtungsmöglichkeit von Menschen mit Behinderung, aber auch ein System zur umfassenden Rehabilitation - letztendlich bis zu deren Reintegration in unsere Gesellschaft als ein ebenfalls wichtiges und sozialinteraktives "Kernelement" dieser.
So werden auch partizipative Aspekte der Umwelt und des Alltags dort mit berücksichtigt. Jeder der sich dafür interessiert, kann sich auf der Homepage der Weltgesundheitsorganisation darüber kundig machen. http://www.who.org
Menschen mit Behinderungen sind meist bewegungsgehemmt, sprachgestört, blind, taub, etc. Obwohl sie meist nicht in ihrem sexuellen Empfinden beeinträchtigt sind, leiden viele darunter, dass ihr Bedürfnis nach Geborgenheit, Zärtlichkeit, sexueller Lust unerfüllt bleibt oder dass ihr Sexualleben stark eingeschränkt ist.
Es besteht eine Kluft zwischen Behinderten und Nichtbehinderten. Darübe muss man sich gar nicht erst weiter austauschen. Nichtbehinderte Frauen und Männer wissen meist nicht, wie sie sich angemessen verhalten sollen und meiden daher Kontakte; manche fühlen sich bereits durch den Anblick eines behinderten Menschen gestört und provoziert. Es hilft kaum, wenn sie daran erinnert werden, dass sie selbst plötzlich als Folge einer Erkrankung, eines Verkehrs- oder Arbeitsunfalles für den Rest ihres Lebens schwer behindert sein könnten.
Dieser Umstand hat zumeist etwas mit Unwissenheit, Vorurteilen, negativen Erfahrungen, persönlichen Empfindungen von Ästhetik, Schönem, u.s.w. zu tun. So vielfältig wie das Leben per se ist, so vielfältig sind auch die Menschen und deren Lebensbedingungen und -umstände.
Alles, was jedoch aus der "Norm"alität heraus Anders erscheint, abweicht oder gar als Fremd gesehen wird, macht meist Angst oder erzeugt Unsicherheit. Nur wenn wir Nichtbehinderte uns darüber bewusst sind, können wir die Chance ergreifen, besser und ungehemmter mit dem Thema Behinderung und vor allem mit der Thematik: Behinderung - Lust, Leidenschaft, Sehnsucht, Sexualität, Erotik umgehen zu können.
Es gibt nicht die beiden Behinderten, die sich gleichen.
Das gilt auch für Erotik und das Sexualleben. Es kommt nicht so sehr auf die Art der Behinderung an, sondern darauf, wie einschneidend eine Behinderung erlebt wird.
Für die Lebenszufriedenheit ist entscheidend, ob als gleichwertig erlebbare andere Formen des Lusterlebens, der Erotik und letztlich auch der sexuellen Befriedigung entdeckt werden können; ob Alternativen möglich sind. Und falls ja, diese auch angenommen werden können und umgesetzt. Weiterhin spielen aber auch Charaktereigenarten, beispielsweise mehr optimistische oder pessimistische Einstellungen, Mut, sich anderes als das Übliche einfallen zu lassen und auch zu verwirklichen, zudem die Berücksichtigung von Eigenwilligkeit und Selbstvertrauen eine Rolle.
Also summa summarum nichts Neues - egal nun ob für Behinderte oder Nichtbehinderte. Schließlich kommt es jedoch auf die Fähigkeit an, Resignationen und Einschränkungen jeglicher Art immer wieder angehen zu wollen, zu überwinden und letztlich somit an sich selbst wachsen zu können.
Der positive Zugang zwischen Behinderten und Nichtbehinderten ist immer noch ein Glücksspiel. Leben meist Behinderte doch sehr "ghettoisiert" oder in ihrem "Schneckenhaus" noch, bis auf einige Ausnahmen. Die Annäherung zur Sexualität ist ein längerer Prozess - und der dauert.
Meist machen Behinderte Menschen den gravierenden Fehler, dass sie um alles in der Welt so rasch wie möglich wieder in die Normalität zurückkommen wollen, so meine langjährige Erfahrung mit diesen Menschen.
Aber gerade in der Erotik und Sexualität braucht das Zeit. Sehr viel Zeit - das Nehmen von Ängsten und das gewinnen von Annäherung, Vertrauen, Zuneigung, ... Seitens der Nichtbehinderten. Wichtig ist dabei auch ein Bild von sich zu geben. Nicht nur in Form eines geposteten Bildes, sondern sich als Mensch darstellen. Sich aktiv zeigen, präsentieren, diskutieren, beteiligen ... und dann einfach abwarten, aufeinander zugehen, ...