85:15
Mann braucht
• 1 Jeans
• 1 Paar Boots
• 1 T-Shirt
• und 1 Lederjacke...
...mehr ist purer Luxus.
Mehr? Gibt es denn tatsächlich noch mehr?
Ja, ich glaube nicht, dass mir jemand vorwerfen kann, nicht alles in meiner
Macht stehende zu tun, um das hier angesprochene Männerklischee zu
erfüllen. Nein, ich würde sogar so weit gehen - ich befinde mich tatsächlich
sehr nahe an der Perfektion.
Tja, nun ist es heraußen - wenn allerdings meine Frau dieses Geständnis
liest, kann ich mir etwas schönes anhören, weil mit meiner Aussage eines
klar wird, dass ihre jahrelangen Bemühungen, mich zu einem vollwertigen
Mitglied der Konsumgesellschaft in Sachen Mode zu machen, ganz
offensichtlich gescheitert sind.
Jedoch sehe ich in ihren Bestrebungen, meine Garderobe über den Umfang
der oben angeführten Liste hinaus zu erweitern, einen gewissen Zwiespalt,
den ich hier schon zur Sprache bringen möchte.
Dazu müssen wir nur eine kleine geistige Reise antreten, die uns vor den
Schrankraum in unserem Haus führt. Ohne jetzt eine großartige Skizze mit
Massen und Inhalten der einzelnen "Aufbewahrungseinheiten für Textilien
aller Art" anfertigen zu wollen, möchte ich die geschätzte Mengenverteilung
mit etwa 85:15 beziffern - wobei hier sicher jedem klar ist, dass ich 15 bin.
Wo wir allerdings den Platz hernehmen würden, wenn auch ich auf dem
Niveau 85 wäre, ist mir völlig unklar.
Denn trotz meiner enormen Zurückhaltung und ausgelebten Spartanismus in
Sachen Kleidung, wird der Platz in unseren Aufbewahrungseinheiten immer
weniger und so kommt dann der Tag, an dem meine Frau verkündet - WIR
müssen unsere Garderobe ausmisten, um Platz zu schaffen!
Hä....? Kann nicht sein, ich auch?
Wobei dieses Ausmisten dann so abläuft, dass meine Frau diese Arbeit zu
100% übernimmt und ich, die daraus anfallenden Wäschesäcke - die in der
Folge irgendeiner humanitären Sammelstelle zugeführt werden - durchsuche
und den Versuch starte, zu retten was noch zu retten ist. Meine Lieblings-
schuhe, mein Lieblingssakko..... zugegeben nicht mehr die allerneuesten,
aber die sehen doch noch ganz in Ordnung aus..... für das Alter!
Nichts da, weg damit! Und am darauf folgenden Samstag wird dann mein
Alptraum wahr - neue Klamotten müssen her - also hinein ins "Einkauf-
vergnügen".
Wobei wir vorher noch die Wäschesäcke zu besagter Sammelstelle bringen
und ich mich von meinen Lieblingsstücken gebührend, mit einer Träne im
Auge, verabschieden kann. Diese tief empfundene Traurigkeit verschwindet
allerdings jedes mal schlagartig, wenn ich mir vorstelle, wie irgendwo am
anderen Ende der Welt, eine hilfsbedürftige Feldarbeiterin in den abgelegten
und so sorgsam behandelten Designerstücken meiner Frau, ihrer Arbeit auf
dem Feld nachgeht. Nicht, dass ich der Meinung wäre, dieses Szenario
könnte tatsächlich irgendwo Wirklichkeit werden, aber alleine die Heiterkeit
in dieser Vorstellung lässt mich das Kommende leichter ertragen.
Denn die Einkaufswelt (m)einer Frau unterscheidet sich ganz grundlegend
von der meinen, alleine schon im Zeitfaktor. Da wird stundenlang
umhergestreift und sich durch enge Regalreihen hindurchgezwängt, jedes
Stück wird angehoben und genau betrachtet, aber nicht gleich das oberste,
nein, natürlich jenes in der passenden Größe - als ob ein Pullover zwei
Nummern größer oder kleiner gleich ganz anders aussehen würde. Und hat
dann endlich, das eine oder andere gute Stück, die optische Qualitätskontrolle
erfolgreich überstanden, beginnt die quälend lange Anprobe der Selbigen.
Größen werden aus und auch mal wieder zurück getauscht, Urteile über
Passgenauigkeit und Aussehen eingeholt - und ein einfaches "sieht doch gut
aus" meinerseits, wird dann in der Folge als zu wenig "euphorisch" empfunden.
Worauf ich mit großen, schreckensgeweiteten Augen verfolgen muss, wie die
so mühsam ausgewählten Textilien, wieder zurück in die Hände der
Verkäuferin wandern und wir kurzerhand das nächste Geschäft ansteuern.
Für das nächste Mal muss ich mir wohl irgendeinen Freudentanz einfallen
lassen.....
Wie sich das Ganze in meiner Welt abspielt? Zunächst bin ich mir im
Vorfeld schon völlig klar darüber, was ich kaufen möchte und muss nicht
mehr jedes Stück beäugend, mich durch das komplette Geschäft kämpfen.
Jeans, Farbe, Marke, Schnitt - alles klar! Hin zum Regal - richtige Größe
ausgewählt und - heute ausnahmsweise - ab in die Umkleidekabine.
"Passt?" - Kurzer Blick meiner Frau - "Passt!" - Meine neuen Lieblings-
Jeans sind gefunden.
Und da stehen wir auch schon bei der Kassa!
Überraschenderweise haben wir aber am Ende unseres Einkaufbummels,
trotz aller widrigen Umstände, bei der Aufteilung der gekauften Kleidungs-
stücke wieder ein gewohntes Bild - 85:15 - und ich glaube an dieser Stelle
nicht betonen zu müssen, dass ich 15 bin.
lg raider