Ich find's gut
Ich habe vor kurzem erstmals einen Test machen lassen. Grund dafür war, dass eine neue Sexpartnerin mich darum gebeten hatte. Für mich war das Ganze akademisch, denn ich weiß, wie ich bislang unterwegs war. Sie glaubte mir zwar eigentlich, wollte aber beruhigter sein. Um auch eine Bescheinigung zu bekommen, die die Gesundheitsämter nicht ausstellen (!), war ich in Frankfurt bei der Aids-Beratung e.V. Man macht telefonisch einen Termin und soll 20 Minuten Zeit und 25 Euro mitbringen.
Ich bekam einen Fragebogen, der anonym ausgefüllt werden soll. Statistische Angaben zur Person und der Grund des Tests. Aus den zur Auswahl stehenden Stichwörtern wählte ich "neue Partnerschaft". Die dort ehrenamtlich tätige Ärztin (arbeitet eigentlich hauptberuflich woanders) war sehr nett, freute sich über den Grund, weil sie mir (zurecht) ein nach ihren Worten zu selten vorzufindendes Verantwortungsbewusstsein attestierte. Sie hätte gerne, dass viel mehr Leute so vorgingen, denn sie würden feststellen, dass die Leute HIV-müde werden. Aber es gebe immer noch ca. 3.000 Neuinfektionen in Deutschland pro Jahr.
Sie erklärte mir die Prozedur (Blut aus der Vene, 10 Minuten warten, Testergebnis; negativ = alles o.k.; positiv = weiterer Test notwendig, da nicht ausreichend aussagekräftig) und, dass alles während der letzten 12 Wochen nicht berücksichtigt werden kann, weil der Körper u.U. noch nicht ausreichend Antikörper gebildet haben muss.
Außerdem hatte ich unbegrenzt Zeit, um alle Fragen, die ich zu dem Thema hätte, zu stellen. Das fand ich äußerst angenehm. Übrigens passt dies zu dem ganzen Ambiente, das mit Sofas und Sessel mehr an ein Wohnzimmer als an eine medizinische Teststelle erinnert (es gibt dort keine Liege).
Da ich mein negatives Ergebnis gerne bescheinigt haben wollte (sonst kann ich ja grundsätzlich immer behaupten, ich wäre negativ getestet), musste ich meinen Ausweis vorzeigen, denn die Bescheinigung trägt meinen Namen und mein Geburtsdatum, und darf zurecht nur mit überprüften Daten ausgestellt werden.
Zum Datenschutz: Das Testergebnis wird vor Erstellen der - nur auf ausdrücklichen Wunsch erstellten - Bescheinigung gespeichert. Damit der "Getestete" später noch einmal über das Internet auf sein Testergebnis Zugriff hat, gibt er auf dem Fragebogen ein Passwort an. Wenn keine Bescheinigung gewünscht wird, kennt der Verein den Namen der Person nicht und kann ihn daher auch nicht speichern.
Die Bescheinigung wird im Beisein des Getesteten von Hand erstellt, es gibt keinen Durchschlag, keine Fotokopie, kein PC-Eintrag, nichts. Nicht einmal eine Quittung einer Registrierkasse beim Bezahlen. Dort wird wie beim uralten Kleinkrämerlädchen der Eingang von 25 Euro auf einem Zettel vermerkt. Als ich zahlte, stand dort bereits der ein oder andere Betrag, alle ohne Namen.
Anonymer, praktischer, schneller und gleichzeitig netter und fachlich versierter kann ich es mir nicht vorstellen.
Im Übrigen fand ich auch interessant, die unterschiedlichen Ansteckungsrisiken (aller sexuell übertragbaren Krankheiten) je nach Sexpraktik zu hören bzw. während der Wartezeit zu lesen. Denn manchmal hätte ich mir sogar zu viele Gedanken gemacht, da manches sogar ohne jeglichen Schutz als Safer Sex zu betrachten ist.
Aber mal die Frage in die Runde: Was wäre denn, wenn jeder von seinem Sexpartner eine solche AKTUELLE Bescheinigung verlangen würde? Wenn Sie Zugangsvoraussetzung für einen Swingerclub wäre? Usw?
Ja, klar, am Anfang gäbe es die Unsicherheit der letzten 12 Wochen. Aber denkt mal weiter: Wenn immer wieder der Test zu erneuern wäre, weil er nach 12 Wochen als nicht mehr gültig akzeptiert werden würde, müsste nach relativ kurzer Zeit ein negatives Ergebnis auch die Wahrheit widerspiegeln. Nach z.B. 6 Monaten heißt es dann: Entweder hatte er in der Zeit keinen Sex, oder musste vorher bereits eine Bescheinigung vorlegen. Die jetzt aktuelle stimmt dann in jedem Fall. Und schon weiß man Bescheid.
Daraus folgere ich: Wenn heute jeder auf Gummis besteht, ist das gleichbedeutend mit dem Verlangen einer Bescheinigung, wenn es denn genausoviele gibt, die die verlangen würden. Gut, es wäre lästiger und teurer, aber der Sex ohne Gummi auch schöner.
Und klar, ich weiß, was jetzt kommt: Ist nicht durchsetzbar und daher weiterhin gefährlich. Ja, das ist wie mit dem Führerschein. Man braucht ihn und er wird (zu selten) kontrolliert. Und es fahren einige ohne.
Aber ich bin überzeugt, dass es funktioneren könnte, wenn genügend Leute mitmachen und es sich verselbstständigt und Standard wird.