Liebe / / Psychoterror
Ich stürz einfach mit der Bitte, sich Inspiration für interessante Antworten, Kommentare und eigene Erfahrungen zu holen, mitten hinein:Ich bin achtundzwanzig Jahre alt und befinde mich seit genau genommen zwei Jahren in einer Art Liebesbeziehung, die sehr Kräfte raubend ist, aber durch sämtliche Begleitumstände weder abstirbt noch ausreift. Wir – sie ist siebenundzwanzig – waren Liebespaar, sind Nachbarn und die besten und wichtigsten Freunde, die wir jeweilig haben. Je mehr Zeit wir mit einander verbringen und je mehr Hürden wir nehmen, desto mehr wachsen wir zusammen, desto mehr Vertrauen besteht.
Ich lernte meine Freundin (die treffendste Bezeichnung für sie) beinahe unmittelbar nach der Beendigung meiner damaligen zehnjährigen Lebenspartnerschaft kennen. In unseren damaligen psychischen und sozialen Tiefs haben wir uns über Nacht gefunden und gefressen. Im Schein der Vernunft hat sie nach kurzer Zeit die einzige vorhandene Wohnung neben meiner genommen – ich dachte (ich sag absichtlich nicht „wir dachten“) tatsächlich, das wäre die Patentlösung für eine plötzliche, vielleicht unerwartete Trennung.
Nach einem halben Jahr, in dem ich beinahe von Anfang an mit Situationen konfrontiert war, die vermutlich der durchschnittlichen Bevölkerung bislang knapp vom Schicksal verwährt blieben, habe ich die Beziehung wieder beendet. Ich hatte nach heutiger Betrachtung, nicht aber nach damaligem Empfinden, die Trennung von meiner vorigen langjährigen Partnerin noch nicht überwunden, mich von ihrer Person überfordert gefühlt und mich überdies – vielleicht deswegen – in die spärlich erwiderte Verliebtheit in eine Kurskollegin geflüchtet.
Während dieses Kurses, den ich knapp, nachdem ich meine Freundin/Nachbarin/was-auch-immer-meine-Frau-halt kennen gelernt hatte, begann, lebte ich ein Jahr lang tageweise in internatsähnlichen Verhältnissen mit wilden Partys und starkem Gruppenwohlbefinden. Ich konnte sicher sein (auf einer subtilen Bewusstseinsebene war ich das vielleicht), dass die Verliebtheit in diese Kollegin nach Ende des Kurses abflauen würde, was sich aber als sehr unschön (und mit unschön meine ich solche schon weiter oben erwähnten Situationen, in denen dich beispielsweise eine Stunde nach ausgetauschten Zärtlichkeiten und Küssen im Restaurant weit aufgerissene irre Augen anstarren und du angeschrieen wirst, du sollst verschwinden; und die damit verbundenen emotionalen Schläge) und schwierig herausstellte: Unbescholten – wie ich durch die Erfahrung einer langjährig funktionierenden aber in zu frühen Jahren begonnenen Beziehung war – konnte ich nicht ein zweites Mal von einem unberührbaren Herzen ablassen und verfiel der Liebe zur Liebe derjenigen, deren Liebe zu bekommen am schwierigsten ist.
Es kam tatsächlich so, dass nach Ende dieses Kurses – nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“ – die Verliebtheit in diese Kollegin verebbte. Während dieser Zeit hatte meine Nachbarin/Freundin eine kurz währende Beziehung zu einem jungen Mann in meinem Alter, mit dem ich mittlerweile eine unregelmäßige Kurzbesuchsfreundschaft pflege, bei denen sich die beiden jedoch eher aus dem Weg beziehungsweise nicht auf einander eingehen. Unsere Nachbarschaft war durch diese Beziehung, die sie hatte, in die Richtung einer herzlichen Freundschaft gerückt – sie hat mir auch immer wieder und sich häufend ihre Beziehungsschwierigkeiten geklagt.
Zufällig (?) zur gleichen Zeit – der Kurs war vorbei und wir hatten wieder mehr Kontakt – ließen wir von unseren jeweiligen Steckenpferden ab und uns dann und wann auch körperlich auf einander ein. Diese Erlebnisse waren meiner Meinung nach wesentlich entspannter, persönlicher, angenehmer und erfüllender als die meisten unserer sexuellen Kontakte, die wir vor allem in der Anfangsphase unseres vormaligen Zusammenseins ausgiebig hatten. Damals drängte sie sich und mir Praktiken auf, was ich in dem Drang, die Grenzen des Auslebens meiner Sexualität zu dehnen, annahm, ohne ausreichend auf den schon damals vorhandenen Impuls näher einzugehen, dass sich Widerwillen hinter ihrer Hingabebereitschaft versteckte.
Geringfügig freies Zitat aus der Fernsehserie Twin Peaks: „Sämtliche Probleme der zivilisierten Menschheit sind sexueller Natur“
Zu dieser fließenden Zeit des wieder zueinander Findens kreuzten sich generell die Verläufe unseres Alltages zusehends. Sie ruft mich an, wenn ich unterwegs bin und ihr was zu Essen mitbringen soll; sie gibt mir Süßigkeiten, die sie am Wochenende von ihrer Mutter bekommt, wir sehen gemeinsam fern, trinken am Morgen gemeinsam Kaffee, bevor wir arbeiten gehen; reden über wichtige und unwichtige Dinge; ich helfe ihr beim Lernen, wenn ich kann (sie besucht die Abendschule); sie bremst mich, wenn ich beim Fortgehen zu viel trinke; ...
Der erneute sexuelle Kontakt brach innerhalb weniger Wochen wieder ab, begleitet mit Ausflügen in Techtelmechtel mit einem Freund, den sie bekennend als Versager sieht und der in ihr auch kein sexuelles Interesse erweckt. Diese Techtelmechtel, ich bezeichne sie so, weil ich sie während ihrer Phase vorrangig als gegen mich gerichtete Neckereien empfand. Sie gestalteten sich so, dass die beiden Sauftouren unternahmen und er dann auf ihrer Couch seinen Rausch ausschlief, was ich ständig nach ihrem Ernüchtern auch aus ihrem Mund zu hören bekam.
Nach einigen unangenehmen, emotional belastenden Konfrontationen nahmen diese Techtelmechtel wieder ein Ende und sie stürzte sich auf den Nächsten – ihren mittlerweile bis nächstes Frühjahr in Australien verweilenden Macker (wie sie ihn bezeichnet hat) – einen vogelfreien, geschiedenen Vater und ständig reisenden Journalist, der in seiner Midlifecrisis nach einer wesentlich jüngeren Frau giert (meine Eifersucht getränkte Anschauung), deren Unterlegenheit – im Bildungsstand, in der Reife, in der finanziellen Unabhängigkeit etc. – er durch die Verlockung durch einen seiner vielmaligen Thailandurlaube im Club unterstreicht.
Der Eindruck, dass sie sich ungewollt dieser Ausnutzung ihrer Unterlegenheit ausgesetzt hat, stammt aus ihren Erzählungen über den erwähnten Urlaub, die gleich am ersten Tag nach ihrer Rückkehr statt fanden: er meinte, sie muss unbedingt zum Friseur, weil sie so aussieht als könnte sie sich keinen leisten – die Frau, um die es hier geht, hat ein sehr stilvolles gepflegtes Modebewusstsein und eigenen Stil...; er würde sie nie heiraten, weil sie keine Akademikerin ist (!?!) usw. Sie fühlte sich grundsätzlich von ihm wie von einem Lehrer behandelt, mit dem Unterschied, keine Noten zu bekommen, wie sie abfällig bemerkte.
Nach dem Urlaub in Thailand ist er direkt weiter nach Australien geflogen, wo er seinen Hauptwohnsitz hat. Während der Zeit, als er noch in greifbarer Nähe war, hatten sich die beiden selten gesehen, den Alltag und das Bedürfnis nach Zusammenhalt lebte und lebt sie praktisch mit mir. Und jetzt, drei Wochen nach dem Urlaub, der anscheinend auch so was wie Urlaub von einander war, schraubt sich die Spirale von Zuneigung, Vertrauen, Vergnügen, Ablehnung, Verleugnung und Ohnmacht weiter. Sie ist zu viel in meinem Leben und lässt mich zu wenig in ihres, kann aber genießen, wenn ich ihr den Rücken massiere oder den Hals küsse, wie es neulich passierte als sie sich zum Fernsehen in mein Bett gelegt hat. Ich sah die Zufriedenheit in Ihrem Gesicht und sprach sie auf die Schönheit der Berührung zwischen uns an und sie zuckte zuerst mit den Achseln. Dann stellte sie komplett um und versteckte sich hinter dem Fakt, dass sie ja einen Freund hat – den sie mir ja ursprünglich als „Macker“ näher gebracht hat.
So ist nun die Situation. Ich möchte noch erwähnen, dass meine Freundin seit kurz bevor wir uns kennen gelernt hatten, in psychotherapeutischer Behandlung ist, so wie auch ich seit sehr kurzer Zeit. Ich möchte absichtlich möglichst unsere Vorgeschichten oder jeweilige diesbezügliche Motivationen außen vor lassen, da ich einen möglichst objektiven Blick auf meine subjektive Gefühlswelt geben will, durch die Erfahrungen die ich gemacht habe und nicht durch Vermutungen über unsere Vergangenheiten, die ich habe.
Ich hoffe auf und freu mich schon sehr über die hoffentlich zahlreich folgenden Postings.
suv4luv – ist es das Wert?