Wenn sie...
... wieder einmal einen Mannkennenlernt, der im Begriff ist, an ihr teil zu nehmen, dem wird sie sagen:
"Du kannst nichts dafür. Du bist nett. Es tut mir leid. "
Sie wird mit ihm vielleicht eine
Nacht und ein Bett teilen oder
sogar ein paar Tage. Aber spätestens dann wird sie ihm
eine Geschichte erzählen. Sie wird ihn anschauen, ernst und von weit weg. Schließlich wird sie beginnen:
"Da gibt es eine Stadt. Sie ist irgendwie wie andere Städte
auch. Aber wenn man, so wie ich, auf gewisse Art mit ihr verbunden
ist, kann sie unheimlich groß und
verwirrend sein. Dann ist sie der Mittelpunkt der
Welt.
In dieser Stadt lebt nun ein Mann
mit seiner Frau. Dieser Mann wiederum ist – wie die
Stadt - nichts Besonderes. Er trägt keine besondere Kleidung, er redet nicht besonders viel, und er sieht nicht mal
außergewöhnlich gut aus. Siehst Du, er ist einer von vielen. “
Sie wird ihren Blick senken und
fast zögernd fortfahren: "Ich habe noch nie für einen
Mann so besonders viel empfunden
wie für diesen. Er mag feige sein und unaufrichtig, vor allem sich selbst gegenüber. Er mag seine Frau betrügen. Er mag sich nur Heimlichkeiten
getrauen. Denn ich war seine Geliebte. Ihm bin ich nahe gekommen. So nah, viel näher, als ich je zu Dir kann. “
Sie wird eine Pause machen. Ihr Blick mag sich im weiß der
Zimmerdecke verlieren. Sie wird eine Zigarette anzünden
und sich ein wenig aufrichten, als wäre das eben Gesagte
körperlich anstrengend gewesen.
Dann wird sie weitersprechen: "Du willst mich; das ist zu
viel. Du hast immer Zeit für mich; das
beengt mich. Mit Dir kann ich alles machen, das behindert mich. Mit Dir soll ich ein geregeltes
Leben führen, das ermüdet mich. Du liebst mich, sagst Du, das trifft mich nicht. “
Sie wird abermals eine Pause machen. Ihre Augen werden ihn nur kurz
streifen und aus dem Fenster
schauen. Sie wird mehr zu sich als zu dem
Mann sprechen:
"Denn ich habe alle
Geheimnisse kennen gelernt. Alles Leise und Verschwiegene. Alles Aufregende und alles
Herzklopfen. Ich kenne die Sonnenaufgänge besser
als das aufdringliche Abendrot. All die tristen und verhangenen
Sonnenaufgänge, aber auch alle leichten und
strahlenden. "
Sie wird sich langsam vom Fenster
abwenden. Ihre Hände werden in einer
hilflosen Geste steckenbleiben. Sie wird sagen: "Du kannst nichts dafür. Es tut mir leid. Du magst interessant reden, Du magst ausgefallene Kleidung
tragen und allen gefallen.
Ja, das ist vielleicht das Schlimmste. Du bist immer konstant - in allem. Dich mag man bewundern. Siehst Du, Du bist in Ordnung. Dich kann man heiraten. Du würdest sogar Staubsaugen und
daran denken, Brot zu kaufen. Für Dich gibt es keine Entfernung, nicht einmal eine räumliche. Du denkst, damit wäre jede Entfernung
überwunden. DICH werde ich nicht lieben. Deshalb geh' lieber. "
Zum Abschied wird sie ihn nicht
küssen. Sie wird sich nicht berühren lassen. Sie wird sogar zögern, als er ihr wenigstens die Hand
geben will!