bei diesen Steilvorlagen muß es doch noch ein wenig weitergehen. Das Jahr besteht ja auch nicht aus nur einem Tag
Michael
(von Trout)
(C) by me ... gelebte Situationen sind niemals rein zufällig
Sie stand da, einfach so, in einem kurzen, dünnen Nachthemd.
Aus einem Traum war sie aufgewacht, hatte sich gefunden in einer dunklen Nacht, in der jeder Lichtschalter zu weit weg war.
An ihren Beinen konnte sie den Hauch von Sommer ahnen.
Die noch leichte Feuchtigkeit, die von seinem Saft übrig geblieben war, trocknete nun etwas schneller, nachdem die schützende, wärmende Decke nicht mehr ihren schlafenden Körper bedeckte.
Wie immer war er aufgekratzt, wenn der Vollmond nur noch einen halben Monat entfernt war. Wie können Mensche dem Vollmond nachhängen? Er nahm einen Zahnstocher, schob ihn zwischen die Lippen, begann mit der Zunge daran zu spielen. Wieso mochten die Menschen keine mondlosen Nächte? Er liebte sie, diese Dunkelheit. Er liebte auch diese dunklen Straßen, in denen nachts nur jede zweite Lampe die Straße mit spärlichem Licht beleuchtete.
Das Telefon klingelt und reißt mich aus meinen sinnigen Interpretationen für eine größere Buchillustration, die ich in den nächsten Tagen machen soll. Ich liebe diese hintergründigen Bildserien, mit denen in neuester Zeit belletristische Leichtgewichte zu Kunstobjekten im Schnellverbrauch gemacht werden.
„Pronto!“, ich gebe mich italienisch, weil ich schnell wieder in meine Ideenfindungen zurückgleiten möchte.
„Äh, ja, hier ist Sebastian …“, Pause, ich soll mich wohl an jeden Sebastian erinnern. Ganz lange Pause. „Sebastian … wir hatten ein Shooting im August, im Regen!“, ah, ein Wetterkomiker, der ganze August war verregnet, aber wenigstens kreist es das Jahrhundert schon mal ein. Ich überlege und er quasselt weiter, „das Shooting in der Küche!“. Stimmt, ich kann mich an die Mahnung der Stromgesellschaft erinnern. Ich Hammel ich, hab die Mahnung mit dem PornArt-Konzept hinten drauf in die Buchhaltung gesteckt und mein Buchhalter hatte einen Heidenspaß daran. Ok, für die nächste Buchprüfung vom Finanzamt müssen wir da noch etwas tun.
„Ja, ich erinnere mich genau“, Halblügen sind an der Stelle erlaubt, ich kann mich wirklich nicht erinnern, dass der Knabe mit dem schönen Schwanz Sebastian heißt. „Gefallen Euch die Bilder noch?“, versuche ich das Gespräch über die etwas holprige Schwelle zu heben.
„Ja …“, gurgelt er, wieder Pause, er scheint sich zu sammeln, „wir haben eine Art Sucht danach!“. Ich grinse breit. Solche Drogen sind immer erlaubt! „Wir haben einen Wunsch“.
Mit der Weiterarbeit am Konzept für die Buchillustration brauche ich jetzt gar nicht weiter zu machen, das Gespräch zieht sich hin, geht in Details, die mir die Ohren glühen lassen. He, die Zwei sind wirklich süchtig! Als dann die Frage nach einem Termin hochkommt, wird das Gespräch wieder etwas dünn, weil ich nur mit Mühe einen freien Platz finde.
Der Herbst ist gekommen. Das Wetter, typisch für Deutschland, hat politische Ausprägungen, das große Programm steht, die Richtung ist noch unklar, wenigstens ist es herbstwarm. Ich schleppe meine zwei Kamerataschen durch den hereinbrechenden Abend. Wie immer sind mir Städte fremd, in denen ich nicht wohne. Dort vorne, in dem kleinen Cafe, werde ich mich mit meine Lieblingsmenschin treffen, meine Liebe und mein Herz schlägt etwas schneller. Schon seit vier Tagen jagen wir wieder mal getrennt unseren Bildern nach, machen Auftraggeber glücklich und weinen bei dem Gedanken an die schleppenden Zahlungseingänge.
Aber heute Abend werden wir wieder zusammen sein, werden zusammen ein Shooting machen, werden dann zusammen in ein Bett kriechen, werden eng umschlungen einschlafen, werden eng umschlungen aufwachen, werden gemeinsam frühstücken, werden unsere nächsten Tage besprechen, werden uns auf die Straße küssen, werden uns auf das kommende Wochenende freuen, werden die wenigen Stunden bis dahin kaum erwarten können, werden … die feuchtwarme Luft des Cafes schlägt mir entgegen, nimmt mich auf.
Ganz hinten sitzt meine Liebe. Ich renne fast über einen im Weg stehenden Stuhl, stoße mit einer Kameratasche eine Handtasche vom Tisch. Die empörte Dame, oder wie diese Gestalt auch immer bezeichnet werden soll, überdeckt mich mit einem Gassenjargon, der nichts Damenhaftes hat. Ich hab keine Zeit für Streitgespräche.
Ich küsse meine Liebe, meine Lieblingsmenschin, meine Tilla. Ihre Augen leuchten. Ihre warmen, weichen Lippen saugen sich an mir fest. Glücklich! Noch eine Stunde Zeit, bis wir wieder beruflich werden müssen.
Mittlerweile ist die Dunkelheit hereingebrochen. Vor uns sitzt das junge Paar und ich habe beide ganz anders in Erinnerung, viel aufgeregter, viel unsicherer, viel irgendwas. Gereifter erscheinen sie heute. Tilla versteht sich mit dem Mädel gut, beide lachen, haben ihren Spaß und der Jüngling, ach, Sebastian ist der Name, breitet sich in einer Selbstsicherheit am Tisch aus, dass es mir um die Fotosession Angst und Bang wird.
Tilla öffnet eine Tasche, lässt das Mädel hineinsehen und spitze, freudige Frauenschreie, die es wirklich nur beim Anblick von Schuhen gibt, scheinen die Cafe-Stimmung zu zerschneiden. Plötzlich stehen Pumps auf dem Tisch. 10 Zentimeter Absatz und mehr. Ich kann es mir nicht verkneifen und mache ein Bild von freudig, feucht glänzenden Frauenaugen.
Dann ziehen die Mädels auf die Toilette um MakeUp und Frisur in die richtige Form zu bringen. Ich schaue Sebastian in die Augen. Auch er wird sich einer Betonung seiner Augen durch Tilla´s Hand nicht entziehen können. Warum pflegen Männer so uninteressante Haargestaltungen? Schon wieder ein Rätsel, das ich im Rentenalter lösen werde. Aufgabensammlung fürs Alter.
Als die Mädels wieder an den Tisch kommen, schaue ich in das Gesicht eines hocherotischen Vamps. Lässig klemmt sie eine Zigarette zwischen die knallroten Lippe. Auch ihre Kleidung hat von Straße in Extravagant verwandelt. Nur die Schuhe passen noch nicht, aber die Erlösung ruht in Tilla´s Tasche.
Sebastian ist etwas irritiert, als Tilla seine Augen mit gekonnten Strichen bildgerecht macht, einfach am Tisch, mitten im Cafe, soll sich doch daran stören wer will. Wenn die alle wüssten, was gleich passiert. Ich lache halblaut im Gedanken an das gewachsene Spießbürgertum.
Gemeinsam gehen wir zum Bahnhof. Alt, wilhelminisch, leuchtreklamebehängt.
Wir gehen auf die obere Ebene, dort, wo die kleinen Läden schon längst geschlossen haben und ihre Existenz durch lichtüberflutete Schaufenster anzeigen.
Tilla macht den Aufpasser, ich mache mich fertig für das außergewöhnliche Shooting, Stativ und alles wir gut.
Erste Einstellung, das Mädel steigt in die Pumps, wird zur Frau, wird zum Vamp, vollkommen erotische Ausstrahlung, laszive Bewegung, verruchter Ausdruck und immer wieder ein vorsichtiges, aber provokantes Aufblitzen von Brüsten und Po. Sie lehnt sich zurück, mit dem Kopf an ein Schaufenster gestützt, greift sich unter den Rock, lässt ihre rasierte Scham aufblitzen, begnügt sich nicht damit, nur zu zeigen. Tilla passt auf und der Jüngling, Name schon wieder vergessen, schaut wie gebannt zu.
Heute ist langsame Fotografie angesagt. Sorgsam fließen die Bilder in meine Mittelformatkamera, dieses unmöglich große Teil, das im Kraftstudio sicher mit einer Hantel verwechselt würde. Erster Film voll, zweiter Film voll, dritter Film voll. Ende mit Vamp.
Mittlerweile hat sich der Mann umgezogen. Keine Möglichkeit ihn anders zu bezeichnen. Trenchcoat, unten stecken die nackten Beine in Straßenschuhen.
Tilla rollt im Dunkelsack die Filme zurück. Jetzt kommt der wirklich spannende Teil. Doppelbelichtung! Zwei Menschen, zwei Körper als irreale, hocherotische Projektionen in realer Umgebung durch Lichtmalerei ineinander gebunden, untrennbar auf einem Negativ.
Ich bring den Mann in Position, hab mir genau gemerkt, wie Vamp stand und muss nun Mann einfügen. Übung macht’s und ich hab ihn so weit. Er reiß den Mantel auf und … stimmt, da war was! Er hat wirklich einen schönen Schwanz. Pose um Pose fließt auf die Bilder, die ich vorher mit dem Vamp gefüllt habe. Der Mann ist irre, lässt sich durch halblaute Rufe seines Vamps anfeuern, sein Blick geht an der Kamera vorbei, gut so, so will ich das. Vor meinem Objektiv wird er immer erregter. In seinen Augen brennt die pure Geilheit. Erster Film voll, zweiter Film voll, dritter Film voll. Zitternd schließ er etwas widerwillig den Mantel.
Wir verabschieden uns vor dem Bahnhof von den Beiden, wissen, dass sie auf der Rückfahrt sicher nicht bis zum Erreichen des Bettes warten werden.
Ich schaue in die Augen meiner Liebe, küsse ihren Hals. „Du ahnst nicht, welche Bilder ich gemacht habe, als Du mit Sebastian beschäftigt warst“, flüstert sie und ich kann fühlen, wie ihre Augen leuchten. Ich hatte es geahnt, Sebastians Blick hatte ein besonderes Ziel.