Problem der Nicht-Wollenden?
Moral ist die Gesamtheit der Wertvorstellungen des überwiegenden Teiles der Gesellschaft, die ein friedvolles und vernüftiges Miteinander ermöglichen, quasi ein ethisches Rechtssystem, wobei eine Vielzahl von Vorstellungen in kodifizierter, also schriftlich niedergelegter Form (=Gesetze und Verordnungen) festgehalten worden sind.
Wie die Erfahrung zeigt, neigen rechts- bzw. moralfreie Gesellschaften über kurze oder lange Sicht dazu, unterzugehen, weil in diesen Fällen ein miteinander auf lange Sicht nicht möglich war. Wo es keinen gültigen "Rahmen" gibt, wird sich die Menge der Individuen nicht kraft eigenen freien Geistes an die Achtung anderer halten. Gesellschaftliche Formen eines Zusammenlebens funktionieren nicht, wenn jeder sein eigenen regeln aufstellt. Ich denke, über diese historischen Tatsachen erübrigt sich eigentlich jede Diskussion.
Ebenso können wir kaum ernsthaft darüber diskutieren, dass die überwiegende Anzahl geltender Gesetze (bitte jetzt keine Allgemeinplätze über die Unübersichtlichkeit unseres Rechtssystemes, das ist ein anderes Thema) sinnvoll ist und dem Werteverständnis des überwiegenden Teiles der Bevölkerung entspricht. Gerade im Bereich des Sexualstrafrechtes entspricht wohl bspw. die Strafbarkeit der Misshandlung Schutzbefohlener geltendem Wertekodex.
Wo taucht die Frage nach der Moral also auf? Ich habe in den unterschiedlichsten Foren noch keinen Beitrag gelesen, in denen bspw. bestimmte sexuelle Spielarten als amoralisch bezeichnet wurden. Die Frage nach der Moral taucht im Regelfall immer nur an einem Punkt auf, der des Betruges/Vertrauensbruches oder spezieller gesagt Fremdgehens. Interessanterweise kann man hier eine nicht endenwollende Tendenz feststellen, dass - sehr platt und einfach, ja schon reduziert gesagt - der Betrügende/Vertrauen-Missbrauchende seine Verantwortlichkeit abstreitet und auf entsprechende Kritik bzw. Statements mehr oder minder lautstark Scheinheiligkeit und Moralapostellei beklagen. Ist das die Toleranz, die man für sich selbst beansprucht? Fakt ist nun einmal, dass ich nicht möchte, dass mir jemand bewußt eine mangelhafte Ware verkauft. Hierzu korrespondierend möchte ich auch nicht, dass mich mein Partner betrügt. Und so langweilig es klingen mag, dies ist nun einmal auch die Vorstellung der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, also letztlich eine demokratische Entscheidung. Alleine vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine Bewertung, ob die Moral der Mehrheit falsch oder richtig ist. Denn - und dies wird von eineigen Systemkritikern oft übersehen - zu einem demokratischen grundsystem gehört es auch, die Entscheidung der Mehrheit zu akzeptieren. Wer sich also außerhalb des ethischen Grundempfindens der Mehrheit stellen will und der deren Vorstellungen nicht teilen will, der wird mit der Vorstellung der Mehrheit und deren Kritik leben müssen. Und nur weil er nicht die Moralvorstellungen der Mehrheit teilen will - die sich sowieso im Laufe der Jahrzehnte laufend ändert - ist er nicht schlechter aber eben auch nicht besser als die "dumpfe" Mehrheit. Anders-sein um des Anders-sein wollen ist ärmlich.
Im übrigen, um dies abschließend auszuführen, ist mir auch unverständlich, wieso die Bezeichnung eines Verhaltens als moralisch grenzwertig solche Proteststürme auslöst. Wer von seinem Verhalten überzeugt ist muss sich nicht rechtfertigen, zumal sein moralisch zweifelhaftes Verhalten ja noch nicht einmal in irgendeiner spürbaren Form geahndet werden kann. Wieso also die Aufregung, nur weil die Mehrheit nicht applaudiert? Nur wer andere Vorstellungen als die Mehrheit hat, der kann nicht erwarten, dass diese Mehrheit seine Vorstellungen zu ihren eigenen macht. Um es profan zu sagen: Wer auf dem Fussballplatz lieber die ganze Zeit den Ball in die Hand nehmen will, der muss entweder Torwart werden oder zum Handball wechseln.
Also brauchen wir moralische Vorstellungen? Ja
Sind diese falsch oder richtig? Nein, sie sind nur die Entscheidung der Mehrheit, hiernach zu leben. Wer dies nicht möchte, kann´s gerne tun, muss aber dann halt auch damit rechnen, nicht die Mehrheit von seinem Verhalten überzeugen zu können.