Weils gerade so wunderschön passt:
" Gut ein Jahrzehnt nach Freigabe der Pornographie wogt eine verwirrende Debatte unter den Frauen. Feministinnen wie Alice Schwarzer wollen die Porno-Produktion einengen. Eine jüngere Frauengeneration hingegen verlangt nach selbstgemachten "geilen Bildern und Texten" und will Pornographie als kulturelle Errungenschaft verstanden wissen. *
Unter einem Highway in San Francisco öffnet Susie Sexpert, 30, einen kleinen Koffer und holt ihren Lieblingsdildo heraus. Er ist ein wenig blaß, aber stramm gearbeitet und stets frisch, falls er rasch gebraucht wird. "Ich achte sehr darauf", sagt Susie Sexpert, die noch viele ähnlich schöne Sachen sammelt, "daß meine Spielzeuge immer hübsch sauber sind."
Ramona führt in einem Striplokal einen Sketch als Geschäftsmann auf, den es vor Geilheit nicht mehr in der Hose hält. Mit clownesk verdrehten Augen fuhrwerkt sie zwischen ihren Beinen an einer Flasche herum, aus der, zum Zeichen, daß es soweit ist, kleine Bierfontänen spritzen.
Dorothee Müller, eine deutsche Unschuld, läßt ihren Heinz in der Heimat zurück, um im Wunderland Amerika die Liebe zu suchen. Eine lesbische Lady besorgt ihr erstmal ordentlich Lust und kassiert hinterher bei der Kleinen ab. "Für dich, Süße", sagt sie und gibt Küßchen, "mach ich''s für 500."
Sex sei schließlich "nicht nur lustvoll, sondern oft auch lustig", meint die Hamburger Filmemacherin Monika Treut, 34, die in ihrem neuen Kinofilm "Die Jungfrauenmaschine" (Uraufführung bei den Hofer Filmtagen vergangenes Wochenende) den Frauen Susie, Ramona, Dorothee und anderen zu ebenso amüsanten wie erotischen Liebesspielen verhilft.
Monika Treut gehört zu einer wachsenden Zahl von Frauen in der Bundesrepublik, die sich in jüngerer Zeit, beharrlich lauter werdend, mit ihren Vorstellungen von Erotik an die Öffentlichkeit trauen. Regisseurinnen, Autorinnen, Verlegerinnen und Politikerinnen fordern eine "weibliche Pornographie", erotische Bilder und Texte, Kunstwerke, Bücher, Filme, Ausstellungen, die auch Frauen aufregend finden können.
Unverhofft haben die, meist jüngeren Frauen der wogenden Porno-Debatte eine neue Richtung verpaßt. Als die Grünen und die Sozialdemokraten vor wenigen Wochen in Bonn mehrtägige Anhörungen veranstalteten, um herauszufinden, ob und welche Pornographie zu verbieten sei, mischten sich aufmüpfige Töne in die allgemeine Porno-Verdammnis.
Die grüne Abgeordnete Verena Krieger, mit 27 Jahren die jüngste Abgeordnete des Bundestages, ermutigte Frauen, eine eigene Pornographie in Bild und Schrift zu setzten: "Erotische und geile Bilder" müßten her. Die Tübinger Verlegerin Claudia Gehrke (siehe Seite 273) verlangte, die Pornographie aus subkultureller Schmierigkeit in den gängigen Kulturbetrieb zurückzuholen.
Frauen, das wurde auch auf den Anhörungen deutlich, sind durchaus neugierig auf Pornographie - allerdings auf eine andere, als sie männliche Produzenten herstellen. Die betagte These, die etwa "Zeit"-Feuilleton-Chef Ulrich Greiner verbreitet, der Mann sei "pornographisch interessiert, die Frau hingegen nicht", wollen die weiblichen Erotik-Pioniere widerlegen. Dabei geraten sie in _(Photos aus "Mein heimliches Auge III"; ) _(oben Mitte: aus Cleo Uebelmann "The ) _(Dominas", Tübingen 1988; rechte Seite: ) _(Hauptdarstellerin Ina Blum und Susie ) _(Sexpert in Monika Treuts Film "Die ) _(Jungfrauenmaschine". )
Konflikt mit einer neuen Generation von Anti-Porno-Kämpferinnen, die unter Führung von "Emma"-Herausgeberin Alice Schwarzer, 45, ebenfalls heftig bestreiten, daß "Frauen Pornos mögen können".
Weit gefehlt, fand die Gießener Psychoanalytikerin Eva S. Poluda-Korte heraus. Wenn Frauen masturbieren, laufe "in ihren Köpfen genauso ein pornographischer Film ab, wie in denen von Männern". Es fehle ihnen nach jahrhundertelanger Unterdrückung nur oft noch am "Mut zur Unanständigkeit", um die Träume in der Wirklichkeit einzufordern.
Den Mut nehmen die neuen Frauen jetzt zusammen. Daß Damen durch Sexshops bummeln und in einschlägigen Kinos auch schon mal männliche Voyeure verunsichern, gehört inzwischen zum Alltag. 30 Prozent ihrer Kundschaft sei weiblich, fand die Flensburger Versand-Sex-Königin Beate Uhse, 69, heraus, meist seien es Frauen zwischen 18 und 25 Jahren.
Und die Frauen kommen nicht bloß zum Gucken. Bevorzugt greifen sie zu pornographischen Büchern und zu "Hilfsmitteln" (Uhse), wie Vibratoren oder Reizwäsche. Pornofilme, meint die Erotik-Veteranin, würden "zwar oft von Männern bestellt, aber meist mit den Ehefrauen oder Freundinnen gemeinsam angeschaut".
Dabei reagieren Frauen wie Männer stets auf einzelne, erregende Szenen, beobachtete die Hamburger Kamerafrau Ulrike Zimmermann, 28. Auch wenn es unterschiedliche Bilder seien, immer gehe es um den "Kick, der in Sekundenschnelle durch die Augen direkt in die Hose geht".
Aggressiv und ablehnend reagieren Frauen allerdings, wenn ihren Geschlechtsgenossinnen im Film, unter dem Vorwand der Erregung, Gewalt und Quälerei zugemutet werden. Die Schriftstellerin Elfriede Jelinek fordert daher, "daß Frauen sich die Darstellung des Obszönen und des Nackten zurückerobern", eine "Pornographie von Frauen", die gewiß nicht "frauenverachtend wäre".
Der Wunsch vieler Frauen nach ihrer Pornographie
wird inzwischen deutlich und öffentlich artikuliert. Eine "erotische Gegenkultur" nennt das die Bonner Grünen-Abgeordnete Waltraud Schoppe, 46, die beim Betrachten "schöner erotischer Bilder durchaus Erregung" verspürt. Renate Schmidt, 44, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Nürnberg, läßt sich gern mal von einem "knackigen Männerhintern" antörnen oder von den erotischen Geschichten der Schriftstellerin Anais Nin.
Die Autorin Eva Demski gab im Frankfurter Stadtmagazin "Pflaster-Strand" sachkundige Lesetips, um an die erotisch-pornographische Kultur unserer Vorfahren zu erinnern. Was bei ihr im Lateinunterricht mit Apuleius'' sodomistischem "Goldenen Esel" begann, führte sie über den "dirty old man" der fünfziger Jahre, Henry Miller, zu de Sade und Apollinaires sado-masochistischen "Elftausend Ruten". Selbst für gewalttätige Szenen in der Pornographie plädiert die feministische Schreiberin. "Es gibt nicht eine einzige Art von Widerwillen", macht sie sich die Erkenntnis des französischen Schriftstellers Georges Bataille zueigen, "in der ich nicht eine Affinität zum Verlangen erkenne."
Die Frauen haben "die Nase voll von langweiligen Beischlafakten", beobachtet Claudia Gehrke. Die Herausgeberin philosophischer, literarischer und pornographischer Bücher versteht Pornographie "als ein Niederschreiben von Liebeskunst", mit dessen Hilfe "mehr Phantasie und mehr Fingerfertigkeit" im Sex erlernt werden könne: Gelungene Pornographie gewissermaßen gleichberechtigt zur Kochkunst oder zu einer Theateraufführung - alles ist Kultur.
In ihrem gerade erschienenen dritten erotischen Jahrbuch ("Mein heimliches Auge III"), in dem Prominente von Karl Krolow bis Dorothea Zeemann und Unbekannte ihre sexuellen Phantasien in Text und Photo veröffentlichen können, hat Gehrke diesmal zwei Drittel weibliche und ein Drittel männliche Beiträge zusammengebracht - bislang war das Zahlenverhältnis umgekehrt.
Pornographie, sagt Filmemacherin Treut, "ist eine Dienstleistung", der Service für Frauen sei allerdings immer noch "miserabel". Was männliche Pornoproduzenten, die den sogenannten Erotika-Markt von jeher beherrschen, an Stimulanz fürs Bett zu bieten haben, zieht den meisten Frauen allenfalls die Schuhe aus.
In 2,4 Millionen Schmuddelfilmchen, die derzeit bundesweit in 5500 Videotheken angeboten werden, rammeln picklige halb Starke lustlos auf angestrengt ächzenden Dummchen herum. In stereotypen Massenvögeleien, Marke Stoßdämpfer, ziehen ausgewählte Penisse und mühsam auf Hochglanz gebrachte Vaginen in Großaufnahme am Publikum vorüber - Bilder wie von der Aufschnitt-Theke des Schlachtermeisters.
Im Rhythmus f f c - Fellatio, Fellatio, Cunnilingus - reißen sichtlich gestreßte Dauerficker das seit "Deep Throat" oral erweiterte Ehe-Pflichtprogramm herunter, wobei sie andauernd will und er immer kann. Daß alles mit echten Dingen zugeht, darf die zahlende Kundschaft überprüfen: Der Schuß zum Schluß, ob erblasen, erstoßen oder per Vakuumpumpe erzwungen, wird grundsätzlich außerhalb abgegeben.
Das also ist nicht gemeint, wenn die freien Frauen ihr wohliges Interesse an Pornographie äußern: "Ekelerregend", meinten denn auch 60 Prozent aller Frauen, die schon mal einen Porno gesehen haben, nach einer Umfrage des Hamburger Sex-Gurus Marcus Wawerzonnek. Was genau sie abstieß, sagten die Frauen auch: Zuhältergesichter, krumme Penisse, Bauch- und Hüftspeck, inselartige Brustbehaarung, lange Fuß- und Zehennägel, Tätowierungen, Hämorrhoiden. Vor allem die Atmosphäre in den gängigen Sexproduktionen reizt Frauen eher zum Lachen als zum Stöhnen. Rahmenhandlungen nach Beate-Uhse-Schema wie eine "Saugweltmeisterschaft" in dem Video "Die Lustlutscher" empfinden selbst Lore-Roman-Leserinnen als mentale Beleidigung; die Dialoge lassen nur den sexfeindlichen Schluß zu, daß Geilheit untrennbar mit Schwachsinn verbunden ist: "Würdest du gerne meinen gelbbäuchigen südamerikanischen Blasfisch sehen, er hängt an einem Beutel." Antwort: "Ich kann''s kaum erwarten."
Statt auf solche Weise hingehuschter Rein-Raus-Rüber-Akrobatik wünscht sich nach der Hamburger Studie fast jede zweite Frau im Film mal Verführungsszenen am Strand, im Grünen oder beim Essen, leidenschaftliche Küsse auf den Körper oder erotische Zungenküsse, sowie wohlgeformte Oberkörper und Pos bei den agierenden Herren - eben all das, was zu Hause nur selten im Angebot ist.
Die konkrete und pragmatische Kritik an der Ästhetik der herkömmlichen, der sogenannten Mainstream-Pornographie, von Frauen erst seit kurzem vereinzelt geäußert, führte allenthalben zu der Überzeugung, daß Pornos Männersache sind - Onanierhilfe für autistische Klemmis oder Lehrmaterial jugendlicher Schwitze-Bubis, die beim Anblick von Teresa Orlowski grüppchenweise zum Wettwichsen antreten.
Als Erklärung für die angebliche weibliche Zurückhaltung gegenüber jeglicher Pornographie durfte unter Männern das traditionelle, patriarchalische Frauenbild herhalten: Anständige Frauen, also
die eigene und die paar anderen, die nicht auf irgendeinen Strich gehen, mögen keine Sauereien. Diese saubere Trennung zweier Sexwelten erleichtert Männern seit Jahrhunderten den Alleinanspruch auf käuflichen Sex und den Konsum von Pornopostillen, getreu dem Motto: Für''s Ficken wird bezahlt, umsonst ist nur die wahre Liebe.
Die zwei angeblich unvereinbaren Frauenbilder tun für das Wohlergehen der Männer ein übriges. Weil die liebe, aber lahme Gattin so edel und rein ist, braucht der echte Mann was Deftiges zum Ausgleich. Und weil der Ausgleich gar nicht deftig genug sein kann, sollte die Dame daheim um so damenhafter sein. Nicht auszudenken, wenn der alte Männertraum von der einen Frau - Köchin am Herd, im Salon eine Dame, eine Hure im Bett - je Wirklichkeit würde: Dauerstreß würde die Herrschaft der Männer rasch beenden. Das Vollweib, kein Zweifel, würde Supermann schaffen.
Doch die Frauen, die jetzt ihr Recht auf eine eigene Pornographie einfordern, müssen nicht nur gegen alte Männer-Vorurteile ankämpfen, sondern - was weit komplizierter ist - gegen eine massive, feministisch angetriebene Anti-Porno-Welle. Die Argumente von "Emma"-Herausgeberin Alice Schwarzer, die im letzten Herbst mit ihrer Zeitung die PorNo-Kampagne initiierte, wiegen schwer.
"Eine explosionsartige Verbreitung der Pornographie, immer mehr und immer härter", durch Video, Heimcomputer, Privatfernsehen, so die Feministinnen, bedrohe das menschliche Zusammenleben. Die Darstellung von Frauen in Pornofilmen und -heftchen als hirnlose Huren, die vom Mann immer nur das eine wollen - rücksichtslos, brutal und tierisch gestoßen werden -, liefere den schätzungsweise drei Millionen, als "ganz normale Bürger" (Beate Uhse) identifizierten, bundesdeutschen Pornokonsumenten immer und immer wieder das Alibi, Frauen nur als seelenlose Abspritzmaschinen zu sehen: Sie haben es nicht anders verdient, ist die Botschaft, weil sie es im Grunde nicht anders haben wollen.
Dabei fühlen sich nicht nur viele Frauen, sondern auch Männer herabgesetzt, wenn sie in schmierigen Bumsfilmchen als stumpfe Trieb-Täter dargestellt werden, bei denen alle Potenz in die Hose gegangen ist.
Für "lebensbedrohlich" hält Alice Schwarzer eine solche "Pornographisierung der ganzen Sexualität, ja der gesamten Geschlechter-Beziehungen". Weil Pornographie "die Theorie, Vergewaltigung die Praxis" sei, bedeute eine ungehinderte Entfaltung des Erotika-Marktes wie in den vergangenen Jahren "Kriegspropaganda gegen Frauen", erklärte die Journalistin und forderte eine Verschärfung der Gesetze.
Anders als bisher, wo auf Anzeige nur der Staatsanwalt tätig werden kann, sollte danach jede Frau das Recht erhalten, allein oder im Verbund mit anderen gegen Texte oder Abbildungen vor Gericht zu ziehen, die sie persönlich als Angriff auf ihre Würde empfindet. Von Schadenersatzforderungen und dem Zwang, die Verbreitung des jeweiligen Produkts zu unterlassen, erhoffen sich die Frauenrechtlerinnen mehr Wirkung als von den derzeitigen strafgesetzlichen Maßnahmen.
Die Argumente gegen Gewaltpornographie werden von Juristen, Soziologen, Psychologen und Politikern aller Schattierungen unterstützt. Wer wollte nicht gegen jene schon nach heutigem Recht verbotenen Machwerke angehen, in denen Frauen vergewaltigt, gequält, zerstückelt und zu Tode malträtiert werden, in denen Kinder zum Sex gezwungen oder Anleitungen gegeben werden, wie Tiere zu mißbrauchen sind?
Wer wollte nicht bedauern, daß Jugendliche statt Micky-Maus-Hefte Disketten austauschen, die vorne ein harmloses Videospiel und hinten einen Hardcore-Streifen gespeichert haben, wie Rudolf Stefen von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften berichtet; wer würde nicht gern den grauen Markt ausheben, auf dem täglich Zigtausende aus Skandinavien importierte Gewaltpornos ausgeliehen und verkauft werden?
Gegen Mißbrauch waren die sozialliberalen Bündnispartner nicht gefeit, als sie 1975 das Pornographiegesetz liberalisierten. Danach dürfen Erwachsene zwar sogenannte weiche Pornos produzieren und erwerben; für Jugendliche sind die Erotika aber nach wie vor verboten; gewalt-pornographische Produkte dürfen weder hergestellt noch verkauft oder verliehen werden.
Juristen beklagen gemeinsam mit Por-No-Kämpferinnen und jenen, die für eine
weibliche Erotik streiten, daß die geltenden Gesetze den massenhaften Umsatz demütigender und gewalttätiger Produkte nicht haben aufhalten können. Der Staat ist schon jetzt mit den Kontrollen überfordert. Der brutale Vergewaltigungsfilm "Dirty Western" etwa - einer unter Tausenden - wurde 1984 von der Bundesprüfstelle indiziert, aber erst zwei Jahre später von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt.
Doch die Beliebigkeit, mit der die Por-No-Kämpferinnen via Gesetz und Richterurteil die Begutachtung erotischer Darstellungen und die Bewertung der Würde von Frauen individualisieren wollen, provozierte auch Kritik. Sicher: Erotische Bilder wie in Elfriede Jelineks Roman "Die Liebhaberinnen" sollen mit dem "Emma"-Gesetz nicht wegzensiert werden; wie die Autorin das Machtgefälle zwischen Mann und Frau decouvriert, findet auch Alice Schwarzer "überhaupt nicht sexistisch":
" Im wohnzimmer findet das glück brigittes noch immer "
" statt. heinz schießt mit einem markerschütternden schrei "
" ab. die nachbarn werden sich beschweren. vor dem jungen "
" geschäftsmann werden sie sich aber beschämt mit "
" eingekniffenem schwanz zurückziehen. unter "
" entschuldigungen ... brigitte ist unbewegt, aber sie ist "
" voller schleim, voller übelriechendem schleim. also "
" bewegt brigitte die welt nicht, sondern die liebe bewegt "
" die welt. brigitte muß sich beinahe erbrechen, so schlimm "
" war es schon lange nicht. heinz eilt zu seinen kameraden "
" auf den sportplatz. "
Wenn der Gesetzentwurf jedoch verwirklicht würde, kann auch "Emma" nicht verhindern, daß irgendeine katholische Hausfrauenvereinigung aus dem Oberbayrischen sich von eben dieser literarischen Szene in ihrer Frauenwürde verletzt sieht und vor Gericht zieht.
Monatelang lieferten sich Befürworter und Gegner der Gesetzesinitiative journalistische Gefechte - kaum je zuvor war einer Zeitschrift ein Werbefeldzug so blendend gelungen wie der "Emma".
Die spannendsten Debatten-Beiträge kamen von Frauen. Frühere feministische Weggefährtinnen der "Emma"-Herausgeberin fielen Urmutter Alice in den Rücken, wobei die Auseinandersetzung mit der PorNo-Kampagne oft nur den Vorwand für längst fällige Abrechnungen bot.
Die Frankfurter Autorin Cora Stephan, 37, artikulierte einen Zorn, der etliche Frauenrechtlerinnen der ersten Generation, aber vor allem viele emanzipierte jüngere Frauen gegen Schwarzer aufbringt: das Gefühl, daß nach radikalfeministischer Logik nur eine lesbische Suffragette eine gute Suffragette ist, daß der Kampf gegen die Vormacht der Männer zunehmend auch ein Kampf gegen jene Frauen wird, die trotz aller Mühsal mit der Gleichberechtigung weiterhin mit Männern leben und schlafen wollen.
Hinter dem Diskurs über Pornographie, argwöhnt Cora Stephan, verberge sich "der unermüdliche Kampf gegen das, was Heterosexualität von lesbischer Liebe" unterscheide, verberge sich "ein wahnhafter Kampf" gegen Frauen, "die an Männern auch das lieben, was anders ist". Der Amerikanerin Andrea Dworkin, die Alice Schwarzer die ideologische Munition für ihre PorNo-Kampagne lieferte, attestierte Cora Stephan "plattesten und nachgerade spiegelbildlich pornographischen Männerhaß".
Alice Schwarzer, so argumentieren ihr freundlich gesonnene Widersacherinnen, habe sich im Vorkampf gegen die Männerwelt derart gepanzert, daß es ihr nun schwerfalle zu verstehen, wie bunt die Frauenbewegung mittlerweile daherkommt. Da wird den Geschlechtsgenossinnen immer noch nicht zugetraut, daß sie trotz Lidschatten durchschauen, wenn Regisseure wie Robert van Ackeren eine emanzipierte mit der flambierten Frau verwechseln und mit dem Traumbild vom cleveren Vampweib die neue alte Venusfalle stellen.
Getreu den Vorgaben der Macho-Kategorien, nach denen lange Haare als Zeichen von wenig Verstand gelten und Miniröcke als Aufforderung zur Vergewaltigung, mißt das Schwarzer-Team die _(Aus Krista Beinstein: "Obszöne Frauen", ) _(Wien 1986. )
feministische Redlichkeit neuerdings am Outfit - und daran, ob frau programmatisch auf "Emma"-Kurs liegt.
Wer auf Stöckelschuhen steht, unterwirft sich laut Schwarzer einer "Vernuttung der Frauen", und ist "nur noch schwer zu unterscheiden" von denen, "die sich ihre blauen Scheinchen ganz hart an der Ecke verdienen müssen". Wer lieber Satinwäsche als Schiesser-Feinripp mag, trägt zur "Pornographisierung des Alltags" bei, und wer zugibt, von Pornos erregt zu werden, weiß Alice Schwarzer, "kann keine Frau sein".
Auch eine kluge Frau kann nicht alles wissen. Das Wort Pornographie (porne = Hure, graphein = schreiben) könnte entstanden sein, weil es im griechischen Altertum zunächst Liebesdienerinnen, Hetären und Tribaden (Tribade = lesbische Frau) waren, die erotische Traktate verfaßten. Überliefert sind leidenschaftliche Liebesgeschichten, aber auch nüchterne Aufklärungstexte, die Sexualtechniken und Stellungen schildern, etwa von der Tribade Philänis oder von Artynassa, einer Dienerin Helenas.
Im Mittelalter - die harsche, christliche Moral regierte inzwischen - wagten sich allenfalls privilegierte Frauen ans Schreiben und an das Thema Erotik. Die französische Königin Margarete von Navarra verfaßte Mitte des 16. Jahrhunderts ihre Memoiren, in denen sie von den Schlüpfrigkeiten ihrer Zeit berichtete: "Mit welch'' scheußlicher Grausamkeit ein Franziskaner seine schändliche Geilheit zu befriedigen suchte, und wie er dafür bestraft wurde."
Meist trauten sich Frauen nur unter männlichen Pseudonymen, ihre Gelüste und Phantasien aufzuschreiben. Aurore Dupin alias George Sand war im vergangenen Jahrhundert eine der berühmtesten, Helene Keßler brachte ihre Novelle "Nixchen" 1901 unter dem Namen Hans von Kahlenberg heraus und versetzte
sich in die Rolle des Liebhabers: "Ich küsse sie. Ich halte ihren zarten, glatten Leib. Ich presse sie an mich."
Sogar die 1954 erschienene und später verfilmte "Geschichte der O." von Pauline Reage, die von vielen Frauen trotz oder gerade wegen ihrer teilweise brutalen Unterwerfungsszenen als erregend empfunden wird, wurde wegen ihres pornographischen Gehalts lange für Männerwerk gehalten:
" O kniete auf dem Teppich, ihr grüner Rock umgab sie "
" wie eine Blütenkrone. Das Korsett schnürte sie ein, die "
" Brüste, deren Spitzen man sah, waren mit den Knien ihres "
" Geliebten auf gleicher Höhe. ''Mehr Licht'', sagte einer "
" der Männer. Als man den Strahl der Lampe so gerichtet "
" hatte, daß er grell auf Renes Geschlecht fiel und auf das "
" Gesicht seiner Geliebten, das dicht davor war, und auf "
" ihre Hände, die ihn von unten streichelten, befahl Rene "
" plötzlich: ''Sage immer wieder: Ich liebe Sie''. O sagte: "
" ''Ich liebe Sie'', in solcher Verzückung, daß ihre Lippen "
" kaum wagten die Spitze des Glieds zu berühren. "
Mit dem Verstecken hinter männlichen Etiketten soll nun Schluß sein. Schon seit zehn Jahren streiten Frauen vor allem im Kulturbetrieb für ihre Darstellung von Erotik und Pornographie. Am weitesten ist die Sexkultur von Frauen für Frauen dort entwickelt, wo auch die Anti-Pornobewegung entstand: in den USA.
Mit wissenschaftlichen Ansprüchen verbrämte noch 1973 die US-Autorin Nancy Friday ihre Veröffentlichung der "Sexuellen Phantasien der Frauen". Die Protokolle von Tagträumen, Vergewaltigungsbildern und Masturbationsvorstellungen gaben weibliche Phantasien preis, die traditionell als typisch männlich galten und die Frauen einander kaum zugetraut hätten.
" Lilly: "Ich ertappe mich dabei, wie ich in der U-Bahn "
" gutangezogene Männer anstarre. Ich versuche, an der "
" Ausbuchtung in der Hose zu erkennen, wie groß ihr Penis "
" wohl ist, und mit ein wenig Phantasie sehe ich sie nackt "
" und kann sie in mir drin spüren." "
" Esther: "Wenn man zum Beispiel mit dem Ende des "
" Staubsaugerschlauchs leicht über die Gegend der "
" Schamhaare fährt, ist das ganz herrlich, und man kriegt "
" einen Orgasmus, wenn man scharf drauf ist. Manchmal habe "
" ich bei der Hausarbeit auch einen Dildo drin." "
" Ingrid: "Ich bin Krankenschwester und seit zehn "
" Jahren verheiratet. Bei langweiligen Kursen im "
" Krankenhaus stelle ich mir in meiner Phantasie oft vor, "
" daß ich auf den Redner losgehe. Ich überlege, wie lange "
" er wohl weiter so dummes Zeug reden kann, während ich vor "
" ihm knie und seinen Penis in den Mund nehme." "
Die radikalsten schriftstellerischen, photographischen und cineastischen Versuche entstanden bisher in der Lesben-Szene und in betont feministischen Kreisen. Im politischen Kampf um Gleichberechtigung haben diese Gruppen gelernt, wie deutlich Frauen werden müssen, um sich durchzusetzen. Doch in US-Großstädten hat sich mittlerweile eine starke Subkultur entwickelt, in der sich hinter erotisch-exotisch anmutenden Vereinigungen längst nicht mehr nur Randgruppenmitglieder von den moralischen Fesseln ihrer puritanischen Gesellschaft befreien wollen.
In New York bietet die "Lesbian Sex Mafia" Festivals, Inszenierungen und Videoshows auch für Heteros an; in San Francisco, wo sich mit Filmproduktionsfirmen und Videoverleihen eine bescheidene Frauen-Porno-Industrie etabliert hat, fand Regisseurin Treut die Susie Sexperts und Ramonas für ihren Film.
Neue Kurzfilme von Frauen der New Yorker Underground-Szene, die vor zwei Wochen erstmals in Berlin und Hamburg gezeigt wurden, überschreiten die Kluft zwischen Pornographie und Liebesgeschichte. In dem Film "Fingered", zu dem die Hauptdarstellerin Lydia Lunch auch das Drehbuch schrieb, treiben es eine Hure und ihr Kunde so leidenschaftlich und gewalttätig miteinander, daß bei der Vorführung in Berlin Anti-Pornokämpferinnen das Kino stürmten und die Leinwand zerschnitten.
In der Bundesrepublik hat die Liberalisierung des Pornographiegesetzes die Entwicklung einer unverklemmten erotischen Kultur bislang kaum vorangebracht. Der Grad der Aufklärung, so behauptet der Hamburger Autor Cordt Schnibben, "ist nicht gewachsen und die Freiheit im Schlafzimmer erst recht nicht". Bestenfalls habe die Masturbation zugenommen und werde "nicht mehr so häufig mit Rückenmarksschwund in Verbindung gebracht".
Auch im deutschen Kunstfilm ist von einer neuen Hemmungslosigkeit nicht viel zu spüren. Noch immer werden Sexszenen entschärft, bis sie künstlerisch so wertvoll sind, daß sie kein Dreizehnjähriger mehr aufregend findet. Doch die Gelüste im Kopf lassen sich nicht wegzensieren. Wie zum Ausgleich hat sich die Pornoindustrie in ihrer Schmuddelecke immer brutalere und abartigere Inszenierungen einfallen lassen, um die extremen Bedürfnisse ihrer Kundschaft zu befriedigen.
Da liegt denn auch die Heuchelei in der aufgewärmten Porno-Debatte:
Während die Bundesprüfstelle Bücher wie Nancy Fridays "Phantasien" auf den Index setzt, steigen Einfuhr und Absatz von Gewaltpornoheften; während das öffentlich-rechtliche ZDF noch vor zweieinhalb Jahren den albernen Aufklärungsfilm "Sexualität heute" absetzte, darf auf den Privatstationen nach Belieben und in den dümmlichsten Varianten geschweinigelt werden: Für die Vorkämpferinnen einer neuen Erotik-Kultur bleibt viel zu tun.
Vorerst prallen weibliche Sex- und Porno-Darstellungen aber noch an der Willkür des männlich dominierten Kulturbetriebs ab. Mit der Tabuverletzung allein ist es nicht getan, wenn es darum geht, das gesellschaftspolitische Ungleichgewicht von Männern und Frauen zu beseitigen. "Ich schreibe über nichts lieber als über das Vögeln, Ficken, Bumsen, ich mache nichts lieber als das", erklärt die Wiener Autorin Karin Rick, 33. "Ich nehme gern die Worte Fut und Schwanz, Eichel und Kitzler in den Mund (und die dazugehörigen Körperteile auch)", doch es genüge nicht, "sich nur daran zu begeilen." Die Position des Mannes müsse "ins Wanken kommen".
Mehr Frauen in Filmfördergremien, Jurys und Prüfstellen fordern feministische Künstlerinnen über die Grenzen von Porno und PorNo hinweg. Die Berliner Künstlerin Gisela Breitling will die Männerbünde in Kunst und Kultur unter Druck setzen. Sie fordert "die Hälfte des Kulturetats für Frauen". Kürzlich wurde auf einem Frauenforum in Berlin die entschlossene Forderung "Staatsknete für Frauenporno" laut.
Die Herstellung eigener Frauenpornographie stößt bislang meist auf Schwierigkeiten im Gefühlshaushalt der herrschenden Männerwelt. Üblicherweise verbinden Männer mit weiblicher Erotik Kuschelsex und Waldes-Lust - kühl-schöne Bilder von klinisch-ästhetischen Körpern, bei denen es aber nicht richtig zur Sache geht. Von prallem Weiber-Sex in Bild und Ton sind die Herren über die Produktionsmittel dann oft überrascht. "Die schicken Drehbücher zurück", sagt Monika Treut, "mit der Begründung, das sei so schweinisch, das könne nicht von einer Frau sein."
Das Drehbuch zu dem 1984 gedrehten Film "Verführung: Die grausame Frau" von den Regisseurinnen Treut und Elfi Mikesch, in dem unter anderem eine Domina bei der Arbeit mit einem Masochisten gezeigt wird, erregte bei der Vorlage das Gemüt von CSU-Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann. Ein Zuschuß von 250000 Mark, den der Filmförderausschuß des Ministeriums dem als unterstützungswürdig befundenen Projekt bereits in Aussicht gestellt hatte, wurde zurückgezogen - ohne Begründung.
Bei einer Ausstellung der Malerin Petra Hemmers, 29, in der Medizinischen Hochschule Hannover ließ die Direktion einige der erotischen Bilder im vergangenen Sommer abhängen. Die Bonner
Grünen dekorierten anläßlich ihrer Anhörung zur Pornographie die Wände mit den umstrittenen Werken. Darauf sind unter anderem schemenhaft Frauen zu erkennen, die sich selbst befriedigen. "Die brauchen keinen Mann zu ihrem Glück", sagt Waltraud Schoppe, "das finden Männer wohl zu obszön."
Kamerafrau Ulrike Zimmermann dokumentierte 1985 unter dem Titel "free fucking" die erotischen Spiele einer Sado-Masochistin. Weil sie mit Zensoren schon schlechte Erfahrungen gemacht hat und mit männlichen Zuschauern, "die sich entweder einen ablachen oder einen runterholen", führt sie ihren Film lieber privat oder vor ausgesuchtem Publikum vor.
Doch die Frauen wollen sich nun von keinem Gegenwind mehr stoppen lassen. Monika Treut wartet diesmal nicht nur mit ihrem neuen Film auf, der in New York und San Francisco schon seit Wochen läuft. Sie hat ihre amerikanische Freundin Susie Sexpert eingeladen, die mit ihrem Dildo-Koffer auf Europareise gehen soll, wenn der Film "Die Jungfrauenmaschine" in den westdeutschen Programmkinos anläuft.
Susies Show, da ist die Regisseurin sicher, bleibe gewiß auch auf Männer nicht ohne Wirkung, "da steigt im Publikum die Stimmung, wenn die ihre Plastikschwänze auspackt und ihre Kollegin Fanny Fatal dazu den Strapsstrip vorführt"."
Quelle: Der Spiegel
MfG