Cunnilingus – Geschenk, Überhöhung oder nicht für jeden
Eine persönliche Reflexion über Lust, Macht und Erwartung„Ich suche nicht nach der Liebe aller Männer, sondern nach der Lust, die nur einer in mir entfacht.“
– Anaïs Nin
Text:
Cunnilingus – für viele ist das ein Akt tiefer Hingabe, Ausdruck von Zärtlichkeit, Kontrolle oder sogar Verehrung. Er gilt als modern, als feinfühlig, als der ultimative Beweis dafür, dass Mann weiß, was Frau braucht.
In Medien, Gesprächen und auch im BDSM-Kontext ist er fast schon eine Selbstverständlichkeit – nicht selten sogar ein Symbol für einen gelungenen, achtsamen Liebhaber.
Und doch frage ich mich: Muss das wirklich so sein? Oder anders: Was, wenn diese Form der Berührung bei einer Frau keine Lust auslöst – sondern eher das Gegenteil?
Ich bin sexuell sehr bewusst unterwegs, offen für viele Arten von Lust, versiert im Geben und Empfangen. Ich liebe es, einem Partner oral Lust zu bereiten – aus echter Hingabe, mit Neugier und Spieltrieb.
Aber wenn er es bei mir versucht, schaltet mein Körper in einen anderen Modus. Nicht, weil ich blockiert bin. Nicht, weil es mir an Vertrauen fehlt. Sondern weil mein inneres System auf Rückzug geht. Ich kann nicht genießen – obwohl ich es oft versucht habe. Und ich frage mich, warum dieses Nein so schwer verständlich zu machen ist.
Denn meine Erfahrung zeigt: Viele Männer (auch in der BDSM-Szene) empfinden Cunnilingus als Geschenk – aber auch als Leistung. Manche fast wie eine Trophäe: „Ich tue dir etwas Gutes, also musst du es genießen.“
Doch Lust funktioniert nicht über Pflicht. Auch nicht über Technik.
Und besonders in D/s-Dynamiken ist dieser Akt selten neutral:
🔹 Für den Dom kann es eine Form von Kontrolle oder ein seltener, inszenierter Dienst sein.
🔹 Für die Sub kann es Belohnung sein – oder sich wie eine Überwältigung anfühlen.
🔹 Für manche Paare ist es ein Symbol der Intimität – für andere ein Reiz, der Grenzen überschreitet.
Lust ist individuell. Und doch beobachte ich, dass besonders bei diesem Thema oft normative Annahmen bestehen: „Du wirst es mögen – wenn er es nur richtig macht.“ Aber vielleicht ist das nicht der Punkt. Vielleicht geht es weniger um Technik – und mehr um Resonanz. Um Timing. Um Kontext. Um die Erlaubnis, bestimmte Dinge auch einfach nicht zu mögen.
Darum stelle ich folgende Fragen an euch – ohne Urteil, offen für ehrliche Einblicke:
🔸 Welche Bedeutung hat Cunnilingus für euch – im Alltag oder im BDSM-Spiel?
🔸 Habt ihr erlebt, dass es Partner:innen gibt, die das ablehnen – und wie seid ihr damit umgegangen?
🔸 Ist dieser Akt für euch eher Lustmittel, Machtwerkzeug oder emotionale Geste?
🔸 Und: Wird in euren Augen oft zu viel in diesen einen Akt hineingelesen?
Ich freue mich über eure Gedanken, Erfahrungen oder auch Kontraste – gerne differenziert, respektvoll und mit Lust auf ehrliche Auseinandersetzung.
Kein Richtig, kein Falsch – nur Raum für Vielfalt.
Ich bewege mich seit vielen Jahren in der BDSM-Welt – mit klarer Devotion, aber auch einem tiefen Bedürfnis nach Eigenverantwortung und Kommunikation auf Augenhöhe. Lust ist für mich kein festes Schema, sondern ein lebendiger Prozess. Und manchmal auch ein Nein, das Raum braucht. Genau das wollte ich mit diesem Beitrag teilen.