Eigentlich hast du hier zwei Fragen gestellt.
Die erste: Warum erheben sich so viele über andere im Bereich BDSM?
Die zweite: Warum brauchen so viele Unterschubladen dafür?
Zur ersten kann ich sagen: Du wirst immer wieder überall Menschen treffen, die aus mangelndem Selbstbewusstsein es -leider- nötig haben, dieses zu überspielen, indem sie den Angriff nach vorn unternehmen und sich darum bemühen, sich über andere zu stellen.
Im Bereich BDSM ist das ein leichtes Spiel, vor allem unerfahrenen Neulingen gegenüber. Da kann man dann ja voll einen auf Erfahren machen und einem jungen Gemüse von Sub erzählen wie denn eine gute Sub zu sein hat. Selbstverständlich sucht man sich dann auch jene aus die selbst wenig Selbstbewusstsein haben oder einfach nur verdammt unsicher sind, um sich selbst besser und ihnen überlegen zu fühlen und vor allem, um Kritik an ihrer selbst sofort abzubügeln.
Hier gibt es sicher auch viele Graustufen, aber meine Erfahrung ist dass vorzugsweise jene, die unter der Oberfläche ein sehr angeknackstes Selbstbewusstsein haben sich so verhalten. Ganz schlimm wird's dann wenn man sie dann doch mal kritisiert - dann wird erst recht scharf geschossen, z.B. dass man ja wohl keine Ahnung hätte, Kraftausdrücke bis hin zu groben Beleidigungen sind dann schnell zur Hand.
Hier im Forum redet man ja so gerne von Dummdoms bzw. -subs. Ich denke, gut 90% davon lassen sich auf dieses Muster problemlos abklopfen.
Zur Frage zwei, wieso diese Unterkategorisierungen:
Ich behaupte, der Mensch braucht diese einfach, um die Welt für sich begreifbar zu machen!
Die Welt ist ungemein komplex. Würde man diese so komplex lassen wäre das, als würde man einen Stadtplan im 1:1-Maßstab herstellen, weil man ja nichts weglassen möchte - sprich: Unmöglich.
Wir
brauchen Schubladen. Ich behaupte:
Jeder von uns, ich eingeschlossen.
Sie helfen dabei, die Suche nach Gleichgesinnten zu verkürzen, indem man anhand weniger kategorisierender Begriffe, in denen man sich, aus welchen Gründen auch immer, selbst eingeordnet hat, jene findet die selbiges ebenfalls getan haben.
Bei genauem Hinsehen klappt das im Übrigen eigentlich auch ganz gut! Denn wenn ich mir (zumindest in Hamburg) die Bondage- und die Fetisch-"Szene" so ansehe, dann gibt es erstaunlich wenig Überschneidungen zwischen diesen beiden Gruppen. Es kommt mir vor als wären da zwei völlig verschiedene Menschenschläge am Werk! Ebenso wenn ich auf eine Fetischparty gehe: Die SMler darunter erkenne ich irgendwie immer sofort. Sie geben sich anders, sie haben meist ihrer verräterische Reisetasche dabei
und kleiden sich auch anders.
Da haben sich Gruppen gefunden, die unter das Dach "Fetischist" und "SMler" wunderbar passen.
Nun ist die SM- wie die Fetischszene in den letzten Jahren erheblich gewachsen. Und schon wieder ist alles fürchterlich komplex und unübersichtlich.
Was geschieht? Das, was eben geschieht: Es entstehen Unterkategorisierungen.
Da rotten sich dann jene zusammen die vorzugsweise für die passive Seite Masochisten (also jene, die auf Schmerzen stehen, vereinfacht gesagt) benötigen und wiederum jene, die das Fesseln zur Kunstform erhoben haben. Da gibt es dann Bondage- und Spankingtreffs, da gibt es Stammtische schön getrennt für beide Gruppen und für sicher noch erheblich mehr. Hier der Klinikstammtisch, dort jener für 24/7-Liebhaber ...
Früher hätten vielleicht alle an einem Tisch gesessen und sich ebenso wunderbar miteinander verstanden.
Früher waren aber eben auch wesentlich weniger Leute auf öffentlichem Terrain unterwegs.
Würde man so etwas heute machen - nun ja - während es dann früher 10 Leute an einem Tisch vielleicht waren, wären es heute 50.
Ist es da ein Wunder, dass sich die Leute Unterteilungen suchen, anhand dessen sie aussieben können, wer ein bisschen besser und wer ein bisschen weniger gut zu ihnen passt?
Ich denke nicht.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich denke, wir brauchen diese Normierungen, weil wir sonst den Überblick verlieren würden.
Solange akzeptiert wird dass diese Normierungen nur Hilfsmittel und keine in Stein gemeißelten Verse sind, ist für mich das auch völlig in Ordnung.