Englisch und Englisch
Neulich las ich einen Artikel, der die These aufstellte, daß die Welt einander nicht mehr verstünde, wenn der Koreaner und der Franzose den Versuch unternähmen, ein korrektes Englisch miteinander zu sprechen. Der Brite, Amerikaner oder Australier müsse sich - wohl oder übel - anpassen. Leider erinnere ich mich nicht mehr daran, wo ich diesen Artikel las, so daß ich keine Quelle angeben kann. Diese These bezog sich auf den internationalen Wirtschaftsverkehr und wurde gesprächspsychologisch dergestalt begründet, daß man sich auf ein gemeinsames sprachliches Niveau begeben müsse, um dem Gegenüber nicht ein Unterlegenheitsgefühl zu vermitteln, welches negative Auswirkungen auf die entsprechenden Verhandlungen habe.
Unter der Prämisse, daß dies im internationalen Wirtschaftsverkehr eine Notwendigkeit darstellt, so läßt sich dieses Phänomen möglicherweise als Symptom auf den allgemeinen Sprachgebrauch des Englischen oder einen anderen Fremdsprache übertragen.
Die Ursachen für die mangelnde Qualität des Gebrauchs einer Fremdsprache sind aber sicher auch in der mangelnden Sorgfalt in der eigenen Muttersprache zu suchen. Provokant gesagt: Wer die Muttersprache nicht beherrscht, kann auch eine Fremdsprache nicht beherrschen. Nicht jeder, der keine sprachliche Sorgfalt walten läßt, ist automatisch ein Analphabet. Aber das Ergebnis ist identisch und läßt sich immer wieder an Beiträgen ablesen, bei denen man das Gefühl hat, eine Reform der Rechtschreibung verpaßt zu haben, da die Großschreibung scheinbar abgeschafft wurde. Wie häufig sieht man Briefbogen namhafter Firmen, die in "Strassen" ansässig sind.
Die Sprache ist grundsätzlich etwas Dynamisches und unterschiedliche Sprachen haben sich schon immer gegenseitig beeinflußt. Dennoch fragt man sich, ob eine "Back-Shop" oder ein "Late Night/Nite" unbedingt notwendig sind. Ob im letzteren Fall "Späti" die bessere Wahl ist, lasse ich mal dahingestellt. Allerdings erscheint mir der französische Weg, alles Englische fast schon zu verfemen, auch eher unangebracht zu sein.
"Come in and find out"...
So lautete der Werbeslogan einer großen deutschen Parfümeriekette. Das ist ein tolles Beispiel dafür, wie eine Fremdsprache in ihrer Wirkung völlig mißverstanden werden kann.
"Kommen Sie herein und finden Sie [ihren Weg] wieder heraus", war die Übersetzung, die von vielen Leute in einer Umfrage angegeben wurde. "Gucken Sie und kaufen Sie nichts". Besser kann Werbung doch nicht laufen.
Oder:
"Dear All" oder "All" heißt es häufig, wenn englische Muttersprachler eine Sammelmail schreiben. "Liebe Alle" liest man daher heutzutage auch häufiger im Deutschen. Das hat doch etwas von "Flasche leer".
Dies ist denn auch ein Aufruf für mehr sprachliche Sorgfalt in allen Lebensbereichen. Auch in Bezug auf Bildtitel, und zwar unabhängig davon, welcher Sprache sie entstammen. Daran muß ich mich selbst auch immer wieder erinnern. Die Recherche der sprachlichen Korrektheit eines Bildtitels kann ein sehr spannender Zeitvertreib sein, denn dies ist auch eine Form der Auseinandersetzung mit dem zumeist eigenen Bild. Das Bemühen ist es, was zählt. Wenn das Ergebnis stimmt, dann ist dies umso besser. Ich bin allerdings weit davon entfernt zu behaupten, daß mir dies immer gelänge.
Ein paar Gedanken zur Nacht.
Erbauliche Grüße
tacones