Taba
Sex beginnt im Kopf, im Denken und im Fühlen dessen, was Fantasien auslösen, und wandert dann während des Tuns oder Erleidens immer weiter nach unten in Richtung zwischen die Beine, wo er dann vom körperlichen Fühlen gesteuert wird.
Bei gutem Wetter ist dieser Vorgang beliebig oft wiederholbar. Das ist eines der schönen Aspekte am Leben.
Du, Geschichte seit 1976, redest von „Tabus“ und meinst eigentlich Anderes.
Ein Tabu ist ein nicht hinterfragtes und nicht hinterfragbares Verbot. Ein Tabu ist etwas, das nicht begründet werden muss. Ein Tabu wird uns in der Regel eingepflanzt, wir machen uns selbst keine Tabus.
Stell dir ein Kleinkind vor, das auf dem Töpfchen still und vergnügt mit seinen Exkrementen spielt. Dann kommt die Mama, entsetzten Gesichts, und sagt: „Bäh!“.
Weil das Kind von der Mama geliebt werden will, wird es sich zukünftig diesem Vergnügen nicht mehr hingeben. Ein Tabu ist in ihm eingepflanzt worden.
Etwas ganz anderes sind Vorlieben und Abneigungen im sexuellen Bereich. Ich etwa mag überhaupt keine Büsche auf der Venus und könnte vielleicht ein Weib nicht lieben, die darauf bestünde, allen Wachstumskräften der Natur nachzugeben. Aber deshalb wäre es für mich keinesfalls ein Tabu, mit einem solchen Weib, wir beide unbekleidet, in einem Bett zu liegen. Es würde mich nur nicht kicken.
Wenn wir mit etwas noch keine Erfahrungen gemacht haben, passiert es häufig, dass wir es dennoch ablehnen, weil wir Menschen abstrahieren können. Angenommen, ich stach mir mal mit einer Nadel versehentlich in den Finger und es tat scheisse weh und hat geblutet und es war für mich sehr unangenehm, kann es sein, dass ich Nadelspiele im BDSM ablehne, ohne jemals die Erfahrung gemacht zu haben, wie es sein könnte, wenn mir eine medizinische Nadel durch die Brustwarze gestochen wird. Auch das hat nichts mit Tabus zu tun.
Ich kann mir natürlich meine eigenen „Tabus“ gestalten, also Handlungen für mich ablehnen und gleichzeitig mit dem Wort „Tabu“ ausdrücken, dass ich nicht gewillt bin, auch nur einen Satz lang darüber zu diskutieren. Ich will mich für meine „Neins“ nicht rechtfertigen.
Die Kehrseite ist – in diesem Thread bereits mehrfach ausgedrückt -, dass solch’ dogmatische Haltung mich um glücklich machende Erfahrungen bringen kann. Jedoch: Den Grad meiner Offenheit entscheide ich noch immer selbst.
Habe ich mich dann verliebt, wird es komplizierter: da gibt es einen anderen Menschen, einen Mann, der ein Kopfkino hat, der Ansprüche an mich stellt, weil er mich dazu benutzen will, sein Kopfkino auszuleben. Um ihm die Grenzen seiner Macht aufzuweisen, kann ich ihm das Wort „Tabu“ entgegenschleudern. Es ist gewissermassen der Prüfstein, an dem sich zeigt, ob er mich als Mensch wahrnehmen und achten kann oder nicht.
Du schriebst: „Was ich nämlich gemerkt habe, ist, dass ich bei vielen Dingen, die ich mir momentan nicht für mich vorstellen kann, nicht sagen kann, ob sie mir nicht doch gefallen.“
Wunderbarer Satz, kaum einer wäre heute in der Lage, einen Satz mit drei „nicht“ zu formulieren.
Diesen Satz nehme ich dir nicht ab. Ich unterstelle dir: du kannst dir nicht vorstellen, wie ein Mann in der Lage wäre, so mit dir umzugehen, dass an dir der Gefallen aufstiege, den du dir so lebendig imaginiertest. Das wäre ok, dann gälte es, mit Männern die Erfahrung zu machen. Mit manchen würde es dir nicht gefallen, mit anderen sehr. Die Liebe käme dir in die Quere, denn die richtet sich nach anderen Maßstäben als nach körperlichen Gelüsten.
Wohlan! Vergiss „Tabu“ und lerne, deine Träume zu sagen. Und dann: dass nicht aus jedem Frosch ein Prinz wird.
stephensson
art_of_pain