Tabu - von hinten aufgezäumt - eine etwas andere Betrachtung.
Die TE fragt uns jeweils persönlich nach dem Zusammenspiel von Grenzen und Tabus im Zusammenhang mit einer wie auch immer gearteten BDSM-Neigung.
Denkt man sich die Gesellschaft als großen Ozean im allgemeinen und als Menge von Fischschwärmen im besonderen, hat jeder Schwarm ein charakteristisches, instinktgesteuertes und gruppendynamisches Muster seiner Bewegung.
An kleinen, wohlgeschützten Riff tief unten im Meer der Neigungen schwimmen allerhand Exemplare herum. Nun geschieht es, das einer dieser Fische sich vom Schwarm entfernt, weit auf's offene Meer herausschwimmt und dabei beispielsweise ein Boot berühren will - als Mutprobe, oder weil ihn Boote schon immer faszinieren.
Dieses Erlebnis trennt den Fisch für einen Augenblick von seinen Artgenossen. Er handelt nicht mehr im Schwarm, sondern eigenverantwortlich. Der Schwarm macht sich über seine Gewohnheiten wenig Gedanken, er schwimmt einfach weg oder eben nicht hin.
Gedankenexperiment:
"Unglücklicherweise" wird unser mutiger Fisch dabei gefangengenommen, in ein Aquarium gesperrt und bekommt den Namen "Haihappen". Nehmen wir weiterhin an, der Vater des Haihappens wäre derselbe Fisch, hier aber nicht der impulsive Teil, sondern der lebenserfahrene, weise, etwas vorsichtige Teil.
Dieser Doppelfisch gilt im folgenden für den Einzelfisch.
Das Haihappen erkundet nun dieses Aquarium und erlebt bis dato unbekannte, wunderbare, beklemmende oder und neue Dinge. Hoffentlich hat er in diesem Aquarium einen Verbündeten, möglicherweise jedoch einen Widersacher. Vieleicht ist es nur ein kleines Goldfischglas, und Haihappen ist mit seinem Gefühl allein.
Der Vaterfisch kämpft sich durch den riesig großen Ozean, um den Haihappen zu retten. Ganz sicher hat der Vaterfisch auf seiner Reise viele Begegnungen die ihn prägen. Er ist immer getrieben von dem Ziel, das es seinem Haihappen gut gehen möge. Wenn sich die beiden wieder treffen, passiert etwas rührendes:
Der Vaterfisch sagt dem Haihappen, das Schildkröten 120 Jahre alt werden. Das hatte der Haihappen vorher wissen wollen. Der Vaterfisch weiß es jetzt aus Erfahrung. Genauso wie er aus Erfahrung weiß, das es Fische gibt, dennen du 100 MaL erklären kannst was du suchst, die es aber immer wieder vergessen, und trotzdem glücklich sind und dich glücklich machen. Fischschwärme bestehen aus sehr interessanten Einzelfischen.
Der Haihappen erzählt dem Vaterfisch von den vielen Dingen, die er erlebt hat, wovor er sich fürchtet und was er riskiert hat, um wieder aus dem Aquarium zu kommen: Er is mit seiner vermeintlich zu kleinen Flosse durch das winzige Rohr geschwommen, das in die Freiheit geführt hat.
Jetzt kommt er zurück und merkt, er schwimmt anders als der Schwarm, die Erfahrung hat ihn verändert. Auch der Vaterfisch merkt dies, und schaut seinem Haihappen lächelnd zu- und auch er hat sich verändert.
Die Fragen, die sich Vaterfische und Haihappen gleichermaßen stellen sind jetzt neu, konkret und anders als das charakteristische, instinktgesteuerte und gruppendynamische Verhalten des Schwarms.
Ist es schön, da rüberschschwimmen?
Ist es sicher genug?
Wünscht sich meine Haifreundin von mir Haihappen, das ich da hinschwimme. Will ich es für uns wagen?
Finde ich Hai da für mich gutes Haifischfutter, delikate Haihappen, wenn ich da hinschwimme? ist es schön? ist es sicher genug? Es gibt imerhin auch Orca, Riesenkraken und gefährliche Sachen wie Delfine. Ja, ein Hai muss vorsichtig sein!
Es gibt 2 große Antwortstömungen, dennen sich Fische anschließen können, den "großen transatlantischen Grenzstrom" und die "Tabufälle von Niagara"
Die tollkühnen Fische, die sogar die Tabufälle herunterjagen werden fliegende Fische genannt und landen häufig härter als es Wasser vermuten ließe, meistens zum Glück jedoch noch im Wasser. Vorsicht, es gibt da unten auch Steine. Machmal allerdings lernen diese Fische tatsächlich fliegen und genießen das sich den Wasserfall hinunterstürzen. Ein Fisch der einen Niagarafall heruntergefallen, heruntergeschwommen oder heruntergeflogen ist weiß hinterher aus Erfahrung, ob er fliegen kann oder nicht. Es ist allerdings noch nicht klar, wie er wieder da hoch kommen soll.
Die sehr mutigen Fische, die dem großen transatlantischen Grenzstrom folgen trennen sich auch vom Schwarm und geraten in bisher unbekanntes Gebiet. Ganz genau wissen sie nicht, wo sie der Strom hinführen wird, und die Strömung kann für einen kleinen Fisch auch ziemlich stark sein. Er kommt allerdings mit etwas Aufwand aus einer Strömung heraus und kann sich die unbekannte Gegend ansehen. Gefällt sie ihm kann er bleiben, gefällt sie ihm nicht hat er möglicherweise einen weiten Weg zurück zu seinem Heimatriff vor sich.
Mit guter Reiseplanung ist es einem Fisch der sich für transatlantische
Grenzströme interessiert möglich, sich im Strom bis in ein Grenzgebiet treiben zu lassen, dieses zu erkunden und dann mit dem gleichen Strom in einer Weltreise relativ zügig bis zu seinem Riff zurückzukehren.
Von zentraler Bedeutung ist das sich "Haihappen" oder Haie etwas anders im Schwarm bewegen. Es gibt keinen zwingenden Grund für einen "Haihappen", dem Grenzstrom zu folgen, um etwas neues zu erleben. Im Ozean gibt es überall Wasser. Wo man hinschwimmt, entscheidet man selber.
Zum Abschluss dieses sehr langen Geplätschers will ich meine eigenen Reisegewohnheiten darstellen, um der Frage der TE auch genüge zu tun.
Ich halte mich für eine sonderbare Sorte Hai. Ich erfahre zwar eine Gier nach kleinen Haihappen, aber Blut ist mir nicht geheuer. Ich habe beschlossen, das auch wenn kleine Haihappen die Niagarafälle von Tabuistan herunterfliegen können, das für einen größeren Hai wie mich beim auftreffen auf die Wasseroberfläche derart schmerzhaft ist, das mich solche Sprünge zusammenzucken lassen. Auch muss ich nicht jedem der transatlantischen Grenzströme folgen.
Tabus die ich für mich ziehe beinhalten unter anderem Kommunikationsunterbrechung über eine direkte Session hinaus,
Demütigungen in Form von Beleidigungen, Blut, Nadeln, jedwede von mir iniziierte dauerhafte Veränderung meines Körpers oder das meiner Gespielin (von testobjekt als "invasive engriffe" zusammengefasst), Kaviar, Kliniksex, einschränkende Anweisungen ins Privatleben, Crossdressing, ungeschützter Geschlechtsverkehr, eigenmächtige Einbeziehung Bekannter des einen oder anderen und einige mehr, die ich hier nicht bis ins letzte Detail auflisten will.
Weit im Grenzbereich bewegt sich für mich meine weinende Sklavin, jedwedes Spiel mit Angst, konsequentes Spanking, alles was mit Peitschen zu tun hat, alles was mit Elektro zu tun hat (hab davon keine Ahnung und kaum Antrieb, mich damit zu befassen), und einiges mehr.
Im Grenzbereich befinden sich dagegen Spiele mit Furcht, leichtes Spanking mit diversen Hilfsmitteln oder der bloßen Hand, Demütigungen, konsequent dominantes Verhalten auch über Widrigkeiten hinweg. Dinge im Grenzbereich mögen gefallen mir üblicherweise, erfordern aber ein anderes Maß an aufmerksamkeit von mir als beispielsweise Seil.
Bezüglich Seil gilt: Kann man nie genug von haben. Das gilt auch für einige andere dinge, aber die stehen hier nicht zur Debatte
Abschließend möchte ich an die Kernaussage erinnern, das BDSM'ler oftmals bewusster im Ozean der Sexualität umherschwimmen. Das soll nicht heißen das sie glücklicher sind, Dori hat auch keine Ahnung was sie tut und ist glücklich. Haut in die Tasten und schreibt etwas von Euren Tabus und Grenzen, nicht nur, was konkrete Praktiken betrifft.
Verkneifen kann ich mir den Gag nun nicht, bedeuten soll er aber:
Mit einem dominanten Partner kann man über diese Grenzen reden, wenn man noch zögert mag es ja reichen, ihm nur einen kleinen Happen hinzuwerfen.
"Subs sind Freunde, kein Futter."