„Warum bist du nicht in mir gekommen?"
Da war sie wieder. Eine ihrer Fragen, die auf den ersten Blick so einfach schienen. Er mochte diese Art zu fragen von ihr sehr, denn meistens eröffnete sie dadurch ein längeres, tieferes Gespräch, das zu führen sich lohnte.Es war seine Art auch nach Tagen noch keine befriedigende Antwort auf die Frage zu haben, auch wenn er ihr zumindest vorerst erklären konnte, warum es für ihn einfach nicht mehr wichtig war in ihr zu kommen.
Später dann, sie war längst schon gefahren, wurde ihm klar was die einfache Antwort auf ihre Frage war. Seine Dominanz beruhte im wesentlichen auf der achtsamen, aber kontrollierten, durchaus auch oft schmerzhaften Art und Weise sie zu führen. Die Mittel, die er dazu einsetzte bedienten sich zwar ihrer Sexualität, aber nicht unbedingt seiner.
Erst neulich war es ihm gelungen, sie gerade Kurznachrichten aus, so aus dem Konzept zu bringen, dass es ihr mehr als schwer fiel sich auf die Arbeit zu konzentrieren. „Ich will dich jetzt so sehr!“, hatte sie ihm am Ende geschrieben und er beendete den Dialog mit seinem unnachahmlichen „Good girl!“
Im Grunde ging es ihm gar nicht primär um Sex. Klar, Sex machte Spaß und er war einmal ein wilder Hengst gewesen, wie eigentlich alle jungen Männer. Aber die Jahre der Erfahrung hatten ihn andere Wünsche und Vorlieben entwickeln lassen.
Es ging ihm um ihre Hingabe.
Die Art von Hingabe, wie sie vielleicht nur eine Frau geben kann. Die Emanzipation der Frauen, die er als junger Schüler erst von weitem in den 70er Jahren sah und die ihm, mit seinem mehr als konservativem Weltbild in den 80er Jahren als junger Mann eine Menge Probleme bereitete ist aufgehoben, wenn eine Frau sich ganz hingibt.
Interessanterweise war er gerade in den letzten Jahren, in dem der Feminismus der vierten Welle in den USA und Westeuropa tobte vermehrt auf Frauen gestoßen, die zwar nach außen hin ihre Rolle als emanzipierte Frau, Mutter, Arbeitnehmerin oder Geschäftsfrau hervorragend einnahmen, die sich aber gerade beim Sex „fallen lassen wollten“, eben mal „nicht stark sein wollten“ oder die „Führung abgeben wollten“. Alle diese Äußerungen hatte er wortwörtlich zu hören bekommen und es waren gerade diese Frauen gewesen, die zu echter Hingabe fähig wurden, wenn es ihnen gemeinsam gelang eine Atmosphäre von Vertrauen und Nähe zu schaffen.
Es ging ihm also gar nicht in erster Linie um Sex, oder gar das „Ficken“. Es ging um „Führen“ und „geführt werden“. Ohne Kompromisse. Es ging um Durchsetzung von teils willkürlichen Regeln, es ging je nach Frau um viel oder wenig Schmerz, um Strafen, aber auch um das Heilen alter Wunden, die sich durch das Nacherleben mit ihm in Lust verwandelten und es ihr erlaubten ihre alte Trauer abzustreifen. Es ging ihm darum, dass sie sich ihm hingab. Punkt.
Die Antwort auf ihre Frage „Warum bist du nicht in mir gekommen?“ war also genauso einfach wie die Frage selbst. Ruhig sagte er: „Warum ich nicht in dir gekommen bin? Weil ich dich führen und nicht nur ficken will.“