Du kannst sehr wohl etwas tun
Hallo Shiroi.
Es stimmt alles zum Teil, was hier bisher steht. Ich habe gerade wenig Zeit, also nimm meinen kurz angebundenen Tonfall bitte nicht als unhöflich. Ich muss mich lediglich sehr beeilen mit dem Tippen.
Hinter dem Verhalten Deiner Freundin steckt sehr viel. Die meisten Frauen die so leben, mit denen wurde selbst als Kind nicht gut umgegangen. Sie haben Botschaften bekommen, die ihnen vermittelt haben, dass Verletzungen, egal ob physisch oder psychisch zwar unangenehm sind, aber zu ihrem Leben dazu gehören. Und vor allem haben sie meistens gelernt (ich verallgemeinere etwas), dass es keinen Ausweg gibt. Deine Freundin denkt höchstwahrscheinlich sehr schlecht über sich selbst und in Folge dessen erwartet sie auch nicht, dass man besser mti ihr umgeht, als sie selbst es tut. Außerdem wird sie sich sagen: Selbst wenn ich diesen Freund in die Wüste schicke, der nächste wird genauso sein. Und damit hat sie leider nicht ganz unrecht. Deswegen ist es im Augenblick sinnlos ihr was anderes einzureden.
Die Polizei:
Sie ist erwachsen nun. Und leider glaubt unsere Gesetzgebung, die Weisheit fällt mit dem 18. Geburtstag vom Himmel. Die Polizei wird Dir also nicht helfen, sie wird Dir sagen, dass sie nur etwas tun kann, wenn Deine Freundin selbst aussagt oder aber wenn sie wirklich genau in diesem Augenblick in ihrer Gesundheit bedroht ist. Da aber im Augenblick der Gewalt meistens keiner da ist, wird Dir die Polizei schlecht helfen können. Per Gesetz dürfen sie es einfach nicht.
Was kannst Du tun?
Eine Menge! Aber: Es wird Dir höchstwahrscheinlich sehr wenig erscheinen.
1) Stärke ihr Selbstwertgefühl
Der Glaube an sich selbst und an das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann wieder aufgebaut werden. Das geht nur ganz langsam, aber es ist möglich. Mach Deiner Freundin hin und wieder ein (authentisches und ernstgemeintes) Kompliment. Überleg Dir am besten vorher, was Du sagen möchtest. Z.B.: "Hey, Deine Kuchen sind total lecker, ich wünschte, ich könnte so backen." Oder: "Dein Talent für Organisatorisches ist ausgezeichnet!" - Überschütte sie nicht mit Komplimenten, aber jedes Mal wenn Du sie siehst, dann mach ihr eines.
Die Botschaft, die sie dadurch erhält hat unglaubliche Macht.
Sie lernt, dass man sie schätzt, ohne dass sie dafür geschlagen oder sonst wie misshandelt wird. Dadurch wird ihr Selbstbewusstsein gestärkt und die Chance steigt, dass sie bei der nächsten Misshandlung oder Drohung sich zu wehr setzt, zumindest aber das Gefühl bekommt, dass niemand das Recht hat, sie zu verletzten.
2) Sei ihr ein Vorbild.
Sie geht sehr schlecht mit sich um. Lass sie von Dir lernen. Nicht oberlehrerhaft oder mit dem Holzhammer. Aber wann immer es sich ergibt, sprich z.B. von Deinen Beziehungen sehr liebevoll. Erzähl ihr, wie gut es Dir getan hat, dass Deine Partner/Expartner Dich aufgefangen haben und für Dich da waren, wenn es Dir schlecht ging. Natürlich kannst Du auch Deine Familie oder Deine Freunde als Vorbild nehmen. Es kann auch sein, dass sie zu Dir sehr liebevoll ist, dann gib ihr ein Feedback. Sag sowas wie: "Es tut mir sehr gut, Dich als Freundin zu haben. Danke!"
3) Schütze Dich.
Es tut Dir weh zu sehen, wie sie lebt. Akzeptiere, dass Du sie nicht über Nacht änder können wirst. Das weißt Du selbst, aber mache es Dir selbst immer wieder klar. Du bist nicht sie. Du bist Du und kannst nur Wegweiser sein. Den Weg gehen muss sie selbst.
Aber es schadet Dir selbst, wenn Du zu sehr versuchst, sie zu ändern oder gefühlsmäßig ihre Sorgen auf Deine Schultern lädst.
4) Sorge vor.
Es gibt in Deiner Gegend eine telefonische Seelensorge. Gib "telefonische Seelensorge", zusammen mit Ihrem Wohnort in die Suchmaschiene ein und schreib die Telefonnummer auf. Schreib ihr Deine Nummer dazu und den Satz: "Du bist ein wertvoller Mensch, ruf mich an, wenn es Dir schlecht geht." (Erwähne, dass er kostenfrei ist.)
Ja ich weiß, das klingt alles furchtbar schnulzig. Aber glaub mir, in dem Augenblick wo es ihr wirklich mies geht, wird es ihr vermutlich sehr gut tun, solche Worte zu lesen.
Dann nimm den Zettel und gib ihn ihr. Bitte sie, den Zettel in ihr Portemonnaie zu legen. Die Geldbörse nimmt man immer mit, egal wo man hingeht.
Wenn Du noch mehr tun willst, ruf bei ihr in der Gegend bei der Seelensorge selbst an und erkundige Dich nach Frauenhäusern. Du wirst sehen, man wird (höchstwahrscheinlich) gut beraten.
5) Der Eisberg
Menschen die Gewalt erleben erzählen niemals alles von sich. (Sehr seltene Ausnahmen bestätigen die Regel.) Die meisten Betroffenen/Opfer verfahren nach er Eisbergtaktik. Sie erzählen "Kleinigkeiten", gucken dann wie ihr Gegenüber sich verhält und erst wenn sie sich durch die Gegenreaktion nicht bedroht fühlen (oder aber vollkommen ignoriert), dann erzählen sie mehr.
Rechne damit, dass Deine Freundin noch viel mehr erlebt hat, als nur diesen Abend. Vielleicht nicht mit diesem Freund, vielleicht liegt es länger in der Vergangenheit zurück. Vielleicht aber tut ihr Freund auch mehr, als nur die Wohnung zertrümmern. Niemand, ausser Deiner Freundin kann das wissen.
Aber: Es gibt Möglichkeiten ihr den Weg des Erzählens zu verkürzen: Sprich einfach alle Themen, von denen Du glaubst, sie könnten zutreffen von Dir aus an. Etwa so: "Sollte mehr passiert sein, als Du bisher erzählt hast, oder sollte je mehr passieren, etwa eine Vergewaltigung oder Du wirst zu anderen Dingen gezwungen die Du nicht willst, dann kannst Du mit mir jeder Zeit darüber reden."
Manche Menschen reagieren darauf, in dem sie sich "ertappt" fühlen und kategorisch verneinen, dass je mehr gewesen ist. Aber glaube mir, der Satz von Dir wird in ihr haften bleiben und die Chance steigt, dass sie sich jemandem (oder Dir) anvertraut, so das nötig ist.
6. Rechne nicht damit, dass ihre Familie eine Hilfe ist
Irgendwoher muss sie ihre negative Einstellung zu sich selbst und ihrem Leben haben. Es ist leider gut möglich, dass ihre Familie einen großen Teil dazu beigetragen hat. Versuch ihre Familie nicht mit ein zu beziehen. Such lieber andere Wege. Seelensorge, Frauenhäuser etc.
7. Erhol Dich und lebe Dein Leben
Wenn Du alles getan hast, was Du tun kannst, dann gönn Dir Pause. Mehr kannst Du nicht tun, der Rest liegt dann bei Ihr.
An alle anderen Leser: Ich muss schon sagen, es tut uns doch sehr weh, wie leichtfertig hier mit diesem Thema umgegangen wird.
Ich verstehe ja, wenn man sich nicht zu helfen weiß und sich dann abwendet. Aber daraus die Schlussfolgerung abzuleiten, es wäre gar nicht möglich zu helfen, ehrlich, dass ist nicht nur vollkommen falsch, es zeigt den Opfern/Betroffenen wieder einmal mehr, dass unter "Freunden" keine Hilfe erwarten können.
Und die Täter haben es schön einfach dadurch. Denn der Spruch "es interessiert sowieso keinen, wies dir geht" wird bittere Wahrheit.
Ich will bei Gott nicht sagen, dass es einfach ist. Gewalt ist nie einfach. Es gibt auch genug Frauen, die haben tatsächlich aufgegeben. Sie haben keine Hoffnung mehr auf Besserung, wollen nicht allein sein und nehmen daher alles in Kauf, was mit ihnen passiert. Auch in diesem Fall ist es vollkommen in Ordnung, wenn man irgendwann geht, um sich selbst zu schützen.
Aber bis man das nicht sicher weiß, sollte man den A**** haben zu helfen, wenn das Problem schon vor der Haustür steht.
Eine (etwas entsetzte) Ley