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Herr R. und die Online-Zauberei

Herr R. und die Online-Zauberei
Man denkt ja immer (als halbwegs aufgeklärter Zeitgenosse zumindest), es gäbe keine schicksalhafte Bestimmung, sondern allenfalls Zufälle, aus denen Notwendigkeiten entstünden.
Wie dem auch sei ... Halten wir als unleugbare Tatsache einfach mal dies fest: Als Herr R. diesen Freitag morgen das Radio nach tropischer und entsprechend verschwitzter Nacht einschaltet, läuft - als absolute Seltenheit - Alice mit "Per Elisa".
Besitzt dieser Umstand nicht eine tiefere Bedeutung für Herrn R.s Leben?
Unabhängig von der Musik beschäftigt den professionellen Hermeneutiker gleich die Frage, wo "per" jetzt "für", oder "wegen", oder "um" in dem Song bedeutet?

(Doch diese Anmerkung nur als kleine Abschweifung, um in der Darstellung des Herrn R. ein wenig Farbe beizumischen (auch wenn es katzengrau langweilig ist) und um zu zeigen, wie sehr er quasi das gesellschaftliche Gegengewicht zu den allseits praktisch Erfolgreichen und den sich ebenso Präsentierenden darstellt - gerade auf Online-Portalen, wo das Gepinsel von erwünschten und gewünschten Selbstbildern weit mehr Verbreitung hat als die Darstellung einer wahrheitsgemäßen Desillusionierung von Märchen als Grundlage von Marketing, auch wenn man sich dabei eingestehen muss, wenn es hoch kommt, gerade mal hundsgewöhnlicher Durchschnitt zu sein).

Okay. Als Kopfmensch war Herr R. also der faktischen Welt gleichsam enthoben und nicht minder für das Träumen, seiner eigentlichen Realität, begabt: So steht er jetzt mit dem mittlerweile dritten Espresso in der Hand am großen, offenen Küchenfenster, vor dem die schwüle Luft wie eine Wand steht und denkt an Italien wie an ein Land, von dem er immer getrennt sein wird, während das Trinken der heißen Espressi und sein Schwitzen einen Durchgang bilden ... Dennoch: Wie schön wäre es jetzt an der Riviera!?

Eine Unschuld, die schon tragisch zu nennen ist, katapultierte Herrn R. online in die Nähe einer Frau, die sich bei einem Dating-Club "Elisa" nannte.
Wer ist sich tatsächlich über die Tragweite seiner Handlungen bewusst? Darüber, was er in einem anderen anrichtet? Und das verstärkt noch - nicht im realen Leben, ohne Rückkopplung - sondern im schönen, neuen, elektronischen Universum?
Damit ist nicht einmal Arglist oder vorsätzliche Täuschung oder Betrug gemeint, sondern einfach nur z. B. ein unterschiedliches Verständnis von Worten - und Herr R. ist ein Mann, der an Worte glaubt, in tradierter Bedeutung.
So hatte Elisa ihm gegenüber von Liebe gesprochen, lebte aber (erst die Zeit und das Sich- Verplappern von ihr hatten schließlich Herrn R. die Augen geöffnet) mit einem anderen Mann zusammen, hatte Sex mit ihm, datete munter andere (the best is yet to come, vermutlich), mit denen sie auch Sex hatte (Frau lebt nur einmal!) - gleichzeitig philosophierte sie jedoch über Exklusivität und Einzigartigkeit und die unumstößlichen Werte der Monogamie im Sinne einer Komplementarität - nicht nur einer Frau und eines Mannes, sondern zweier individuellen Menschen, die so erst mit aller Vielfalt zur Einheit verschmelzen - Herrn R. gegenüber, der mit wachsendem Feuer an Elisa glaubte und sie deshalb in sein Herz einziehen konnte.

Verbrecher aus Gedankenlosigkeit sind wahrscheinlich am schlimmsten und gefährlichsten.
Dieser Elisa gegenüber fühlte sich Herr R. auf seltsame Weise hilflos: Er wusste nicht, wie er es hätte erreichen können, dass es zu einer Gemeinsamkeit zwischen ihnen hätte kommen können (da es, wie ihm heute klar war, gar keine gab)?
Auch kam kein wirklich flüssiges Gespräch zu Stande. So fiel es ihr angeblich schwer, ihm zu schreiben (mit anderen nicht, wie sie, um sich exquisit vor ihm zu präsentieren, einräumte) - andererseits bereitete es ihr keinerlei Probleme sich in öffentlichen Foren lautstark auf eine Weise sexarbeitstechnisch (immer unter dem Mäntelchen der Liebe) zu offenbaren, dass es schon peinlich war - und entlarvend egoistisch Beifall heischend zugleich.
Und Herrn R., der auf seine Art, es sei eingestanden, ohne Höhen und Tiefen vor sich hinlebte (noch zwei Jahre bis er von einer Vorruhestandsregelung Gebrauch machen würde; daneben und recht eigentlich kannte und akzeptierte er seine Grenzen und konzentrierte sich auf das, was er - zum Geld verdienen - konnte, mit Abstrichen eines ... Wie soll man es nennen? - Bürgerlichen Privatlebens oder einfach nur eines ausgefüllten Liebes-und Sexlebens), verwirklichten sich in Gestalt dieser Elisa seiner kühnste Träume, als wäre sie ein Geschöpf aus einer anderen Welt gewesen - damit ist weniger die sexuelle Attraktivität dieser Person gemeint, als vielmehr sein Hunger nach einer echten zwischenmenschlichen Beziehung, in der er hätte sich bezogen auf die andere zu einem anderen hätte werden können und gemeinsam etwas Neues entstanden wäre ...

Aber diese Elisa konnte Liebe nur täuschend echt vorgaukeln, außer der, mit der sie sich selbst liebte. Bis Herr R. merkte, wie blicklos unbeweglich ihre Augen waren, kalt, gefroren, als sei sie eine leblose Puppe. Eine Puppe auch im Kokon eines Körpers, der getunt durch allerlei chirurgische Unterstützung kaum mehr real und für ein Alter von 50 Jahren durchgehen konnte.
Herr R. wollte und will mehr von einer Frau, als dass sie auf der Welt ist, um schön zu sein ...

Natürlich tut Herr R. dieser Elisa unrecht und befreit sich nur auf billige Weise von seinem Frust, sie nicht haben zu können, schließlich ist die Dame nicht nur eine Augenweide, sondern auch auf seelisch-geistiger Ebene (nach eigener bescheidenen Einschätzung) eine absolute Außergewöhnlichkeit - ein Online-Alien, an den sie selbst glaubt und die Gläubige um sich schart, damit sie beweiskräftig an sich (und sonst niemanden) glauben kann ...

" ... Ti lascia e ti riprende come e quando vuole lei
Riesce solo a farti male ...
Vivere, vivere, vivere non è più vivere
Lei ti ha plagiato, ti ha preso anche la dignità ... "

Und so ist Herr R., ohne solchen Gefährdungen weiterhin ausgesetzt zu sein, zurückgekehrt zu seinen Leisten und einfach weiter ein Fan von Alice, die - und das ist die Frage, die Herrn R. beunruhigt - seine Online-Erfahrung mit der Dame "Elisa" etwa vorherbestimmt hat? Ein Song, una canzone, etwa als sich selbst erfüllende Prophezeiung?

(Anm.: Falls es trotz meiner Recherche zu einer Übereinstimmung der hier verwendeten Nicks zu Profilen gleichen Namens kommen sollte, so ist sie dem Zufall und meiner oberflächlichen Schlampigkeit beim Suchen geschuldet, nicht aber weil irgendwelche reale Personen angesprochen werden sollen - es soll sich vielmehr - im weitesten Sinn - hier um die Frage handeln, was eigentlich wirklich (Was wirkt?), was real ist (Was existiert?)

**********victu Frau
40 Beiträge
Wunderbares *kopfkino* wie ich es liebe , feinsinnig und tiefgründig.

Una poema gracias

Pipi
****68 Frau
2.442 Beiträge
Lieber Trakotik,

Ich will’s nochmals lesen, die Feinheiten und die Verästelungen nochmals wirken lassen. Danke Dir für diese geistvolle Geschichte per Elisa.

Hat fast was von der lettre à Élise

liebe Grüsse
Ja, so sind sie ... die Herrn Online-Zauberer. Bis sie ein Online-Alien frisst ... oder sie der wahren Liebe begegnen ...
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