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Der Zusammenhang zwischen Privatbesitz, Herrschaft und Eifersucht
Eifersucht ist der sexuelle Niederschlag des Privateigentums und nicht nur ein spezifisch menschlicher Affekt, sondern auch einer, der nur unter ganz bestimmten Bedingungen und in ganz bestimmten Gesellschaftsordnungen auftritt. Matriarchale Kulturen, die kein Privateigentum, sondern nur Gruppenbesitz kennen, sind stets frei von Eifersucht. Dies sind Gesellschaften, die ihre Abstammung nicht von einem Urvater und auch nicht von einem Ur-Elternpaar, sondern von einer Urmutter ableiten (matrilineare Deszendenz).
Im Gegensatz zur Tradition der indogermanischen Großfamilie, wo die Frau des Jungbauern in den Hof des Schwiegervaters zieht (patrilokale Maritalresidenz), siedelt sich in solchen Gesellschaftsordnungen der Ehemann bei der mütterlichen Sippe seiner Frau an (matrilokale Maritalresidenz) und arbeitet dort mit ihren Brüdern zusammen.
Historisch betrachtet taucht Eifersucht in allen Gesellschaftsordnungen erst dann auf, wenn zwei ganz bestimmte Entwicklungsstränge konvergieren und sich miteinander verknüpfen:
Privateigentum und Patriarchat.
Das erste ist eine Folge von Überschussproduktion; bei Jägervölkern und anderen Wildbeutern gibt es bis zum heutigen Tage keine Konzepte des Privatbesitzes.
Das zweite beruht auf der Übernahme der Verantwortung für die Gruppe in katastrophischen Notsituationen (vgl. Saharasia-These - Entstehung des Patriarchats).
Aus dem Zusammenwirken dieser beiden Faktoren ergibt sich der Anspruch des Vaters auf „legitime” Erben, das heißt auf den ausschließlichen Gebrauch des Körpers der Gattin zum Zweck der Zeugung „legitimer” Söhne. Akkumulation war die Folge, das Konzept "Privatbesitz" entstand. Das schloss auch den Besitz von Kindern, und zwar möglichst vielen, ein.
Im matrilinearen Stadium, in dem die Frau noch frei über ihren Körper verfügen konnte, hatte sie das in der Praxis getan, und kein Mann, weder Vater noch Gatte, hatte einen Grund, sich darüber zu beklagen. Im Gegenteil, alles weist darauf hin, dass die Freizügigkeit der alten matrilinearen Kulturen beiden Geschlechtern nicht nur größere sexuelle Befriedigung, sondern auch größere Selbstachtung verschafft hatte.
Nun aber, seit die Frau (und Kind) zum Eigentum des Vaters geworden war, wurde Freizügigkeit als Verschwendung und Ehebruch als Diebstahl empfunden. Eifersucht tauchte zum ersten Mal in der Geschichte der Gentilgesellschaft (Sippe) auf.
Dies war ein Wendepunkt in der Sexualgeschichte. Man kann ihn von einer anderen Warte aus noch deutlicher erkennen. Zur Zeit, als die Gesellschaftsordnung der Protogriechen noch matrilinear gewesen war, hatte die Tochter zur Sippe der Mutter gehört. Während der Übergangszeit zur patrilinearen Ordnung hatte sie zur Vatersippe gehört.
Mittlerweile hatte sich die Stellung des Vaters als pater familias aber so gefestigt, dass es nicht mehr seine Sippe, sondern er selber war, dem die Tochter nun „gehörte”. Aus Zugehörigkeit war Eigentum geworden.
Der Wendepunkt wurde durch jenes Stadium gekennzeichnet, in dem der Ehemann sich erst durch Zahlung des Brautpreises das Recht auf die aus der Ehe entspringenden Kindern erwarb.
Diese Tatsache spiegelte sich deutlich in den neuen Hochzeitszeremonien wieder, die bis in spätgriechische Zeiten fortbestanden. Der Brautwerber erschien als Käufer, die Braut als Ware.
Die Brautschau war eine Besichtigung der Ware durch den Agenten des Käufers. Der Akt der Eheschließung war ein Handelsvertrag. Der Brautvater war verpflichtet, bei der Besichtigung alle Mängel des Mädchens bekannt zu geben. Verschwieg er sie, so konnte die Ehe für nichtig erklärt werden.
Guten Abend, ihr Brautwerber,
sagte noch bis vor kurzer Zeit bei den Belorussen, den engen Verwandten der alten Griechen, der Brautvater bei der Brautschau,
ich führe euch eine Ware vor, die nicht blind, nicht lahm ist, Gott möge mir selbst eine solche bescheren!
Neben dem Kauf mit sofortiger Zahlung entstand aus der neuen Situation der Frau auch der Brautkauf auf Raten, wobei zu einer bestimmten Zeit, meist nach Zahlung der Hälfte, der Bräutigam das Recht auf sexuelle Beziehungen erhielt, die Braut jedoch erst nach Zahlung der zweiten Hälfte in seinen Besitz überging.
Eine dritte Form war der Erwerb der Frau durch Landarbeit auf dem Hof des Schwiegervaters.
Wie Jakob in der Bibel sieben Jahre um Rahel diente (1. Mose 29, 18-30), so diente auch mancher Grieche sieben Jahre lang am Hofe seines Schwiegervaters, ehe er die Braut mit nach Hause nehmen durfte.
Hier vermischte sich ein Überbleibsel der alten Institution matrilokaler Ansiedlung mit der neuen Institution des Privateigentums. Die Inflation des Brautpreises führte dann zur Neueinführung der fast vergessenen Einrichtung des Brautraubs, der allerdings meist mit Zustimmung der Entführten stattfand.
Die Eifersucht der Götter im Pantheon
Die Eifersucht, die sich unweigerlich aus der Degradation der Frau zum Privateigentum des Mannes ergab, schlug sich auch im griechischen Pantheon nieder, und zwar um so intensiver, je später die eifersüchtigen Götter erfunden worden waren.
Das Verhältnis zwischen Zeus und der ewig eifersüchtigen Hera, oder zwischen Poseidon und seiner keifenden Gattin Amphitrite, zeigt unverkennbare Züge der patriarchalen Ordnung, in der auch die Frau von jener sexuellen Besitzsucht angesteckt worden war, die das vaterrechtliche Konzept in das Verhältnis der Geschlechter hineingetragen hatte.
Hera und Amphitrite verfolgten nicht nur die Gespielinnen ihrer Gatten mit Rachsucht, sondern zeigten auch in ihrem nichtsexuellen Leben einen Neid, der sie sofort als Kreaturen der Ära des Privateigentums erkennen lässt.
Hierher gehören auch die Mythen von der Athene, die auf die irdische Arachne so eifersüchtig ist, dass sie sie mit der Lade eines Webstuhls niederschlägt, und von der Leto, die selbst nur zwei Kinder besitzt und deshalb die zwölf Kinder der sterblichen Niobe umbringen lässt.
Ähnlich auch die Nymphe Echenais, die sich in den Sohn des Hermes verliebt und ihn mit Blindheit schlägt, als er sich in eine sterbliche Frau vergafft. Dieses Weltbild wäre in einer matriarchalen Gesellschaft, wo sich Männer und eben auch Frauen oft paaren, aber keine Eifersucht kennen, undenkbar.
Psychologisch betrachtet ist Eifersucht also eine Form von Selbstzweifel, von Unsicherheit, von Angst, dass man nicht attraktiv genug ist, um den Sexualpartner an die eigene Person zu binden.
Eine solche Angst kann bei Männern und Frauen nur dann entstehen, wenn man Sexualität nicht als gegenseitige Attraktion und gegenseitige Achtung, sondern als einseitigen Anspruch auf den Körper des Gatten empfindet.
An die Stelle der sexuellen Großzügigkeit eigentumsfreier matriarchaler Kulturen tritt hier die Mentalität des Privateigentums, die ihre Befriedigung daraus entnimmt, dass der andere eben nicht das besitzt, was mir gehört.
Eifersucht: Symptom des Zweifels
Philosophisch betrachtet stellt diese Entwicklung den Triumph des Negativen über das Positive, des Nehmens über das Geben, des Restriktiven über das Freigebige dar.
Da Eifersucht eine Eigenschaft des Besitzanspruchs ist, richtet sie sich bezeichnenderweise auch gegen die Eigenschaften, die man selber besitzt oder besitzen möchte: Jugend, Schönheit, Anziehungskraft, Potenz, Gebärfähigkeit.
Sie ist das Symptom des Zweifels, ob man diese Eigenschaften in genügendem Maße besitzt, um den anderen zu befriedigen. Der Ehemann, der anderen Männern gegenüber keine sexuelle Überlegenheit besitzt, muss unter diesen Umständen stets fürchten, dass seine Frau ihn „betrügt”. Sie aber wird seine Eifersucht unweigerlich als Schwäche ausdeuten. Denn wenn er seiner Sache wirklich sicher wäre, brauchte er nicht eifersüchtig zu sein.
So erzeugt Eifersucht im Patriarchat stets das, was sie zu verhindern sucht.
Der Mann glaubt nicht nur das Recht, sondern die Pflicht zu haben, jeden umzubringen, der den Besitz „entwertet”, jeden, der die Frau (und damit ihren Besitzer) „entehrt”.
So wird „Ehre” zum Substitut der Selbstachtung. Wo wirkliche Gleichberechtigung der Geschlechter herrscht, sind solche Prothesen nicht nötig. Eine Gesellschaft, in der man mit besonderer Emotivität von der „Ehre” des Mannes und der „Ehre” der Frau spricht, lässt deshalb die Vermutung zu, dass es um die wirkliche Ehre der Beteiligten schlecht steht. Je patriarchaler eine Gesellschaft, desto stärker sind diese Symptome.
Eifersucht ist keineswegs ein angeborener Aspekt der „menschlichen Natur”, sondern das anerzogene Produkt sexualrestriktiver Gesellschaftsordnungen. Diese Restriktionen dienen der Erhaltung von Herrschaft.
Quelle: Ernest Bornemann u.a., Eifersucht - ein Lesebuch für Erwachsene
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