Piep
Piep. Pieppiep. Pieppalapiep, Pieppalapapu. Piep. „Hallo?“, flüstert irgendwer hinter dem Vorhang. Entferntes Fußgetrappel. Undeutliche Gesprächsfetzen.
Piep. Pieppiep. Pieppalapiep, Pieppalapapu. Piep.
Stöhnen. Jemand geht eiligen Schrittes vorbei. Alles geschieht hier hinter den Vorhängen – der Privatsphäre wegen.
Piep. Pieppiep. Pieppalapiep, Pieppalapapu. Piep.
„Hallo? Hallo?“, ertönt es abermals. Dieses Mal etwas lauter.
Piep. Pieppiep. Pieppalapiep, Pieppalapapu. Piep.
Die Sekunden ziehen sich wie Teerfäden dahin und lassen die Zeit nur zäh dahinfließen. Ich kann nur die Hälfte der Uhr am anderen Ende des Raumes erkennen. Mein Vorhang ist halb geschlossen.
Piep. Pieppiep. Pieppalapiep, Pieppalapapu. Piep.
„Ich muss mal!“, ruft dieser jemand nun ganz laut hinter seinem Vorhang. Irgendwer eilt herbei und entschuldigt sich geschäftig, um den gesichtslosen Patienten zur Toilette zu geleiten. Von der Stimme nach zu urteilen, muss es ein Mann sein, denke ich mir.
Piep. Pieppiep. Pieppalapiep, Pieppalapapu. Piep.
Ich zähle die Waben der Deckenbeleuchtung. Es sind genau achtundneunzig, wenn ich mich nicht vertan habe. Auch mir drückt allmählich die Blase, nur getrau ich mich noch nicht, etwas zu sagen.
Piep. Pieppiep. Pieppalapiep, Pieppalapapu. Piep.
Seit über 3 Stunden liege ich jetzt auf dieser Pritsche. Mir tut der Rücken weh, und ich habe Hunger. Die teerigen Sekunden haben meine Gedanken, die wie zu trockene Kekse zerbröseln, zu einer klebrigen Masse vereint, die meinen Kopf ausfüllt und immer vehementer gegen die Schädeldecke drückt. Doch das Dach lässt sich nun einmal nicht lupfen, und so zähle ich immer und immer wieder die Waben der Deckenbeleuchtung. Es sind genau dreiundneunzig. Oder nein, waren es vorher nicht noch neunundachtzig? Ich weiß es nicht mehr, …
Piep. Pieppiep. Pieppalapiep, Pieppalapapu. Piep.
Der alte Mann von heute Morgen kommt mir wieder in den Sinn. Da hatte man meinen Vorhang noch nicht fast zugezogen. Der Hosenstall stand ihm offen, als die werte Wie-geht’s-uns-denn-heute-Schwester ihm auf die Beine geholfen hatte, um ihn hinauszukomplimentieren. Ob er jetzt wohl seinen Rausch ausschläft, oder hat er sich schon den nächsten Flachmann besorgt, überlege ich …
Piep. Pieppiep. Pieppalapiep, Pieppalapapu. Piep.
Der Vorhang wird beiseitegeschoben. Eine Teerfadenlänge lang bin ich irritiert. Denn ich blicke in ein bebrilltes Zitronengesicht mit einem lilafarbenen Dutt im Zenit des Scheitels. Die Zitrone spricht zu mir. Sie setzt mir einen Korb voller guter Wünsche und Ratschläge auf die bedeckten Oberschenkel.
Wählen sie etwas aus, lädt mich das Zitronengesicht ein. Und beherzigen sie es dann auch, ermahnt sie mich, bevor ich mich ankleiden und gehen darf.
© CRK, Le., 04/2019