Mahlzeit !
Ich habe den Film nicht gesehen - die kursierenden Inhaltsangaben reichen mir völlig aus, um zu wissen, daß ich mir das nicht antun muß. Ich bin als Filmkonsument eigenart zart besaitet, und habe schon bei den Mordszenen meines Lieblings-Hitchcocks "Freenzy" meine leichten Problemchen ...
Von Pasolini habe ich im übrigen "Medea", "Jesus von Nazareth" und "Theorema" sowie die humorvollen Canterbury-Tales gesehen, die aber auch als FSK 18 zu beizeichnen wären.
Meine Vermutung - mehr kann es nicht sein - sieht so aus:
Es ist eine Darstellung dessen, was wir im allgemeinen Zivilisation und Kultur nennen: sie ist den oberen zehntausend vorbehalten - ihre Voraussetzung ist der absolut willkürliche Umgang, die Versklavung des Rests der Gesellschaft, der Menschheit, wie auch immer - eine radikal-kritische Metapher für eine Gesellschaft, die die ihr unterworfenen zwingt, Scheisse zu fressen. Dieser Ausdruck ist ja durchaus - jenseits der KV-Lüsternen - ein Synonym für das, was vielen von uns von diversen höheren Stellen so zugemutet wird: von der Erziehung im Elternhaus und der (Vor-)Schule, über Ausbildung, Studium, Berufstätigkeit, Unterworfenheit unter die verschiedensten Autoritäten, die den einzelnen mehr oder weniger intensiven Qualen aussetzen - was stets vollkommen rational begründet wird. Man kann durchaus die Parallele bis in die Gegenwart ziehen: das Gefasele von der Nachhaltigkeit und Verantwortung für die künftigen Generationen, Schutz des Weltklimas pp dient ja auch nur dazu, dem dumpfen Volk das Fressen von Scheisse schmackhaft zu machen.
Ich besitze mehrere Bücher von de Sade, und habe eine Zeitlang in ihren geschmökert: es gibt eine Rahmenhandlung um eine meist weibliche Protagonistin, die in einer Art "road movie" diverse sexuelle Abenteuer erlebt, oftmals nur mit Glück und Mühe lebend und im wesentlichen unverletzt - und dazwischen finden immer wieder seitenlange Dialoge statt, mit denen die krassesten und perversesten Exzesse pseudophilosophisch und streng logisch rechtfertigt werden. Das ist eine Zeitlang interessant, und wird dann aber recht schnell langweilig.
Die Zusammenhänge von Kultur und Gewalt wurden übrigens von dem französischen Filmemacher Luc Besson in den achziger Jahren aufgegriffen und zu einem berühmt gewordenen Film verarbeitet: "Nikita". Es gab mehrere Remakes, auch TV-Serien - der Name ist heute noch als Nickname im Net sehr beliebt. "Nikita" zeigt keine sexuellen Exzesse - aber ballettartig inszenierte Gewaltszenen (ohne Splattereffekte), die durch ihre klar erkennbare Inszeniertheit soviel an Schrecken verlieren, daß sie auch für zarter besaitete ZuschauerInnen verdaulich werden.
Die Grundaussage beider Filme - vermute ich - ist dieselbe, nämlich eine Anarchische: jede organisierte Gesellschaft, jeder Staat und die darauf aufbauende und in ihm entwickelte Kultur beruht mittelbar oder unmittelbar auf Gewalt.
Nachdenklicher Gruß vom
Nacktzeiger