Hallo Woody,
In dieser Zeit, in der man sie auf ein eigenes Leben vorbereitet hatte, bleiben die eigenen Bedürfnisse mehr als einmal auf der Strecke.
Was tut man, wenn man feststellt, dass man diese Bedürfnisse wieder hat?
Diese Eingangsfrage steht ein wenig im Widerspruch zum Rest des Postings. Hat man die Bedürfnisse nun immer gehabt und lediglich unterdrückt, oder gab es da eine Phase, in der die Bedürfnisse gänzlich andere waren?
Der Partner hat mit der eigenen Entwicklung und den eigenen Bedürfnissen nicht Schritt gehalten.
Das ist natürlich eine sehr einseitige Feststellung. Da gibt es eine Beziehung, die funktioniert. Dann entwickelt sich der eine Partner anders als der andere. Abgesehen davon, dass die "Schuld"frage in Beziehungen sowieso sinnlos ist, denn beide sollten an der Beziehung festhalten, wäre es unfair, hier pauschal einen der beiden zum Verantwortlichen zu machen.
Bis zu welchem Punkt darf mein Partner egoistisch handeln und durch seine Ablehnung mein Verhalten beeinflussen?
Ein jedes menschliches Verhalten ist zunächst einmal egoistisch motiviert, und das ist auch legitim. Selbst altruistische Menschen versprechen sich eine egoistische Form der Genugtuung von ihrem Altruismus. Ich finde, es ist das gute Recht,
langfristig egoistisch eine angemessene Erfüllung der eigenen Interessen sicherzustellen. Alles andere wäre Selbstaufgabe. Das Entscheidende ist die Auslegung des Begriffs "angemessen". Sicherlich habe ich nicht ein "Recht" darauf, von meinem Partner jeden denkbaren Fetish einzufordern. Beide sollen ja wollen, nicht müssen.
Bis zu welchem Punkt darf ich meine Bedürfnisse zu recht über das "Wir" stellen?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass in einer Beziehung das "Wir" ein Teil der Bedürfnisse ist. Beide Partner wollen das "Wir", sonst ist es keine Beziehung. Nun hat man natürlich parallel zu diesem "Wir" noch weitere Bedürfnisse. Sie sollten mit dem "Wir" im Einklang stehen. Wenn einer der beiden Partner ein beziehungszerstörendes Bedürfnis entdeckt, ist das mit Sicherheit ein Problem für die Beziehung.
Wie geht man damit um, wenn der Partner die eigenen Bedürfnisse komplett ignoriert?
Da gibt es viele Möglichkeiten. Offene oder indirekte Kommunikation, subtiler Druck, emotionale Erpressung, offene Erpressung, Fremdgehen, am Ende auch die Aufgabe der Beziehung. Oder das Problem einfach ignorieren und sich aus der Beziehung langsam auskoppeln. Männer greifen oft zur Ignoranz, Frauen oft zur emotionalen Erpressung.
Wo ist der Punkt erreicht, an dem man einen Schlussstrich zieht und eine Beziehung beendet?
Ich finde, eine Beziehung ist ein Wert für sich, den man nicht wegen einer Kleinigkeit aufgibt. Selbst für schwer wiegende Probleme lassen sich Lösungen finden, wenn man den Raum der möglichen Lösungen nur weit genug aufspannt. Die Partnerschaft muss ja nicht immer so aussehen, wie man sie aus dem Bilderbuch kennt. Auch für recht absurde Konstellationen von Bedürfnissen lassen sich Lösungen finden. Scheitern kann das Ganze eigentlich nur am Stolz, der in einer Beziehung ohnehin mehr Schaden als Nutzen stiftet.
Warum halten so viele Menschen an Beziehungen fest, an denen sich das Festhalten eigentlich nicht mehr lohnt?
Wer sagt, dass es sich nicht mehr lohnt? Kannst Du beurteilen, wie wertvoll eine Beziehung für einen bestimmten Menschen ist? Von außen sieht immer alles sehr sachlich aus.
Warum tut man das - warum geht man nicht viel früher den Weg des ohnehin unvermeidlichen?
Die Formulierung "ohnehin unvermeidlich" gefällt mir nicht, sie hat so etwas von einer Untergangsstimmung. Ich finde nicht, dass eine Trennung stets unvermeidlich ist.
Lasst mich einmal erfahren, warum ihr längst tote Beziehungen so lange am Leben haltet, anstatt das ohnehin unvermeidliche zu akzeptieren.
Ich hatte mal eine Beziehung, die viele außen Stehende für gescheitert hielten, ich selbst aber nicht. Sie hielt erstaunlich lange, und ich wollte das auch so. Kein außen Stehender konnte begreifen, was ich an dieser Frau fand. Aber ist das wichtig, was andere denken?