Zufall
dass dinge nach gesetzen verlaufen und wir sie nicht vorhersagen können ist kein widerspruch. steht womöglich die zukunft in plänen geschrieben, die wir nur nicht lesen können? dann würde unser leben einem den menschen unbegreiflichen schicksal folgen. nur ein überwesen mit den fähigkeiten des "laplace´schen dämons" wäre im stande, den lauf der welt bis in alle zukunft zu berechnen.
wer dieser ansicht ist, vertritt die position des metaphysischen determinismus. im streng philosophischen sinne gibt es danach keinen zufall, nur zwangsläufigkeit, weil gesetze den lauf der welt unwandelbat festlegen. vorbestimmt wären veränderungen in der belebten und unbelebten natur, ebenso wie die entscheidungen der menschen. so stünde heute schon und seit aller ewigkeit fest, auf welche zahl die roulettekugel am hintersten tisch des casinos von baden-baden beim ersten spiel des jahres 2012 fallen wird; auch wie und mit wem sie den weihnachtsabend jenes jahres verbringen. freiheit wäre dann eine illusion.
doch diese pläne sind weder unserer erfahrung, noch unserem denken zugänglich, darum metaphysisch.
logisch ist eine solche vorstellung einwandfrei. sie ist weder richtig noch falsch, sondern unüberprüfbar.
ob eine theorie zutrifft oder nicht, können wir nur herausfinden, indem wir von ihr ausgehend voraussagen treffen und testen, ob diese der wirklichkeit standhalten. tun sie es nicht, verwerfen wir die theorie, andernfalls akzeptieren wir sie oder überlegen uns einen neuen, besseren test. doch genau eine solche prüfung können wir beim metaphysischen determinismus nicht anstellen. so bleibt es dem geschmack jedes einzelnen überlassen, ob er an ein alles bestimmendes, aber uneinsehbares schicksal glaubt oder die wirkung seines unvermeidlichen wissens zufall nennt.
albert einstein gehörte zu denen, die den zufall als letztgültiges prinzip in der natur ablehnten. der wohl grösste physiker des 20. jahrhunderts war determinist. << gott würfelt nicht >> war sein berühmtes credo, mit dem er sich in gegensatz zu den führenden kollegen seiner epoche setzte. doch gerade das denken einsteins zeigt, in welche logischen schwiergkeiten sich begibt, wer an eine allumfassende vorherbestimmung glaubt:
wer den zufall für ein trugbild hält, hervorgerufen durch menschliche unwissenheit, muss über die zeit und ihre wirkung ebenso denken. denn falls der zufall nicht real ist, entwickeln sich alle dinge zumindestens für eine höhere intelligenz vorhersehbar. darum könnte sich ein solcher verstand heute schon den besitz allen wissens bringen, das er überhaupt je gewinnen kann; in diesem sinn ist alle zukunft restlos in der vergangenheit enthalten.
einstein, welcher der zeit den hohen rang einer vierten dimension des raumes einräumte, scheint tatsächlich dieser meinung gewesen zu sein.
<< die scheidung zwischen vergangenheit, gegenwart und zukunft hat nur die bedeutung einer, wenngleich, hartnäckigen illusion>>, äußerte er im märz 1955, einen monat vor seinem eigenen tod.
solchen denken ist in sich schlüssig, doch dem sprachgebrauch und empfinden des alltags entgegengesetzt. es ist schlicht lebensfern, nicht an den zufall, sondern an ein schicksal zu glauben.