Hemden verschicken
Es ist längst wissenschaftlich nachgewiesen: nicht der potente Mann sucht seine Partnerin aus. Der steht nur repräsentativ rum mit einem Glas Sekt in der Hand und guckt sich scheinbar bei der angesagten Vernisage einige Gemälde in der furchtbar angesagten Galerie an. Nein, es sind die fruchtbaren Frauen, die nur ein paar heiße Tage im Monat empfänglich, ganz nebenbei und zufälltig auf Beute lauern. Und da kommt eben nicht jeder rumstehende Einfaltspinsel in Frage, sondern nur ganz ausgesuchte Künstler der Pheromon - und Hormonwelt. Der, sobald er gewahr wird, dass er sich auf ihrem Radar befindet, wirft das Sektglas hinter sich, lächelt sie an und sie muss nur noch die Pupillen weiten – und schon ist doch alles klar. Nur die Kultur der bildenden Künste und deren Bewunderer stört in diesem Moment, sonst würden die Beiden gleich übereinander herfallen.Aber eigentlich ist der Blick zweitrangig. Die Frau geht nach ihrer Nase. Sie muss ihn riechen können. Das ist auch lange bekannt. Aber in der Welt des Datings und der Portale noch nicht so richtig angekommen. Da geht es ja geruchslos zu, was dann zu Mißverständnissen, Fehlleistungen, enttäuschten Erwartungen und zahlungsunwilligen Männern beim ersten Date führt. Und frustierten Frauen, die sich nach dem 5. Date ohne Sex doch lieber für die Anschaffung eines Zwergpudels entscheiden und des neusten Superdildos. Das ist dann das Ende der erotischen Kultur und der Anfang der Nordic Walk-Bewegung. Hunderte von Frauen ziehen im Stadtpark an mir auf zwei Stöcken vorüber und würdigen mich keines Blickes, obschon ich nicht weniger als in der Galerie repräsentativ rumstehe, diesmal mit einem Kaffeebecher in der Hand.
Wo waren wir? Ach ja, bei der Nase, den Pheromonen und Hormonen und den Zwergpudel.
Vergessen wir einmal die Zwergpudel.
Wenn schon das Geruchsinternet in weiter Ferne liegt, so würde doch Abhilfe geschaffen, wenn die Herren bei JOY ihre gebrauchten Hemden verschickten. Ich könnte mir zur Erleichterung für die Damen die Erweiterung des Smily-Parks vorstellen mit dem Schild, gehalten von einem gelben Teil: „Ich will ein Hemd von Dir!“ Das würde die Entscheidungsfindung der Frauen hier wesentlich erleichtern. Und Männer, die Besitzer vieler Oberhemden sind, hätte gegenüber der massenhaften Konkurrenz ein leichten Vorteil. Also nicht geizig sein, die Herren. Gebt Euer letztes Hemd für die Aussicht auf Sex mit der hier entdeckten Traumfrau. Es lohnt sich! Oder eben nicht, wenn sie schnüffelt und dann schreibt: „Es passt nicht!“, aber ein Foto einstellt, wo sie lazid eben jenes Hemd aufreizend trägt. Das wäre dann weibliche Logik, gegen die jeder Bedenken-Hemdenträger letztlich machtlos ist.
Und sollte es doch wider Erwarten zu einem ersten Date kommen, dann zuvor den Hinweis anbringen: „Bitte mein Hemd gewaschen und gebügelt mitbringen!“. Ob sie das Teil als Trophäe behalten darf, ist dann während des Abends Verhandlungssache.
©Claivaux2018