Ich habe schon oft meinen eigenen Umgang mit dem Smartphone reflektiert, um herauszufinden, ob eher ich unnormal bin, oder "die anderen". Woran mache ich das fest? Ich vergleiche mit anderen Handynutzern, aber auch mit mir, als ich noch kein Handy hatte.
Bis ich 15 war, war ich handylos. Da setzten mir meine Eltern ein Handy vor die Nase, weil sie das Gutenberg-Attentat in meiner Heimatstadt Erfurt ein Gefühl der Hilflosigkeit lehrte, nicht zu wissen, wie es dem Kind im Notfall geht - lebt sie noch? Es war Glück, dass ich nicht auf diese Schule ging, sondern in einem anderen Stadtteil die Schulbank drückte. Dennoch, auf einmal besaß ich ein Handy, das ich nie wollte. Okay, vorher hatte ich von Freundinnen aus zu Hause angerufen und auf den AB gesprochen, wie lange ich weg bleibe und wann ich wieder daheim bin. Tat ich auch weiterhin - wozu Eltern von unterwegs aus anrufen? Blödsinn, fand ich.
Fotos machen mit dem Handy? Mit den Urzeitmodellen vergleichbar mit einer Polaroid: Man konnte erkennen, was es sein sollte, mehr aber auch nicht. Für Fotos benutze ich bis heute meine Kamera.
SMSen? Ich war sehr schreibfaul. Vielleicht auch etwas geizig, da ich mein Prepaid-Guthaben vom Taschengeld bezahlte, bei 5,- (erst DM, dann EUR) nicht viel. Kind lernt so zu haushalten.
Whatsapp hielt bei mir erst anno 2014 Einzug, als Verabredungen unter Freunden und Absprachen im Job nur noch über dieses Medium getätigt wurden und ich außen vor blieb. So kam ich auch an mein erstes Smartphone, ein Blackberry. Ich habe es geliebt und gehasst. Denn nun war ich gläsern, omnipräsent, verfolgbar, nachvollziehbar, kontrollierbar. Nichts blieb verborgen. Abgesehen von den Tücken der Technik, die mich oft als DAU dastehen ließen.
Aber ich sehe auch enorme Vorteile, ein Smartphone zu besitzen. Das Blackberry ist Geschichte, mit meinem jetzigen kann ich tolle Fotos machen, mich navigieren lassen, schnell unterwegs eine Adresse ergoogeln, kostenfreie "Bei mir wirds später" Nachrichten senden, die Uhrzeit checken, mich frühs wecken lassen, nachts in der Garage unters Auto leuchten, im Zug Musik hören, komplizierte Dinge ausrechnen, Sternbilder identifizieren.... Das Ding ist schon irgendwie ein All-in-one und vereint mehrere Geräte in einem. Feine Sache.
Was mich aber massiv stört, ist der Zwang, jederzeit vernetzt und erreichbar zu sein. Meine Kollegen sitzen mit Handy am Frühstückstisch, es herrscht Schweigen. Beim Arbeiten fällt ihnen das Handy fast aus der Kitteltasche. Es sind keine 10min möglich, ohne dass Statusupdates und Belanglosigkeiten ausgetauscht werden müssen. Kinder, die an Haltestellen warten, surfen durchs Internet, schauen Youtubevideos und bloggen und twittern, anstatt zu spielen, lachen, raufen. Ein Treffen mit Freunden ist ab und an sehr gestört durch das ständige "Ich muss mal schnell auf mein Handy schauen". Ich finde das
respektlos! Das Handy ist wichtiger als unser Beisammensein, es drängt sich in die Konversation, unterbricht Gespräche. Für mich untragbar, weshalb sich mein Freundeskreis erfreulich ausgedünnt hat und nur noch Freunde beinhaltet, die nicht so schrecklich handy-affin vulgo -süchtig sind.
Mitlerweile genieße ich die kleinen Ups-Effekte, wenn ich feststelle, hoppla - ich hab mein Handy zu Hause vergessen. Die darauf folgenden Stunden sind sehr entspannend. Die Krönung ist der Urlaub, wenn das Handy tage- bis wochenlang im Flugzeugmodus geschaltet bleibt, oder ganz aus ist. Einfach mal nicht erreichbar sein - unbezahlbar.