********1967:
warum du altruistische liebe aber für selbstzerstörerisch und sogar abstoßensd hälst, DAS würde mich wirklich mal interessieren !
Zum einen weil die Liebe als "neurochemischer Beschiss" im Grunde Teil eines biologisch fest verdrahteten Arterhaltungsprogramms ist. Heißt, das (menschliche) Gen ist grundsätzlich egoistisch und jede Form altruistischen Verhaltens dient letztendlich dem Egoismus des Gens.
Als Brücke von der Biologie zur Philosophie werfe ich ein: Der Mensch hat grundsätzlich nur zwei Motivationen, um etwas zu tun. Entweder, weil er es will, oder weil er dazu gezwungen wird. Jede Handlung lässt sich auf diese zwei Grundmotivationen herunterbrechen.
Ein Mensch, der altruistisch sein will, tut dies in aller Regel, weil er selbst etwas davon hat. Sei es, weil er sich dadurch gut fühlt, weil er sich von anderen ein ebenso altruistisches Verhalten erhofft, oder weil er langfristig etwas schützt (wie Kinder). Verwandtschaftsaltruismus oder Gesellschaftsaltruismus sind in ihrer Motivation durchaus egoistisch, auch wenn sich das nicht so "anfühlen" mag. Viele wissen um das Ansehen, das ihnen altruistisches Verhalten in der Gesellschaft und sogar in der Wirtschaft verspricht.
Kommen wir aber zu einer wirklich vollkommenen altruistischen Liebe, so wie du sie beschreibst... dann bleibt am Ende nichts als die Gewissheit, dass ein solcher Mensch seine Bedürfnisse, sein Ich, für geringer schätzt, als die Bedürfnisse und das Ich des anderen. Weil er es
will. Im Fall von zB. Kindern haben wir meist gar keine Wahl, hier ergeben sich Unterschiede zwischen dem Egoismus des Gens (Spezies) und dem Egoismus des Individuums (Du/Ich).
Altruismus, gerade in der Liebe, wirkt nach außen immer nobel, geradezu romantisch. Ich kann aber nichts Nobles darin erkennen, dass ein Mensch von sich aus gibt und gibt und gibt, selbst wenn er nichts zurückbekommt, selbst wenn es ihn unglücklich macht, weil er glaubt, er selbst habe nicht denselben Wert wie der Mensch, dem er alles opfert. Und das ist es letztendlich: Selbstaufopferung, welche die eigenen Bedürfnisse völlig hintenanstellt. Man macht sich selbst entbehrlich, weil man seinen Wert herabsetzt. Die Vorstellung, dass auch nur ein Mensch entbehrlich sein soll, finde ich persönlich tatsächlich richtig widerlich.
Zudem verstehe ich nicht, warum man jemanden lieben sollte, der nichts zurückgibt, der praktisch nur ausnutzt. Warum sollte man seine Ressourcen an so jemanden verschwenden?
Wenn das Geben einen mit Glück erfüllt, ist es im Kern keine altruistische Liebe, weil die Liebe an eine Bedingung geknüpft ist, eine egoistische Grundmotivation: Glücklich sein. Ich liebe jemanden, weil es mich glücklich macht. Ich möchte, dass derjenige glücklich ist, weil es mich glücklich macht. Ich gebe ihm, was ich kann, weil es mich glücklich macht. Ich will ihn an meiner Seite haben, weil es mich glücklich macht. Sein Glück ist mein Glück.
Fällt diese egoistische Komponente weg und wir haben wahrhaft und durchweg altruistische Liebe, welche die Option beinhaltet, NICHTS zurückzubekommen, nicht einmal Glück, dann ist diese Liebe nicht nobel oder romantisch, sondern selbstzerstörerisch. Jemand, der nicht auf sich selbst achtet, der sich selbst so egal ist, stößt mich moralisch ab, da ich denke, dass das persönliche Glück (gebaut auf Individualrechten und der Freiheit von Zwang) der Grundstein von Moral ist. Wer mich "selbstlos" liebt, ist bereit, sich selbst zu opfern. Das kann nur passieren, wenn man sich für geringer hält, als man ist, wenn man sich für entbehrlich hält, die eigenen Bedürfnisse für zweitrangig.
Wenn mich jemand aus dem puren, egoistischen Grund liebt, dass es ihn glücklich macht, heißt das für mich nicht nur, dass ich als Person die Fähigkeit habe, jemanden glücklich zu machen, sondern auch, dass derjenige seinen Wert erkennt und weiß, dass er dieses Glück verdient hat. Egoistische Liebe ist Selbstliebe, altruistische Liebe ist Selbstzerstörung.
Rationaler Egoismus ist eine feine Sache, auch - und erst recht - in der Liebe. Wer sich selbst liebt und sich damit erlaubt, glücklich zu sein, kann eigenes Glück mit anderen teilen, ohne dass er dabei "ärmer" wird.